Streit um Erbe: Der letzte Wille ist (nicht immer) eindeutig

Erbstreitigkeiten sind oft emotionale und juristische Zerreißproben, die nicht nur langwierig, sondern auch familiär zersetzend sein können. Ein aktueller Fall vor dem Landgericht Lübeck beleuchtet, wie komplex und herausfordernd die Interpretation des letzten Willens einer verstorbenen Person sein kann, besonders wenn widersprüchliche Testamente vorliegen.

Die Ausgangssituation

Eine Familie findet sich in einer tiefen Zerwürfnis wieder, nachdem die Mutter verstorben ist. Zwei Kinder stehen im Mittelpunkt des Konflikts um das Erbe, das nicht nur Vermögenswerte, sondern auch ein Grundstück umfasst. Die Mutter hatte zu Lebzeiten zwei unterschiedliche Schreiben verfasst:

  1. Ein handschriftliches Schreiben, in dem sie den Pflichtteilsentzug für eines ihrer Kinder anordnet.
  2. Ein späteres, maschinell verfasstes Schreiben, das ein Kind als Alleinerben für Grundstück und Vermögen benennt, während das andere Kind enterbt werden soll.

Der rechtliche Hintergrund

Das deutsche Erbrecht sieht vor, dass jeder durch ein Testament bestimmen kann, wer seine Erben sein sollen (§ 2084 BGB). Wichtig dabei ist, dass ein Testament handschriftlich verfasst sein muss, um gültig zu sein. Maschinell verfasste Testamente müssen zur Gültigkeit von Hand unterschrieben und zusätzlich handschriftlich datiert werden, was hier nicht der Fall war.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Landgericht Lübeck stand vor der Herausforderung, den wahren Willen der Verstorbenen zu ermitteln. Die Richter entschieden, dass das handschriftliche Testament gültig ist. Das maschinell geschriebene Dokument erkannten sie nicht als Testament an, nutzten es jedoch zur Interpretation des handschriftlichen Textes. Sie kamen zu dem Schluss, dass die Absicht der Mutter darin bestand, ein Kind zu enterben – eine Entscheidung, die durch familiäre Umstände und frühere Äußerungen der Mutter gestützt wird.

Juristische und emotionale Tragweite

Das Urteil (Az. 6 O 206/22) ist noch nicht rechtskräftig und könnte weiterhin Gegenstand von Berufungen sein. Dieser Fall illustriert, wie wichtig es ist, klare und rechtlich einwandfreie Testamente zu verfassen. Er zeigt auch, dass selbst der deutlich geäußerte letzte Wille zu intensiven rechtlichen Auseinandersetzungen führen kann, wenn die Dokumentation Mängel aufweist oder Interpretationsspielraum bietet.

Fazit

Das emotionale und juristische Nachspiel, das ein unklar formulierter letzter Wille nach sich ziehen kann, sollte eine Warnung sein. Es ist entscheidend, dass Testamente nicht nur den rechtlichen Anforderungen entsprechen, sondern auch eindeutig formulieren, was mit dem Nachlass geschehen soll. Andernfalls sind langwierige Gerichtsverfahren und familiäre Zerwürfnisse vorprogrammiert.

Quelle: Landgericht Lübeck, Mitteilung vom 18.04.2024 zum Urteil 6 O 206/22 vom 13.12.2023 (nrkr)