Abgrenzung eines begünstigten Unternehmens des Produzierenden Gewerbes vom nicht begünstigten Handel
Das Energiesteuergesetz sieht in § 55 eine Steuerentlastung für Unternehmen vor, deren wirtschaftliche Tätigkeit dem Produzierenden Gewerbe und nicht dem Handel zuzuordnen ist. Im Streitfall entschied das Finanzgericht Baden-Württemberg (FG) im zweiten Rechtsgang mit Urteil vom 7. April 2020 (Az. 11 K 1492/19), dass das die Steuerentlastung beantragende Unternehmen kein solches des Produzierenden Gewerbes sei. Zuvor hatte es in einem Zwischen-Gerichtsbescheid vom 10. Dezember 2019 darüber entschieden, nach welcher Fassung des § 15 der Stromsteuer-Durchführungsverordnung (StromStV) der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens im Streitfall zu bestimmen ist.
Das FG entschied im zweiten Rechtsgang zunächst mit rechtskräftig gewordenem Zwischen-Gerichtsbescheid vom 10. Dezember 2019 (Az. 11 K 1492/19), dass es nicht auf die Verhältnisse des Jahres 2010, sondern auf diejenigen des Jahres 2009 ankomme. Denn nach der mit Wirkung ab 30. September 2011 erfolgten Neufassung des § 15 StromStV sei maßgebender Zeitraum für die Zuordnung eines Unternehmens in einen der Abschnitte der WZ 2003 dasjenige Kalenderjahr, das dem Kalenderjahr vorgehe, für das die Steuerentlastung beantragt werde. Insoweit sei das FG ungeachtet der in § 126 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung getroffenen Regelung nicht an die abweichende Beurteilung des BFH gebunden. Diesem sei nämlich diesbezüglich „ein offensichtliches Versehen unterlaufen, mit dem die Beteiligten des Verfahrens unter den im Streitfall gegebenen Umständen nicht zu rechnen brauchten und dessen Maßgeblichkeit für das weitere Verfahren ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzten würde.“ Bei der sich auf die frühere Fassung des § 15 StromStV beziehenden Aussage des BFH handle es sich „um eine Überraschungsentscheidung“, die in diesem Punkt keine Bindungswirkung auslöse.
Nachdem die Klägerin im Rahmen ihres durch § 15 Abs. 4 StromStV begründeten Wahlrechts erklärt hatte, dass der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit durch denjenigen Abschnitt der Klassifikation der Wirtschaftszweige zu bestimmen sei, in dessen Tätigkeiten der höchste steuerbare Umsatz erzielt wurde, und sie hierzu eine detaillierte Auflistung ihrer Tätigkeitsbereiche und der dabei jeweils ausgeführten Umsätze vorgelegt hatte, wies das FG die Klage mit Urteil vom 7. April 2020 (Az. 11 K 1492/19) erneut ab. Es stützte sich dabei auf die in der Systematik der WZ 2003 zur Abgrenzung verschiedener wirtschaftlicher Tätigkeiten getroffenen Regelungen, wobei es in der steuergesetzlichen Verweisung auf die WZ 2003 „eine grundsätzlich sachgerechte Typisierung“ sah. Nach der WZ 2003 könne das den Schwerpunkt der Tätigkeit bildende Zuschneiden von Bandstahlerzeugnissen in Spaltband und Blechplatten zwar isoliert betrachtet eine dort in Abschnitt D einzuordnende Tätigkeit des Verarbeitenden Gewerbes darstellen. Das bedeute -wie das FG weiter ausführte- „indessen nicht, dass es bei der dadurch nahegelegten Einordnung dieser Tätigkeit als einer solchen des Verarbeitenden Gewerbes auch dann verbleibt, wenn aus erworbenen Coils Spaltbänder und Bleche geschnitten werden und mit so entstandenen Teilen der ursprünglich erworbenen Ware Handel betrieben wird.“ Würden die aus erworbenen Vormaterialien durch Schneidevorgänge gewonnenen Bänder und Tafeln auf eigene Rechnung verkauft, dann sei darin nach den Regelungen der WZ 2003 allerdings lediglich eine im Handel übliche Behandlung von Waren und damit eine dem Abschnitt G „Handel, …“ zuzuordnenden Tätigkeit zu sehen. Im Einklang mit der zurückverweisenden Entscheidung des BFH ging das FG davon aus, dass im Streitfall die Herstellung einer veränderten Form desselben Produkts (hier die Änderung der Abmessungen des zuvor erworbenen Materials durch Zuschneiden) keine dem Verarbeitenden Gewerbe zuzuordnende Tätigkeit begründe. Die durch die Schneidevorgänge erfolgte Einwirkung auf die Ware habe nicht zu einem neuen Produkt geführt. Fehle es an einer Änderung der stofflichen Zusammensetzung der Ware; entstehe kein Produkt, das von den verwendeten Ausgangsstoffen verschieden sei.
Quelle: FG Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 02.06.2020 zum Urteil 11 K 1492/19 vom 07.04.2020