Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs bei einer Kapitalgesellschaft – BFH-Urteil vom 25. April 2023, II R 38/20

Im Urteil vom 25. April 2023, II R 10/21, hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass die tatsächliche und vollständige Rückgängigmachung eines Grundstückserwerbs im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) grundsätzlich die Löschung einer zugunsten des Ersterwerbers eingetragenen Auflassungsvormerkung voraussetzt.

Im konkreten Fall hatte die Klägerin ein Grundstück im Jahr 2014 von der Beklagten erworben. Im Jahr 2015 verkaufte die Klägerin das Grundstück an einen Dritten. Die Auflassungsvormerkung wurde jedoch nicht gelöscht.

Die Klägerin erhob Klage gegen den Grunderwerbsteuerbescheid des FA. Sie argumentierte, dass der Grundstückserwerb durch den Verkauf an den Dritten tatsächlich und vollständig rückgängig gemacht worden sei.

Der BFH wies die Klage der Klägerin ab. Er hat entschieden, dass die Löschung der Auflassungsvormerkung eine notwendige Voraussetzung für die tatsächliche und vollständige Rückgängigmachung des Grundstückserwerbs ist. Die Auflassungsvormerkung ist ein öffentliches Recht, das den Ersterwerber als Eigentümer des Grundstücks ausweist. Solange die Auflassungsvormerkung nicht gelöscht ist, besteht der Anschein, dass der Ersterwerber noch Eigentümer des Grundstücks ist.

Die Entscheidung des BFH ist zu begrüßen, da sie Rechtssicherheit schafft. Die Finanzverwaltung kann nun davon ausgehen, dass ein Grundstückserwerb nur dann tatsächlich und vollständig rückgängig gemacht ist, wenn die Auflassungsvormerkung gelöscht wurde.

Zu den Leitsätzen 2 und 3 des Urteils kann ich folgende Ergänzungen machen:

  • Leitsatz 2: Die Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG ist nur dann ausgeschlossen, wenn der Ersterwerber bei der Rückgängigmachung des Grundstückserwerbs den aufgrund der Auflassungsvormerkung bestehenden Anschein einer Rechtsposition in seinem eigenen (wirtschaftlichen) Interesse verwertet hat.

Beispiel: Der Ersterwerber verkauft das Grundstück an einen Dritten, der das Grundstück jedoch nicht nutzt. Der Ersterwerber kann sich die Rechte aus der Auflassungsvormerkung nicht zurechnen lassen, da er das Grundstück nicht in wirtschaftlicher Hinsicht genutzt hat.

  • Leitsatz 3: Ist die Ersterwerberin eine Kapitalgesellschaft, muss sie sich die Interessen ihrer Gesellschafter beziehungsweise Geschäftsführer zurechnen lassen.

Beispiel: Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft, die von zwei Gesellschaftern gehalten wird. Einer der Gesellschafter ist zugleich Geschäftsführer der Klägerin. Der Gesellschafter hat die Klägerin dazu veranlasst, das Grundstück an den Dritten zu verkaufen. Die Klägerin kann sich die Interessen des Gesellschafters zurechnen lassen.