Streitwert im Verfahren über gesonderte Gewinnfeststellung

Niedersächsisches Finanzgericht 15. Senat, Beschluss vom 06.05.2014, 15 K 196/11

§ 180 Abs 1 Nr 2b AO, § 39 Abs 1 GKG, § 40 GKG, § 52 GKG

Tenor

Der Streitwert für das Verfahren beträgt 3.000,00 €.

Gründe

I.

1
Die Klägerin ist mit M verheiratet. Die in A wohnhaften Eheleute werden vom Finanzamt A zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin und M erzielten in den Jahren 2005 bis 2007 (Streitjahre) aus einem jeweils in B belegenen Betrieb Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die Einkünfte der Eheleute aus Gewerbebetrieb wurden vom Beklagten (Finanzamt – FA -) jeweils gesondert festgestellt.

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In Umsetzung  von Prüfungsfeststellungen erteilte das FA den Eheleuten jeweils am 6. Oktober 2009 für die Streitjahre u.a. geänderte Bescheide über die gesonderte Feststellung des Gewinns. Die Einsprüche, die die Klägerin gegen die ihr erteilten Gewinnfeststellungsbescheide eingelegt hatte, wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 19. Mai 2011 als unbegründet zurück.

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Am 21. Juni 2011 erhoben die Eheleute gegen die geänderten Gewinnfeststellungsbescheide jeweils Klage. Für die Klage der Klägerin wurde das Aktenzeichen 15 K 196/11, für die Klage des M das Aktenzeichen 15 K 194/11 vergeben. Die mündlichen Verhandlungen vor dem Senat fanden am 6. Mai 2014 statt.

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Die Klägerin begehrte mit ihrer Klage, die geänderten Bescheide über die gesonderte Gewinnfeststellung vom 6. Oktober 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Mai 2011 unter Anpassung der jeweiligen Gewerbesteuerrückstellung insoweit zu ändern, als die den Einkünften aus Gewerbebetrieb zugrunde liegenden Privatentnahmen für das Jahr 2005 um 3.000,00 €, für das Jahr 2006 um 4.000,00 € und für das Jahr 2007 um 5.000,00 € zu ermäßigen sind …

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Nachdem das FA in der mündlichen Verhandlung vom 6. Mai 2014 zugesagt hatte, für die Streitjahre geänderte Bescheide zu erteilen und der Klage dadurch teilweise abzuhelfen, haben die Klägerin und das FA den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Mit Beschluss vom 6. Mai 2014 15 K 196/11 hat der Senat die Kosten des Verfahrens zu 17 v.H. der Klägerin und im Übrigen dem FA auferlegt.

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Auch der Kläger hatte mit seiner Klage wegen gesonderter Feststellung des Gewinns 2005 bis 2007 teilweise Erfolg. Zwar hat er die Klage für das Jahr 2007 zurückgenommen, das FA hat die für die beiden anderen Streitjahre erteilten Änderungsbescheide jedoch aufgehoben. …

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Das FA macht mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2014 geltend, der Gegenstandswert für das Klageverfahren 15 K 196/11 sei auf der Grundlage der durch die Klage erfolgten Gewinnminderungen zu ermitteln:

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Jahr Gewinnminderung aufgrund der Klage
2005 2.460,00 €
2006 3.000,00 €
2007 4.500,00 €
Summe  9.960,00 €
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Nach Ziffer 13. des von den Präsidenten der Finanzgerichte für die Bundesrepublik Deutschland beschlossenen Streitwertkatalogs für die Finanzgerichtsbarkeit (veröffentlicht z.B. unter www.finanzgericht.niedersachsen.de) sei in Fällen, in denen die tatsächlichen Auswirkungen nicht zu ermitteln sind, „der Streitwert mit 20 % des festgestellten Betrages anzusetzen …“. Das bedeute, dass sich der Gegenstandswert vorliegend auf 1.992,00 € (= 20 v.H. von 9.960,00 €) belaufe.

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Der Kostenbeamte bat das Finanzamt A mit Schreiben vom 16. Mai 2014 um Übersendung von Probeberechnungen. … Mit Verfügung vom 12. Dezember 2014 hat er den Senat um Streitwertfestsetzung ersucht.

II.

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Der Streitwert beträgt 3.000,00 €. Hierbei handelt es sich um 25 v.H. der von der Klägerin durch die Antragstellung insgesamt begehrten Gewinnermäßigungen in Höhe von 12.000,00 €.

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1. In den Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert gemäß § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Betrifft der Antrag eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs. 3 GKG). Maßgeblich ist danach grundsätzlich die unmittelbare finanzielle Auswirkung einer obsiegenden Entscheidung für den Kläger. Deshalb bemisst sich der Streitwert bei der Anfechtung von Steuerbescheiden regelmäßig nach dem Unterschiedsbetrag zwischen dem festgesetzten Steuerbetrag und der vom Kläger begehrten Steuerfestsetzung (vgl. etwa Beschlüsse des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 9. April 1990 III E 3/89, BFH/NV 1991, 551; vom 17. Februar 1994 VII E 3/93, BFH/NV 1994, 819; vom 5. Juli 2005 II E 1/05, BFH/NV 2005, 1852; vom 15. Juli 2005 I E 2/05, BFH/NV 2005, 2217).

13
Bei einem Rechtsstreit über eine gesonderte Gewinnfeststellung (vgl. § 180 Abs. 1 Nr. 2b der Abgabenordnung – AO -) stellt der BFH in ständiger Rechtsprechung auf die konkreten einkommensteuerlichen Auswirkungen beim Rechtsmittelführer ab (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 10. Juni 1999 IV E 2/99, BFH/NV 1999, 1608; vom 26. November 2002 IV E 2/02, BFH/NV 2003, 338, m.w.N.; vom 21. November 2005 III E 2/05, BFH/NV 2006, 585). Nach Ziffer 13. des Streitwertkatalogs für die Finanzgerichtsbarkeit ist in Fällen, in denen die tatsächlichen Auswirkungen nicht zu ermitteln sind, der Streitwert grundsätzlich „mit 25 v.H. des festgestellten Betrages anzusetzen.“

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Nach § 40 GKG ist für die Wertberechnung der Zeitpunkt der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung, die den Rechtszug einleitet, maßgebend (vgl. BFH-Beschluss vom 27. Oktober 2005 VII E 10/05, BFH/NV 2006, 345, unter II. 1.). Werterhöhungen oder -minderungen während der Instanz sind bezogen auf diesen Antrag (Streitgegenstand) unerheblich (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Vor § 135 FGO Rz 109; Gräber/Ratschow, FGO, 7. Aufl., Vor § 135 Rz 105).

15
In Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit darf der Streitwert gemäß § 52 Abs. 4 GKG in der bis zum 31. Juli 2013 geltenden und damit nach § 71 Abs. 1 Satz 1 GKG vorliegend anwendbaren Fassung nicht unter 1.000,00 € angenommen werden. Verfolgt der Kläger mehrere selbständige prozessuale Ansprüche in einer Klage (objektive Klagehäufung), werden die Streitwerte der verschiedenen Klagebegehren (Streitgegenstände) nach § 39 Abs. 1 GKG zusammengerechnet (vgl. Gräber/Ratschow, FGO, 7. Aufl., Vor § 135 Rz 90, m.w.N.). Da der Mindeststreitwert nach dem Wortlaut des § 52 Abs. 4 GKG („In Verfahren vor den …“) verfahrens-, nicht aber streitgegenstandsbezogen anzuwenden ist, erhöht sich im Falle der objektiven Klagehäufung jedoch der Mindeststreitwert nicht entsprechend (vgl. Beschluss des Finanzgerichts – FG – Baden-Württemberg vom  5. April 2005  12 K 300/04, EFG 2005, 1894; FG Köln, Beschluss vom 19. November 2007 10 Ko 257, 258/07, EFG 2008, 332, unter II. 1. a; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Vor § 135 FGO Rz 124).

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2. Nach diesen Maßstäben beträgt der Streitwert 3.000,00 €.

17
Das Begehren der Klägerin war bei Klageerhebung – dem für die Wertberechnung nach § 40 GKG maßgeblichen Zeitpunkt – darauf gerichtet, die Gewinne für die drei Streitjahre insgesamt um 12.000,00 € zu ermäßigen.

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a) Die tatsächlichen einkommensteuerlichen Auswirkungen des Obsiegens der Klägerin sind im Streitfall nicht ohne weiteres zu ermitteln. Zum einen wird die Klägerin mit M zusammen zur Einkommensteuer veranlagt, zum anderen sind die Einkommensteuerfestsetzungen für die Streitjahre durch das Wohnsitzfinanzamt gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO auch insoweit zu ändern, als aufgrund des Klageverfahrens 15 K 194/11 die dem M erteilten Gewinnfeststellungsbescheide (Grundlagenbescheide) geändert worden sind.

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b) Bestehen Schwierigkeiten bei der Ermittlung der konkreten einkommensteuerlichen Auswirkungen, ist es in Ausübung des dem Gericht nach § 52 Abs. 1 GKG zustehenden Ermessens gerechtfertigt, den Gegenstandswert nach einem Pauschalsatz zu bestimmen (ähnlich Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Vor § 135 FGO Rz 198).

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aa) Abweichend von Ziffer 13. des Streitwertkatalogs für die Finanzgerichtsbarkeit kann der Streitwert nicht „mit 25 % des festgestellten Betrages“ angesetzt werden. Abgesehen davon, dass diese Formulierung offen lässt, ob auf den festgestellten Betrag im angefochtenen Bescheid vor Klageerhebung oder auf den aufgrund des Klageverfahrens festzustellenden Betrag abzuheben ist, ist nach § 40 GKG für die Wertberechnung der den Rechtszug einleitende Antrag maßgebend. Grundlage für die Anwendung eines Pauschalsatzes muss deshalb – wie auch bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 1 Nr. 2a AO (vgl. hierzu etwa BFH-Beschluss vom 29. November 2012 IV E 7/12, BFH/NV 2013, 403, unter II. 2. a; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Vor § 135 FGO Rz 199; Ziffer 12. des Streitwertkatalogs für die Finanzgerichtsbarkeit) – die Höhe der zwischen den Beteiligten streitigen Einkünfte sein.

21
Für den Streitfall bedeutet dies, dass bei der Streitwertbestimmung auf die Summe der von der Klägerin für alle Streitjahre beantragten Gewinnminderungen in Höhe von insgesamt 12.000,00 € abzuheben ist.

22
bb) Es erheben sich keine Bedenken dagegen, auf die streitigen Einkünfte den in Ziffer 13. des Streitwertkatalogs für die Finanzgerichtsbarkeit empfohlenen Pauschalsatz von 25 v.H. in Ansatz zu bringen (so z.B. auch Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Fi-nanzgerichtsordnung, Vor § 135 FGO Rz 198). Nach diesem Pauschalsatz ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFH in der Regel auch in Klageverfahren wegen gesonderter und einheitlicher Feststellung des Gewinns der Streitwert zu ermitteln (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 23. Februar 1978 IV E 1/78, BFHE 125, 7, BStBl II 1978, 409, unter 1.; vom 29. Februar 2012 IV E 1/12, BFH/NV 2012, 1153, unter II. 1. a, und in BFH/NV 2013, 403).

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Nach alledem war der Streitwert mit 25 v.H. von 12.000,00 € anzusetzen.

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3. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 2 GKG. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen, weil für die Streitwertfestsetzung keine Gerichtsgebühren vorgesehen sind (vgl. BFH-Beschlüsse vom 20. Oktober 2005 III S 20/05, BFHE 211, 267, BStBl II 2006, 77; vom 2. Oktober 2014 III S 2/14, BFHE 247, 119, BStBl II 2015, 37, unter II. 4.).