Rheinland-pfälzische Vorschläge zur AN-Selbstveranlagung: Zukunftsmusik?

Der demografische Wandel rüttelt die Geister der Politik sowie der Finanzverwaltung wach: Mehr denn je spukt der Begriff der Selbstveranlagung durch die politische Erörterung. Spricht bereits der Koalitionsvertrag davon, dass das Verfahrensrecht hin zu einem Selbstveranlagungsverfahren beginnend mit der Körperschaftsteuer weiterentwickelt werden soll, ruft nun auch der rheinland-pfälzische Finanzminister Dr. Carsten Kühl 15 Vorschläge zur schrittweisen Einführung der Selbstveranlagung bei der Einkommensteuer auf die Tagesordnung. Gleich zweimal erörterte die Praxis jüngst diese Überlegungen engagiert mit Politik, Finanzverwaltung sowie Wissenschaft während gut besuchter Fachgespräche.
Was verbirgt sich hinter den Modellüberlegungen?
Mit der auf der Internetseite des rheinland-pfälzischen Finanzministeriums veröffentlichten Modellbeschreibung soll eine Lösung zur Steigerung der Effizienz des Verwaltungsvollzugs angeboten werden. Darüber hinaus soll damit den in der Massenveranlagung zu erwartenden Vollzugsdefiziten und einer entsprechenden Absenkung der Qualität des Verwaltungsvollzugs begegnet werden: Sowohl der demografische Wandel als auch die den öffentlichen Haushalten auferlegten Sparzwänge führten mittelfristig zu einer Reduzierung des Personals in den Finanzämtern.

Der Systemwechsel solle sukzessive beginnen, um die technischen und rechtlichen Anpassungen zu erleichtern. Als ersten Schritt haben die Vorschläge lediglich einfach gelagerte Arbeitnehmerfälle im Fokus, da hier eine Vielzahl von Daten bereits elektronisch bei der Finanzverwaltung vorliegen oder in absehbarer Zeit vorliegen werden.

Grundvoraussetzung sei die vollelektronische, vorausgefüllte Steuererklärung. Flankierend soll die Selbstveranlagung durch eine Vereinfachung des Steuerrechts erleichtert werden. Als Vorteil für den Steuerpflichtigen gelte insbesondere eine beschleunigte Auszahlung einer etwaigen Steuererstattung.

Gibt es Anlass zur Besorgnis?
Die mit der Praxis geführten Erörterungen belegen, dass ein solcher Systemwechsel insgesamt noch sehr kritisch gesehen wird und zeitnah nicht umsetzbar ist. Das bestehende Risikomanagement der Finanzverwaltung müsse dringend überarbeitet werden, da bereits derzeit die Steuerfälle vielfach ausgesteuert würden und dann mit erheblichem Mehraufwand manuell bearbeitet werden müssten. Auch die bundesweit uneinheitliche IT-Landschaft bedürfte einer grundlegenden Anpassung.

Die Steuerberaterschaft hob u. a. die gewichtige Bedeutung des Steuerbescheids hervor. Würde er durch die Selbstveranlagung abgeschafft, käme es zu Friktionen zu anderen AN-Lebensbereichen: Der Bescheid sei insbesondere zur Vorlage bei Krankenkassen, bei Wohngeld- oder aber BaFöG-Anträgen notwendig. Zudem müsste der erheblichen Verlagerung der Verantwortung für eine ordnungsgemäße Steuerfestsetzung auf den Steuerpflichtigen oder seinen Berater sowie dem damit einhergehenden Mehraufwand durch mehr Entgegenkommen seitens der Finanzverwaltung begegnet werden. Zur Förderung der Akzeptanz eines Systemwechsels müssten u. a. die Nachforderungen von Belegen deutlich reduziert und die Möglichkeit der elektronischen Übertragbarkeit von Belegen geschaffen werden. Eine Anhebung des Sanktionssystems – wie es in anderen Ländern (bspw.: USA, Großbritannien) für das Selbstveranlagungsverfahren vorgesehen ist – sei nicht hinnehmbar.

Maßgebliche Vertreter aus Politik, Finanzverwaltung und Wissenschaft diskutierten mit dem Plenum die Chancen und Risiken eines solchen Systemwechsels während der Veranstaltung „Steuererklärung leicht gemacht – Das Projekt Selbstveranlagung“ in der Landesvertretung Rheinland-Pfalz, Berlin, im April. Für den Steuerberaterverband Hessen e.V. brachte sich sein Präsident StB Burkhard Köhler sowie für den Deutschen Steuerberaterverband e.V. RAin/StBin Sylvia Mein in das Fachgespräch ein. An dem vom Finanzministerium Rheinland-Pfalz im Februar in Mainz ausgerichteten Fach-Workshop nahm für den Steuerberaterverband Rheinland-Pfalz e.V. sein Präsident StB/vBP Wolfgang Roth teil.

Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage des DStV.

Quelle: Deutscher Steuerberaterverband e.V., Mitteilung vom 17.04.2014