Stromsteuerrechtliche Behandlung sog. technischer Betriebsverbräuche

  1. Führt eine Netzbetreiberin von ihr auf 400 V heruntergespannten Strom in den Anlagen ihrer Umspannwerke willentlich einer eliminierenden Nutzung zu, so wird der Strom i. S. d. § 5 Abs. 1 Satz 1 des StromStG aus dem Versorgungsnetz entnommen.
  2. Die in einem Umspannwerk für den Umspannvorgang benötigten Aggregate (u. a. Trafolüfter, Ölpumpen, Heizungen, Licht und Steuerungstechnik, USV-Batterien, Leistungsschalter, Hebeltrenner, Scherentrenner) sind nicht selbst Teil des Versorgungsnetzes.
  3. Der eigentlichen Stromerzeugung nachgelagerte Prozesse sind nicht nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG steuerfrei. Die Umspannung von bereits zuvor technisch abschließend hergestelltem Strom dient nicht mehr dessen Erzeugung.
  4. Die unterschiedliche Behandlung von Stromerzeugern und (Übertragungs-)Netzbetreibern in stromsteuerrechtlicher Hinsicht verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz.

Sachverhalt

Die Klägerin ist Übertragungsnetzbetreiberin. Ihre wirtschaftliche Tätigkeit besteht im Betrieb, der Instandhaltung, der Planung und im Ausbau des Übertragungsnetzes für Strom. Um den im Übertragungsnetz/Höchstspannungsnetz (380 kV) der Klägerin transportierten Strom durch die niederspannigeren Verteilnetze (110 kV) leiten zu können, muss der Höchstspannungsstrom in von der Klägerin betriebenen Umspannwerken umgespannt werden. Die Umspannung von 380 kV auf 110 kV findet zur Weitergabe in das Verteilnetz bzw. auf 20 kV zur weiteren Umspannung für den technischen Betriebsverbrauch statt. Der auf 20 kV umgespannte Strom wird unmittelbar Eigenverbrauchstransformatoren zugeführt, welche den Strom von 20 kV auf 400 V umspannen. Dieser Strom wird in das örtliche 400 V-Netz der Umspannwerke eingespeist und den Aggregaten der Klägerin zum Betrieb der Anlagen in den Umspannwerken, u. a. Trafolüfter, Ölpumpen, Heizungen, Licht und Steuerungstechnik, USV-Batterien (Unterbrechungsfreie Stromversorgung), Leistungsschalter sowie Hebel- und Scherentrenner zugeleitet. Die in das 400 V-Netz eingespeisten Strommengen werden am Übergabepunkt 20 kV zu 400 V über Stromzähler gemessen und sodann in den für den Betrieb der Umspannwerke erforderlichen genannten Aggregaten der Klägerin eingesetzt. Diese Strommengen unterwarf das beklagte Hauptzollamt (HZA) der Stromsteuer. Hiergegen machte die Klägerin geltend, der technische Betriebsverbrauch von Strom in ihren Umspanneinrichtungen verwirkliche keinen Entstehungstatbestand der Stromsteuer. Sie entnehme für den Betrieb der Umspanneinrichtungen und ihrer Neben- und Hilfsanlagen keinen Strom aus dem Versorgungsnetz, sondern die Stromverbräuche stellten Verbräuche innerhalb des Versorgungsnetzes dar. Das Tatbestandsmerkmal „Entnahme aus dem Versorgungsnetz“ des § 5 Abs. 1 Stromsteuergesetz (StromStG) sei damit nicht erfüllt.

Aus den Gründen

Das Finanzgericht wies die Klage ab. Die Klägerin habe die Strommenge dem Versorgungsnetz zum Selbstverbrauch entnommen, weshalb die Stromsteuer entstanden sei. Die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Stromsteuer seien nicht erfüllt und eine Steuerbefreiung auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten.

Entstehung der Stromsteuer

Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 StromStG entstehe die Stromsteuer dadurch, dass vom im Steuergebiet ansässigen Versorger geleisteter Strom durch Letztverbraucher im Steuergebiet aus dem Versorgungsnetz entnommen wird (Alt. 1), oder dadurch, dass der Versorger dem Versorgungsnetz Strom zum Selbstverbrauch entnimmt (Alt. 2). In beiden Alternativen setze die Tatbestandserfüllung den Realakt der Entnahme der verbrauchsteuerpflichtigen Ware aus dem Transportmedium voraus.

Entnahme setzt eliminierende Nutzung des Stroms durch menschliches Zutun voraus

Von einer Entnahme im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 StromStG könne nur dann ausgegangen werden, wenn der Steuergegenstand Strom zugleich einer eliminierenden Nutzung zugeführt werde. Erforderlich sei eine von einem entsprechenden Willen getragene menschliche Handlung, weshalb keine Entnahme des Stroms vorliege, wenn dieser ohne menschliches Zutun – z. B. infolge einer Beschädigung des Versorgungsnetzes – in den steuerrechtlich freien Verkehr tritt und damit verlustig gehe. Auch Umspann- und Leitungsverluste entstünden ohne menschliches Zutun. Zudem führten sie nicht zu einer eliminierenden Nutzung des Stroms im Sinne einer zielgerichteten und auf ein tatsächliches Handeln beruhenden Verwendung.

Umspannung des Stroms ist eliminierende Nutzung

Hiervon ausgehend handele es sich bei den vorliegend zu beurteilenden Betriebsverbräuchen um Entnahmen bzw. Selbstverbräuche im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 StromStG. Der von der Klägerin ausschließlich zu diesem Zweck auf 400 V heruntergespannte Strom befinde sich im letzten Stadium des Umgangs mit einer verbrauchsteuerpflichtigen Ware, wenn er in den Anlagen ihrer Umspannwerke jeweils einer eliminierenden Nutzung zugeführt werde. Die elektrische Energie werde dabei u. a. in Lüftern, in Scheren- und Hebeltrennern, in Leistungsschaltern und Heizungen für Aggregate in eine andere Energieform -regelmäßig kinetische Energie (Antrieb von Elektromotoren) und Wärmeenergie (Heizung für Aggregate) – umgewandelt und gehe jedenfalls ganz überwiegend nicht verlustig. Es handelt sich deshalb nach Auffassung des erkennenden Senats insoweit nicht um Umspann- und Leitungsverluste durch physikalische Vorgänge, insbesondere den ohmschen und den induktiven Widerstand, die zwangsläufig und ohne menschliches Zutun entstehen.

Entnahme aus dem Versorgungsnetz

Die Klägerin habe die streitige Strommenge im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 StromStG „aus dem Versorgungsnetz“ entnommen. Der Begriff des Versorgungsnetzes werde weder im StromStG noch in der Stromsteuer-Durchführungsverordnung (StromStV) näher definiert. Der Bundesfinanzhof (BFH) vertrete ein weites Verständnis des Begriffes Versorgungsnetz. Es sei vom Bestehen eines einzigen Versorgungsnetzes auszugehen, denn nach § 5 StromStG entstehe die Steuer durch Entnahme von Strom aus dem Versorgungsnetz und nicht aus einem Versorgungsnetz. Differenzierungen nach einzelnen Teilen des Versorgungsnetzes oder nach mit einer Stromleitung verbundenen Betriebsstätten sehe das StromStG nicht vor.

Vorliegend seien zwar auch die Umspannwerke der Klägerin einschließlich ihrer örtlichen 400 V-Netze in das so verstandene allgemeine Versorgungsnetz eingebunden. Dies bedeute nach Auffassung des erkennenden Senats indes nicht, dass sämtliche für den Umspannvorgang benötigte Aggregate (u.a. Trafolüfter, Ölpumpen, Heizungen, Licht und Steuerungstechnik, USV-Batterien, Leistungsschalter sowie Hebel- und Scherentrenner) selbst Teil des Versorgungsnetzes wären mit der Folge, dass der von diesen verbrauchte Strom nicht im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 StromStG als dem Versorgungsnetz entnommen gälte.

Würde man dies anders sehen und sämtliche Anlagen der Umspannwerke der Klägerin als Teil des Versorgungsnetzes begreifen wollen, wäre die Steuerbefreiungsvorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG i. V. m. § 12 StromStV für zur Stromerzeugung entnommenen Strom überflüssig, denn die dort genannten Neben- und Hilfsanlagen einer Stromerzeugungseinheit wären bei einem solchen Verständnis dann ebenfalls Teil des Versorgungsnetzes und der in ihnen zur Stromerzeugung verbrauchte Strom mangels Entnahme aus dem Versorgungsnetz bereits nicht steuerbar nach § 5 Abs. 1 StromStG.

Keine Steuerbefreiung wegen Entnahme zur Stromerzeugung

Die von der Klägerin zur Deckung ihrer Betriebsverbräuche dem Versorgungsnetz entnommene Strommenge sei schließlich nicht nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG von der Stromsteuer befreit. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG von der Steuer befreit ist nur Strom, der zur Stromerzeugung entnommen wird. Zur Stromerzeugung entnommen wird nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 StromStV Strom, der in den Neben- und Hilfsanlagen einer Stromerzeugungseinheit insbesondere zur Wasseraufbereitung, Dampferzeugerwasserspeisung, Frischluftversorgung, Brennstoffversorgung oder Rauchgasreinigung zur Erzeugung von Strom im technischen Sinne verbraucht wird. Der eigentlichen Stromerzeugung nachgelagerte Prozesse seien nicht nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG steuerfrei, insbesondere diene die Umspannung von bereits zuvor technisch abschließend hergestelltem Strom nicht mehr dessen Erzeugung.

Transformations- und Umspannanlagen sind keine Neben- und Hilfsanlagen

Ausgehend von diesen Grundsätzen seien die Transformations- und Umspannanlagen der Klägerin keine Neben- und Hilfsanlagen im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 StromStV, und der dort verbrauchte Strom sei nicht gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG von der Stromsteuer befreit. Die Umspannung des bereits erzeugten und im Übertragungsnetz (380 kV) der Klägerin befindlichen Stroms auf Hochspannung einer anderen Spannungsebene (110 kV) diene nach den oben dargestellten Grundsätzen nicht mehr der Stromerzeugung, sondern dem Transport und der Verteilung des bereits hergestellten Steuergegenstands Strom über die Verteilnetze. Die Veränderung der Spannung stelle lediglich eine Weiterverarbeitung des Steuergegenstands dar, die als nachgelagerter Vorgang nicht mehr der Stromerzeugung zuzurechnen sei. Die Transformations- und Umspannanlagen der Klägerin seien damit insgesamt keine Neben- und Hilfsanlagen einer Stromerzeugungseinheit im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 StromStV, ohne dass es darauf ankäme, welche davon unmittelbar der Aufrechterhaltung des Netzbetriebs dienen.

Keine Steuerbefreiung aus Gründen der Gleichbehandlung

Soweit die Klägerin schließlich unter Hinweis auf den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) geltend macht, dass entsprechend der Systematik der Verbrauchsteuer eine doppelte Besteuerung von Verbräuchen generell zu vermeiden sei und dass dies nicht nur für Erzeuger von Strom, sondern auch für sie als Netzbetreiberin gelten müsse, könne dies der Klage ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Zum einen treffe es bereits nicht zu, dass die streitigen Strommengen doppelt besteuert würden, denn nach dem Verbrauch in den Anlagen der Klägerin stünden diese für eine (weitere) Entnahme aus dem Versorgungsnetz nicht mehr zur Verfügung. Zum anderen stehe es dem Gesetzgeber – auch unter Berücksichtigung von Art. 3 Abs. 1 GG – frei, Erzeuger von Strom einerseits und (Übertragungs-)Netzbetreiber andererseits in stromsteuerrechtlicher Hinsicht unterschiedlich zu behandeln.

Quelle: FG Baden-Württemberg, Mitteilung vom 12.07.2021 zum Urteil 11 K 2696/18 vom 20.10.2020 (nrkr – BFH-Az.: VII R 2/21)