Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastung

Der 5. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts hat am 7. April 2013 (Az. 5 K 156/12) entschieden, dass die Kosten eines in einem Scheidungsfolgenverfahren beauftragten britischen Rechtsanwalts und die mit dem Verfahren in Zusammenhang stehenden Reisekosten als außergewöhnliche Belastungen gem. § 33 Abs. 1 EStG abzugsfähig sind, soweit sich der Steuerpflichtige dem Verfahren ohne jeden eigenen Gestaltungsspielraum zu stellen hatte, das Verfahren nicht mutwillig oder ohne Aussicht auf Erfolg war, die Höhe der vereinbarten Kosten nach landestypischen Gesichtspunkten angemessen ist und keine Kostenerstattung erfolgt.

Der Kläger war bis 2006 in Großbritannien verheiratet und hat aus dieser Ehe zwei unterhaltsberechtigte Kinder. 2004 trennten sich die Eheleute und schlossen im gleichen Jahr eine privatschriftliche Vereinbarung zur Regelung der mit der Trennung zusammenhängenden Angelegenheiten. Der Kläger ist in zweiter Ehe in Deutschland verheiratet. Die geschiedene Ehefrau machte Anfang 2009 Ansprüche gegen den Kläger wegen Kindesunterhalts, Versorgungsausgleichs, Unterhalts für sich und Vermögensausgleichs geltend. Der Kläger wurde Mitte 2010 zur mündlichen Verhandlung vor einem Gericht in Großbritannien geladen. Der Kläger schloss im Juni 2010 mit einem in London praktizierenden, Deutsch und Englisch sprechenden, auf Familienrecht spezialisierten Anwalt einen Anwaltsvertrag, der u. a. eine Vergütung von 275 GBP zuzüglich Umsatzsteuer vorsah. Dem Kläger entstanden im Streitjahr 18.000 Euro Anwalts- und rund 830 Euro Reisekosten.

Nach dem BFH-Urteil vom 12. Mai 2011 VI R 42/10 (BFH/NV 2011, 1612) sind Zivilprozesskosten mit Rücksicht auf das staatliche Gewaltmonopol unabhängig vom Gegenstand des Prozesses aus rechtlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Unausweichlich seien derartige Aufwendungen jedoch nur, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, nicht mutwillig erscheint und einen angemessenen Betrag nicht überschreitet.

Auf Betreiben seiner geschiedenen Ehefrau und wegen der letztlich von ihr rechtshängig gemachten Klage hatte sich der Kläger dem Verfahren ohne jeden eigenen Gestaltungsspielraum zu stellen. Ein Versuch des Klägers, eine gütliche Einigung herbeizuführen, hatte keinen Erfolg. Die Einwände des Klägers gegen die von seiner geschiedenen Ehefrau geltend gemachten Ansprüche erscheinen weder ohne Aussicht auf Erfolg noch mutwillig, denn bereits aus der Verhandlung im November 2010 ergibt sich, dass für den Kläger hinreichende Erfolgsaussichten bestanden: Die ursprünglich geltend gemachten Ansprüche konnten in erheblichem Umfang beschränkt und letztlich auf die Höhe des Kindesunterhaltes reduziert werden. Der Versorgungsausgleich ist in der Bundesrepublik zu verhandeln.

Auch der Höhe nach sind die Rechtsanwaltskosten unter Berücksichtigung der landestypischen Besonderheiten nicht unangemessen. Dies folgt für den Senat bereits aus dem Umstand, dass es gerichtsbekannt in Großbritannien kein mit der Bundesrepublik vergleichbares System von Rechtsanwaltsgebühren gibt, sondern grundsätzlich Stundensätze vereinbart werden (vgl. insoweit auch das Schreiben der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland London vom Februar 2013 „Rechtsberatung und Rechtsverfolgung in Großbritannien“), und dass einer Bestätigung der British-German Jurists‘ Association zufolge der vereinbarte Stundensatz in Höhe von 275 GBP zuzüglich Umsatzsteuer für einen im Familienrecht und im internationalen Familienrecht tätigen Anwalt in London als angemessen anzusehen sei. Für den Senat nachvollziehbar hatte der Kläger einen in England tätigen, im internationalen Familienrecht bewanderten, Englisch und Deutsch sprechenden Anwalt zu beauftragen.

Auch die Reisekosten teilen in diesem Einzelfall nach Überzeugung des Senats das Schicksal der Anwaltskosten. Die wesentlichen Verfahrenshandlungen fanden in England statt. Der Kläger war verpflichtet, persönlich zum Prozess zu erscheinen. Auch im Fall der kurzfristigen Aufhebung des Verhandlungstermins hatte sich das wirtschaftliche Risiko für den Kläger bereits so weit konkretisiert, dass ihm die als Stornokosten geltend gemachten Reisekosten aus den dargelegten Gründen im Sinne des § 33 EStG zwangsläufig entstanden und der Höhe nach angemessen sind. Im Hinblick auf die besonderen Umstände des Falles, dass nämlich der Kläger ohne eigene Gestaltungs- und Entscheidungsmöglichkeit Beklagter vor einem britischen Zivilgericht in einer vielschichtigen Familiensache wurde und sich Forderungen von nicht unerheblicher Höhe und wirtschaftlichem Risiko ausgesetzt sah, aber auch aus den in der Natur der Sache liegenden Umständen einer familienrechtlichen Auseinandersetzung hält der Senat zudem den Anteil der Reisekosten des Klägers nach § 33 EStG berücksichtigungsfähig, der im Zusammenhang mit der Besprechung der Angelegenheit mit seinem Rechtsanwalt entstanden ist. Der Senat hat die Revision zugelassen. Das Revisionsverfahren ist bei dem BFH unter dem Aktenzeichen VI R 26/13 anhängig.

Quelle: FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 25.06.2013 zum Urteil 5 K 156/12 vom 07.04.2013