Ein Unternehmen muss sicherstellen, dass der Vorsteuerabzug nicht an formalen Fehlern scheitert. Gerade kleine Unachtsamkeiten in Rechnungen können nicht nur den Vorsteuerabzug gefährden, sondern auch zu hohen Zinsrisiken führen. Zwar lassen aktuelle Rechtsprechung und Verwaltungsanweisungen unter bestimmten Voraussetzungen eine rückwirkende Rechnungsberichtigung zu – dennoch bleibt eine sorgfältige Rechnungseingangskontrolle unverzichtbar.
Dieser Beitrag zeigt die häufigsten Praxisprobleme auf und gibt Hinweise für sichere Gestaltungen.
Kernaussagen
- Rückwirkende Rechnungsberichtigung schützt Leistungsempfänger vor Zinsschäden, setzt aber bestimmte Mindestangaben voraus.
- Alltägliche Geschäftsvorfälle wie Reisekostenweiterbelastungen, Konzernabrechnungen oder Vermietungen bergen umsatzsteuerliche Fallstricke.
- Systematische Rechnungseingangskontrolle ist Pflicht – nicht nur für den Vorsteuerabzug, sondern auch zum Schutz vor Betrugsfällen.
1. Rückwirkende Rechnungsberichtigung – neue Chancen, klare Hürden
Seit der EuGH- und BFH-Rechtsprechung ist es möglich, eine fehlerhafte Rechnung mit Rückwirkung zu berichtigen. Voraussetzung: Die ursprüngliche Rechnung enthält mindestens Angaben zu
- Leistungsempfänger,
- leistendem Unternehmer,
- Leistungsbeschreibung,
- Nettoentgelt und
- Umsatzsteuerausweis.
Fehlen diese Angaben oder sind sie völlig unbestimmt, ist eine rückwirkende Korrektur ausgeschlossen. Unternehmen sollten daher unverzüglich Rechnungsberichtigungen anfordern, wenn Fehler auffallen.
Praxis-Tipp:
Bereiten Sie standardisierte Textbausteine für Berichtigungsschreiben vor, damit Ihre Buchhaltung schnell reagieren kann.
2. Typische Praxisprobleme und Fallstricke
a) Weiterbelastung von Reisekosten
Reisekosten sind bei der Weiterberechnung regelmäßig Nebenleistungen zur Hauptleistung und daher mit deren Steuersatz zu versteuern. Ein bloßes „Durchreichen“ der Hotelrechnung führt hier zu falschen Abrechnungen.
b) Verwechslung von Konzerngesellschaften
Rechnungen dürfen nur an den tatsächlichen Leistungsempfänger adressiert sein. Falsch adressierte Rechnungen können den Vorsteuerabzug gefährden – auch wenn es sich nur um einen falschen Rechtsformzusatz handelt.
c) Vermietung durch ausländische Vermieter
Die Finanzverwaltung unterstellt ausländischen Vermietern eine inländische Betriebsstätte. Der EuGH sieht das anders – ein Risiko für gewerbliche Mieter, die auf den Vorsteuerabzug angewiesen sind.
d) Aufsichts- und Beiratsvergütungen
Ob ein Beirat umsatzsteuerlicher Unternehmer ist, hängt von der Vergütungsstruktur ab. Wird Umsatzsteuer zu Unrecht ausgewiesen, ist der Vorsteuerabzug ausgeschlossen (§ 14c UStG).
e) Geschäftsveräußerung im Ganzen
Bei Asset-Deals droht die Gefahr, dass Umsatzsteuer unberechtigt ausgewiesen wird. In solchen Fällen ist der Vorsteuerabzug ausgeschlossen.
f) Verspäteter Vorsteuerabzug
Eingangsrechnungen, die verspätet gebucht werden, können den sofortigen Abzug gefährden. Neuere EuGH- und BFH-Rechtsprechung ermöglicht zwar ein „Nachholen“, dennoch ist eine zeitnahe Prüfung unverzichtbar.
3. Systematische Rechnungseingangskontrolle – Pflichtprogramm für Unternehmen
Eine funktionierende Rechnungseingangskontrolle schützt doppelt: Sie sichert den Vorsteuerabzug und verhindert Betrug durch Scheinrechnungen.
Empfohlene Maßnahmen:
- 3-Way-Match (Abgleich von Bestellung, Lieferung und Rechnung)
- Prüfung der IBAN und Stammdaten im ERP-System
- Nutzung des SEPA-Lastschriftverfahrens für echte Geschäftspartner
- Aufbau eines Umsatzsteuer-Handbuchs für die Einkaufsabteilung
4. Fazit
Der Vorsteuerabzug ist ein zentrales Liquiditätsinstrument. Formale Fehler auf Eingangsrechnungen sollten nicht dazu führen, dass Unternehmen bares Geld verlieren. Mit einem klaren Kontrollsystem, standardisierten Prozessen und enger Abstimmung zwischen Einkauf, Buchhaltung und Steuerabteilung lassen sich Risiken deutlich reduzieren.
👉 Praxisempfehlung: Entwickeln Sie gemeinsam mit Ihrem Steuerberater ein unternehmensinternes Umsatzsteuer-Handbuch, das typische Geschäftsvorfälle abbildet. So wird die Rechnungskontrolle auch für Nicht-Steuerexperten nachvollziehbar – und der Vorsteuerabzug bleibt gesichert.