Der Anwaltsgerichtshof Nordrhein-Westfalen (AGH NRW) hat mit Beschluss vom 5. September 2024 (Az. 2 AGH 01/24) entschieden, dass einer Anwältin, die einen Gerichtstermin aufgrund schlechter Organisation verpasste, keine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gewährt wird. Die Anwältin erschien 45 Minuten zu spät zu einer Berufungsverhandlung, woraufhin das Gericht die Berufung bereits verworfen hatte.
Hintergrund des Falls
Die Anwältin war zu einem Termin vor dem AGH in Hamm (Westf.) geladen. Sie brach jedoch erst 75 Minuten vor dem Termin auf, um die 75 Kilometer lange Strecke zu bewältigen, was laut Gericht eine unrealistische Planung darstellte. Am Tag der Verhandlung hatte sie zudem weder ein Handy bei sich, um das Gericht über die Verspätung zu informieren, noch ihren Anwaltsausweis, was zusätzliche Verzögerungen beim Betreten des Gerichtsgebäudes verursachte.
Entscheidung des AGH
Der AGH stellte fest, dass die Anwältin bereits durch die zu knappe Zeitplanung sorgfaltswidrig handelte. Die eingeplante Fahrzeit von 75 Minuten für 75 Kilometer setze eine ununterbrochene Durchschnittsgeschwindigkeit von 60 km/h voraus, was bei einer Fahrt durch das von Baustellen geprägte Ruhrgebiet, insbesondere an einem Freitagmittag, nicht realistisch sei. Zudem wurde beanstandet, dass die Anwältin keine zusätzlichen Pufferzeiten für das Parken und den Fußweg zum Gericht eingeplant hatte.
Ein weiterer Kritikpunkt war, dass die Anwältin das Gericht nicht über ihre Verspätung informierte, was ihr aufgrund der ständigen Rechtsprechung als Pflichtverletzung ausgelegt wurde. Selbst ohne Handy hätte sie eine Tankstelle oder einen Rastplatz anfahren müssen, um das Gericht zu benachrichtigen. Das Gericht stellte zudem fest, dass sie ihren Anwaltsausweis nicht mitführte, was die Sicherheitskontrolle verzögerte.
Fazit
Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Anwältin die Verspätung selbst verschuldet hatte und keine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gewährt werden kann. Diese Entscheidung verdeutlicht, dass eine realistische und sorgfältige Planung sowie das Mitführen notwendiger Dokumente wie dem Anwaltsausweis zur Pflicht eines Anwalts gehören. Fehlende Vorbereitung und mangelnde Kommunikation mit dem Gericht werden als sorgfaltswidrig angesehen und können schwerwiegende Folgen für die Verfahrensführung haben.
Quelle: Bundesrechtsanwaltskammer, Mitteilung vom 15.10.2024