Sanktion gegen Spanien wegen unterlassener Rückforderung von im Baskenland rechts-widrig gewährten Beihilfen vorgeschlagen

Generalanwältin Sharpston schlägt vor, dass der Gerichtshof Spanien wegen unterlassener Rückforderung von im Baskenland rechtswidrig gewährten Beihilfen einen Pauschalbetrag in Höhe von 50 Millionen Euro auferlegt.

Indem Spanien nicht vor Erhebung der vorliegenden Klage sämtliche Beihilfen zurückgefordert habe, sei es einem Urteil von 2006, das die Rückforderung anordnete, nicht nachgekommen.

In der Zeit von 1994 bis 1997 führten die drei Provinzen des Baskenlands (Álava, Vizcaya und Guipúzcoa) jeweils zwei verschiedene fiskalische Maßnahmen ein, die bis 1999 bzw. 2000 in Kraft blieben: eine Steuergutschrift für Unternehmen in Höhe von 45 % des Investitionsbetrags und eine sich über vier Jahre erstreckende degressive Minderung der Steuerbemessungsgrundlage für neu gegründete Unternehmen, die beide der Kommission nicht gemeldet wurden.

Im Jahr 2001 erließ die Kommission sechs Entscheidungen, mit denen sie feststellte, dass es sich bei diesen Maßnahmen um mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfen handele, und Spanien zu deren Rückforderung verpflichtete.

Im November 2003 erhob die Kommission beim Gerichtshof sechs Vertragsverletzungsklagen, weil Spanien ihrer Ansicht nach nicht alle Maßnahmen ergriffen habe, die notwendig seien, um diesen Entscheidungen nachzukommen. Mit Urteil vom 14. September 2006 stellte der Gerichtshof fest, dass Spanien nicht alle Maßnahmen ergriffen habe, die notwendig gewesen seien, um die Beihilfen zurückzufordern, und ordnete ihre Rückforderung an.

Da die Kommission der Meinung war, dass Spanien die Beihilfen noch immer nicht zurückgefordert habe, beantragte sie im April 2011 beim Gerichtshof, festzustellen, dass Spanien das Urteil von 2006 nicht durchgeführt habe, und gegen diesen Mitgliedstaat einen Pauschalbetrag von 64.543.000 Euro zu verhängen.

In ihren Schlussanträgen vom 23.01.2014 stellt Generalanwältin Sharpston fest, dass Spanien einräume, die Rückforderung habe größtenteils erst seit Einleitung des vorliegenden Verfahrens stattgefunden. Am 30. Oktober 2013 habe die Kommission dem Gerichtshof mitgeteilt, sie habe sich vergewissert, dass die Beihilfen nunmehr in vollem Umfang nebst Zinsen zurückgezahlt worden seien; die letzte Zahlung sei am 15. Oktober 2013 erfolgt. Spanien und die Kommission seien jedoch über die Berechnung und die Gesamthöhe der zurückzufordernden Beihilfen uneinig. Spanien betone, dass die streitigen Beihilfebeträge schließlich zurückgefordert worden seien, um die Sanktion, die der Gerichtshof eventuell verhänge, in Grenzen zu halten, ohne aber eine rechtliche Verpflichtung zur Rückforderung der Beihilfen anzuerkennen. Da weder in den Entscheidungen von 2001 noch im Urteil von 2006 die unvereinbaren Beihilfen konkret bezeichnet worden seien, habe der Gerichtshof – ungeachtet der Tatsache, dass alle Beihilfebeträge nunmehr zurückgezahlt worden seien – den Beihilfebetrag zu bestimmen, zu dessen Rückforderung Spanien verpflichtet gewesen sei. Die Generalanwältin weist aber darauf hin, dass die von beiden Parteien vorgelegten Unterlagen sehr umfangreich und nicht geeignet seien, den Gerichtshof insoweit zielführend zu unterstützen.

Ihrer Ansicht nach ist die Frage, inwieweit die streitigen Beihilfen zurückgefordert werden müssten, anhand der Regionalbeihilfeleitlinien von 1998 zu beurteilen. Aufgrund des in diesen Leitlinien festgelegten „Anreizerfordernisses“ entfalle eine Rückforderungspflicht nur für solche Beihilfen, bei denen feststehe, dass der Beihilfeantrag vor dem Beginn der Investitionsprojektausführung gestellt worden sei.

Sodann prüft die Generalanwältin die Anwendbarkeit der De-minimis-Regel, wonach Beihilfemaßnahmen nicht bei der Kommission gemeldet werden müssten, wenn die Gesamtsumme der einem Unternehmen gewährten Beihilfen 100.000 Euro brutto (Bruttosubventionsäquivalent) bezogen auf einen Zeitraum von drei Jahren nicht übersteige. Im Rahmen der Rückforderung der Beihilfen, die in Form einer Minderung der Steuerbemessungsgrundlage für neu gegründete Unternehmen gewährt worden seien, hätten die spanischen Behörden ursprünglich jeweils 100 000 Euro je Dreijahreszeitraum von dem von den Begünstigten zurückzufordernden Betrag abgezogen. Dazu seien die spanischen Behörden nicht berechtigt gewesen.

In einigen Fällen habe Spanien den Rückforderungsbetrag ursprünglich dadurch gesenkt, dass es rückwirkend bestimmte gesetzlich geregelte Steuerabzüge angewandt habe. Die Kommission ist der Ansicht, dass Spanien auch diese Beträge zurückfordern solle. Dazu führt die Generalanwältin aus, es sei nicht behauptet worden, dass diese Abzüge Bestandteil der als rechtswidrige staatliche Beihilfen eingestuften Regelungen für die steuerlichen Gutschriften gewesen seien. Die Abzüge würden weder in den Entscheidungen von 2001 noch im Urteil von 2006 erwähnt, und im vorliegenden Verfahren gehe es um die Rüge der Nichtdurchführung des Urteils von 2006. Die Frage, ob die Abzüge nach nationalem Recht korrekt gewährt worden seien, sei daher nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Aufgrund dessen schätzt die Generalanwältin, dass zum Zeitpunkt des Urteils von 2006 ein Kapitalbetrag in Höhe von insgesamt rund 322 Millionen Euro zurückzufordern gewesen sei, was ungefähr 10 % unter dem von der Kommission angeführten Betrag von 358 Millionen Euro liege. Sie schlägt zudem vor, den fälligen Zinsbetrag ebenfalls um 10 % niedriger anzusetzen, als die Kommission dies getan habe. Bis zum Zeitpunkt der Einleitung des vorliegenden Verfahrens seien ungefähr 14 % des Gesamtbetrags zurückgefordert worden. Die übrigen 86 % seien nach der Einleitung des vorliegenden Verfahrens, nämlich in der Zeit von September 2011 bis Oktober 2013, zurückgefordert worden.

Was die finanzielle Sanktion für diesen Verstoß betrifft, ist Generalanwältin Sharpston der Meinung, dass die Verhängung eines Pauschalbetrags als abschreckende Maßnahme angemessen sei. Die Höhe der in Rede stehenden rechtswidrigen Beihilfen sei erheblich, bei der Rückforderung sei es zu einem beträchtlichen Verzug gekommen und die spanischen Behörden hätten mit großem Zeit- und Arbeitsaufwand versucht, die zurückzufordernden Beträge auf ein Minimum zu beschränken, und seien dabei oftmals übermäßig ins Detail gegangen, was zu weiteren Verzögerungen geführt habe. Die Generalanwältin untersucht die Leitlinien der Kommission und die Rechtsprechung des Gerichtshofs in vergleichbaren Fällen, ohne eine gemeinsame Herangehensweise zu finden.

Unter Berücksichtigung aller Umstände schlägt die Generalanwältin dem Gerichtshof vor, einen Pauschalbetrag von 50 Millionen Euro zu verhängen. Sie sehe keinen stichhaltigen Grund für eine Erhöhung oder Herabsetzung dieses Betrags. Es handle sich um eine bedeutende Summe – höher als jeder andere vom Gerichtshof bisher verhängte Pauschalbetrag -, der auch ohne eine Erhöhung eine deutlich abschreckende Wirkung auf alle Mitgliedstaaten ausüben dürfte. Dennoch gehe es um eine schwere Zuwiderhandlung, bei der die staatlichen Beihilfen einen Umfang erreichten – größer als bei jeder Beihilfe, die zuvor in ähnlichen Fällen streitig gewesen sei -, dass es zu einer ernsthaften Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten gekommen sei, und die über einen erheblichen Zeitraum hinweg bestanden habe. Tatsächlich habe eine nennenswerte Rückforderung erst mehr als vier Jahre nach dem Urteil von 2006 begonnen.

Quelle: EuGH, Pressemitteilung vom 23.01.2014 zum Schlussantrag C-184/11 vom 23.01.2014