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Widersprüchliches zur Europarechtskonformität der Anrechnungsbegrenzung

Widersprüchliches zur Europarechtskonformität der Anrechnungsbegrenzung

Kernproblem

Die auf ausländische Kapitaleinkünfte entfallende ausländische Kapitalertragsteuer kann im Grundsatz auf die inländische Steuerschuld angerechnet werden (§ 34c EStG). Die Anrechnung ist indes nicht uneingeschränkt möglich: Zum einen ist sie auf den Teil der inländischen Steuer begrenzt, der auf die ausländischen Einkünfte entfällt. Ist im Inland keine oder nur eine geringe Steuer zu zahlen, z. B. aufgrund von Verlustverrechnung mit anderen Einkünften, kann die Anrechnung ins Leere laufen; eine Erstattung ist jedenfalls ausgeschlossen. Zum anderen ist die sog. per-country-limitation, wonach der Höchstbetrag der anrechenbaren ausländischen Steuer für jeden einzelnen ausländischen Staat gesondert zu berechnen ist, zu beachten. Dies führt insbesondere dann zu erheblichen Nachteilen, wenn die ausländischen Investments in verschiedenen Staaten erfolgen, deren Steuerniveau zum Teil deutlich über und zum Teil unter dem deutschen Steuerniveau liegt. Diese Benachteiligung unterliegt zum Teil europarechtlichen Bedenken.

Sachverhalt

Der einkommensteuerpflichtige Kläger erzielte in den Streitjahren 2004-2006 ausländische Kapitaleinkünfte aus unterschiedlichen Staaten innerhalb und außerhalb der EU. Aufgrund der vorstehend erläuterten Vorschrift des § 34c EStG rechnete das Finanzamt die ausländische Kapitalertragsteuer nur teilweise bei der deutschen Einkommensteuer an. Unter Hinweis auf die Europarechtswidrigkeit der Vorschrift klagte der Steuerpflichtige vor dem Finanzgericht Schleswig-Holstein. Er unterlag zwar in erster Instanz, die Revision wurde aber zugelassen.

Entscheidung

Die Anrechnungsbegrenzung des § 34c EStG auf die anteilige deutsche Steuer ist nach Auffassung des Gerichts europarechtskonform. Die entstehenden Anrechnungsüberhänge seien das Ergebnis einer mangelnden Steuerharmonisierung innerhalb der EU, insbesondere der unterschiedlichen Steuersätze. Der Wohnsitzstaat (hier: Deutschland) sei aber nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) nicht gezwungen, eine höhere Steuerbelastung im Ausland durch unbegrenzte Anrechnung im Inland auszugleichen. Ebenso sei europarechtlich unbedenklich, dass aufgrund der sog. per-country-limitation Anrechnungsüberhänge aus einem Land nicht mit Anrechnungsüberhängen aus einem anderen Land ausgeglichen werden dürfen.

Konsequenzen

Die Entscheidung steht teilweise im Widerspruch zu einem zeitgleich vom Bundesfinanzhof (BFH) veröffentlichten Urteil. Der BFH äußerte darin durchaus Zweifel an der Europarechtskonformität der Vorschrift des § 34c EStG und legte die Frage daher dem EuGH zur endgültigen Entscheidung vor. Das letzte Wort scheint insoweit also noch nicht gesprochen, so dass entsprechende Fälle mit Hinweis auf das BFH-Urteil offen gehalten werden sollten.

Anrechnungsbegrenzung des § 34c EStG 2002 gemeinschaftsrechtswidrig?

Anrechnungsbegrenzung des § 34c EStG 2002 gemeinschaftsrechtswidrig?

Kernproblem

Erzielen unbeschränkt steuerpflichtige Personen ausländische Einkünfte und zahlen darauf im Ausland Steuern, so können diese Steuern unter bestimmten Voraussetzungen auf die deutsche Einkommensteuer angerechnet werden. Hierdurch soll eine doppelte Besteuerung der Einkünfte im In- und Ausland vermieden werden. Die Steueranrechnung ist jedoch der Höhe nach beschränkt. Der Anrechnungshöchstbetrag ergibt sich dabei aus folgender Verhältnisrechnung: Die deutsche Einkommensteuer, die auf das zu versteuernde Einkommen einschließlich der ausländischen Einkünfte entfällt, wird im Verhältnis der ausländischen Einkünfte zur Summe der Einkünfte aufgeteilt. Das hat zur Folge, dass vor allem privat veranlasste Ausgaben der Lebensführung (insbesondere Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen) das Anrechnungsvolumen mindern. Diese Anrechnungsbegrenzung der Höhe nach begegnet europarechtlichen Bedenken.

Sachverhalt

Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute, die Anteile an Kapitalgesellschaften in EU-Staaten (Niederlanden, Frankreich und Luxemburg) und Nicht-EU-Staaten (Schweiz, USA und Japan) halten. Auf die hieraus erzielten Dividenden wurde im Ausland jeweils Kapitalertragsteuer einbehalten, die – aufgrund der beschriebenen Verhältnisrechnung – im Inland nur beschränkt angerechnet werden kann. Die Eheleute sehen hierin einen Verstoß gegen das höherrangige Europarecht. Sie begehren eine weitergehende Anrechnung der Kapitalertragsteuer, die zu einer entsprechenden Herabsetzung der inländischen Steuerschuld führt. Die Klage beim Finanzgericht blieb erfolglos. Im Revisionsverfahren teilte aber nunmehr der Bundesfinanzhof (BFH) die geäußerten Zweifel an der Europarechtskonformität der Anrechnungsbegrenzung und hat die Frage nunmehr dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Klärung vorgelegt.

Entscheidung

Der BFH begründet seine Zweifel an der Europarechtskonformität der Anrechnungsbegrenzung mit der ständigen Rechtsprechung des EuGH, wonach privat veranlasste Abzugsposten (insbes. Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen) vorrangig vom Wohnsitzstaat, nicht aber von demjenigen Staat, in dem die betreffenden Einkünfte erwirtschaftet werden, zu berücksichtigen sind. Die Anrechnungsbegrenzung könne dieser unionsrechtlichen Anforderung ggf. aber nicht standhalten.

Konsequenzen

Die vom BFH geäußerten Zweifel an der Europarechtskonformität der Anrechnungsbegrenzung sind nachvollziehbar. Da nach Auffassung des BFH sogar eine Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit vorliegt, betrifft die Frage der Europarechtskonformität nicht nur Einkünfte aus EU-Staaten, sondern auch solche aus Drittstaaten. Die letztendliche Klärung der Frage durch den EuGH darf mit Spannung erwartet werden. In der Praxis sollten entsprechende Bescheide mit Hinweis auf das anhängige Verfahren offen gehalten werden.