Sonderausgabenabzug für Altersvorsorgeaufwendungen bei steuerfreiem Arbeitslohn aus der Schweiz – Rechtswidrigkeit des Abzugsverbotes nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG

Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 1 EStG kommt ein Sonderausgabenabzug für Beiträge nach § 10 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 3a EStG nur in Betracht, wenn diese nicht in „unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang“ mit steuerfreien Einnahmen stehen.

Mit Urteil vom 5. November 2019 – X R 23/17 – hat der BFH entschieden, dass das in § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 1 EStG geregelte Sonderausgabenabzugsverbot für Altersvorsorgeaufwendungen gegen die durch das Freizügigkeitsabkommen (FZA) mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft gewährleisteten Grundsätze der Arbeitnehmerfreizügigkeit und Gleichbehandlung verstößt (Artikel 1 Buchst. a, 2, 4, 7 Buchst. a FZA i. V. m. Artikel 9 Abs. 1 und 2 des Anhangs I FZA). Die mit dem Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 11. Dezember 2018 (BGBl. I Seite 2338) in § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 EStG eingefügte Rückausnahme vom Abzugsverbot ist damit zwar nicht vom Wortlaut, aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts jedoch im Wege normerhaltender Extension auch für Fälle einer nichtselbständigen Tätigkeit in der Schweiz anzuwenden.

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder und im Vorgriff auf eine gesetzliche Anpassung des Sonderausgabenabzugsverbotes von Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG gilt das Folgende:

Entgegen § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 1 EStG sind Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 3a EStG als Sonderausgaben zu berücksichtigen, soweit

  • sie in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder in der Schweizerischen Eidgenossenschaft erzielten Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit stehen,
  • diese Einnahmen nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung im Inland steuerfrei sind und
  • der Beschäftigungsstaat keinerlei steuerliche Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen im Rahmen der Besteuerung dieser Einnahmen zulässt.

Die vorstehenden Regelungen sind in allen noch offenen Fällen anzuwenden.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV C 3 – S-2221 / 14 / 10006 :002 vom 19.11.2020