Schadensersatzansprüche gegen die Volkswagen AG wegen sittenwidriger Schädigung für 2016 erworbene Fahrzeuge zurückgewiesen

Dieselskandal

Anders als in den Fällen der vor Ende 2015 erworbenen Dieselfahrzeuge weist der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter dem Vorsitz des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Hans-Joachim Rast mit zwei am 26.11.2019 verkündeten Urteilen die Schadensersatzansprüche von zwei Dieselfahrzeugkäufern zurück, die ihre jeweiligen Gebrauchtwagen des Typs Golf VI und Touran im Januar bzw. Juli 2016 erworben haben.

Damit bestätigt das Berufungsgericht die erstinstanzlichen Klagabweisungen der Landgerichte Stuttgart und Ravensburg. Danach hätten beide Käufer ihre Fahrzeuge in Kenntnis des „VW-Skandals“ gekauft, sodass die Voraussetzungen einer vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht vorlägen.

Die beiden beanstandeten Fahrzeuge waren jeweils mit dem Motor EA 189 und der Software mit der unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet. Mit ihren Berufungen verfolgen die Kläger ihre Schadensersatzansprüche weiter und berufen sich darauf, dass es unerheblich sei, ob sie die Ad-Hoc-Mitteilungen der Beklagten vom September 2015 zur Abgasthematik kannten oder hätten kennen müssen.

Dagegen ist auch das Berufungsgericht der Überzeugung, dass, soweit die Kläger hier überhaupt einen von der Volkswagen AG verursachten Schaden erlitten haben, jedenfalls keine sittenwidrige Veranlassung des jeweiligen Fahrzeugerwerbs durch die Beklagte hier vorliege.

Die maßgebliche Schädigungshandlung der Volkswagen AG sei das Herstellen und Inverkehrbringen der Fahrzeuge mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung vor dem Bekanntwerden des sog. Dieselskandals im September/Oktober 2015. Dies gelte auch gegenüber Gebrauchtwagenkäufern. Eine Sittenwidrigkeit der Schädigung liege dann vor, wenn der Geschädigte die ihn schädigende Handlung – den Fahrzeugkauf – gerade deswegen vorgenommen hat, weil er dazu sittenwidrig veranlasst worden sei. Fielen dabei – wie hier – der Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Fahrzeugs mit dem Motor EA 189 und der Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs auseinander, so müsse auch noch im Erwerbszeitpunkt eine sittenwidrige Veranlassung durch die Beklagte vorliegen.

Daran fehle es in den beiden entschiedenen Fällen. Ab Mitte Oktober 2015 könne wegen des Bekanntwerdens der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung und den von der Volkswagen AG ergriffenen Maßnahmen nicht mehr von einer sittenwidrigen Veranlassung der Schädigung von Käufern gebrauchter Dieselfahrzeuge mit dem Motor EA 189 ausgegangen werden. Die Beklagte habe die breite Öffentlichkeit und damit auch potenzielle Kfz-Käufer u. a. in Form von Pressemitteilungen ab September 2015 über die Thematik informiert. Angesichts der der Volkswagen AG nicht zuzurechnenden Berichterstattung und der Öffentlichkeitsinformation durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) musste die Volkswagen AG in einer Gesamtbetrachtung nicht mehr unternehmen, um ab Mitte Oktober 2015 den Vorwurf einer sittenwidrig veranlassten Schädigung der Käufer zu entkräften.

Nach der Rechtsprechung des Senats sei es daher unerheblich, ob das von der Beklagte entwickelte Software-Update eine geeignete Maßnahme zur Fehlerbeseitigung sei oder ob ein konkreter Gebrauchtwagenkäufer Kenntnis von der Betroffenheit des jeweiligen Fahrzeugs vom sog. Dieselskandal habe. Maßgeblich sei vielmehr für das Tatbestandsmerkmal der Sittenwidrigkeit nur das Verhalten der Volkswagen AG. Die von ihr ab Ende September 2015 ergriffenen Maßnahmen seien nach Inhalt und Umfang ausreichend, um die Öffentlichkeit sowie die Besitzer betroffener Dieselfahrzeuge über das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung zu informieren und damit das Fortwirken des Sittenwidrigkeitsverdikts zu verhindern. Danach steht Eigentümern von betroffenen Fahrzeugen des VW-Konzerns, die ihr Fahrzeug nach Mitte Oktober 2015 erworben haben, kein Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu.

Da auch weitere Anspruchsgrundlagen für die Schadensersatzansprüche nicht ersichtlich seien, hat das OLG beide Berufungen zurückgewiesen.

Nur im Verfahren 10 U 338/19 wurde die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Das Verfahren 10 U 199/19 ist rechtskräftig, die Revision wurde hier aufgrund der positiven Kenntnis des Käufers von der Betroffenheit seines Fahrzeugs vom Dieselskandal und damit schon fehlender Schadensverursachung durch die Beklagte nicht zugelassen.

Aktenzeichen:

LG Stuttgart – 9 O 439/18 – Urteil vom 17.07.2019 – OLG Stuttgart – 10 U 338/19 – Urteil vom 26.11.2019

LG Ravensburg – 4 O 459/18 – Urteil vom 03.05.2019 – OLG Stuttgart – 10 U 199/19 – Urteil vom 26.11.2019

Relevante Vorschrift:

Bürgerliches Gesetzbuch

§ 826 Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung

Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Quelle: OLG Stuttgart, Pressemitteilung vom 28.11.2019 zu den Urteilen 10 U 338/19 (nrkr) und 10 U 199/19 (rkr) vom 26.11.2019