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Europarechtliche Auslegung der Ansässigkeit im UStG

Europarechtliche Auslegung der Ansässigkeit im UStG

Kernproblem

Nach dem Umsatzsteuergesetz (UStG) hat ein Unternehmer, der Leistungsempfänger für Werklieferungen und sonstige Leistungen eines im Ausland ansässigen Unternehmers ist, die Steuer von der Gegenleistung einzubehalten, anzumelden und an das für ihn zuständige Finanzamt abzuführen. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, kann er u. U. für die nicht abgeführte Umsatzsteuer in Haftung genommen werden. Besondere Bedeutung kam im Streitfall dabei der Rechtsfrage zu, wie der Begriff der „Ansässigkeit“ im Umsatzsteuerrecht auszulegen ist.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine in der Baubranche tätige GmbH, die in den Streitjahren 1997 und 1998 Werklieferungen einer polnischen Firma bezog. Die polnische Firma hatte zwar Geschäftsleitung und Sitz in Polen, war in Deutschland aber durch einen Generalbevollmächtigten vertreten und verwendete bei Rechnungsstellung im Briefkopf auch eine inländische Anschrift. Nach Ansicht der Finanzverwaltung lag aufgrund des Vorliegens eines ständigen Vertreters (§ 12 AO) auch eine beschränkte Körperschaftsteuerpflicht vor. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die polnische Firma nahm das Finanzamt die inländische GmbH per Haftungsbescheid in Anspruch, da es sich bei der polnischen Firma um ein „im Ausland ansässiges Unternehmen“ handele. Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb ebenso erfolglos wie die Klage vorm Finanzgericht (FG). Dessen Entscheidung wurde aber nunmehr vom Bundesfinanzhof (BFH) aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen.

Entscheidung

Nach Auffassung des BFH ist das Finanzgericht zu Unrecht davon ausgegangen, dass für die Prüfung der Ansässigkeit entscheidend darauf abzustellen sei, ob die Errichtung einer Zweigniederlassung im Handelsregister eingetragen war oder sich zumindest ernsthaft um eine Eintragung bemüht wurde. Der Begriff der Ansässigkeit sei vielmehr nach dem Unionsrecht auszulegen. Diese sei zu bejahen, wenn eine feste Niederlassung bestehe, die einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweise, die von der personellen und technischen Ausstattung her eine autonome Erbringung der betreffenden Dienstleistungen ermögliche. So habe der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Bereich des Transportwesens zumindest ein Büro verlangt, in dem Verträge abgefasst und die Entscheidungen der täglichen Geschäftsführung getroffen werden können.

Konsequenzen

Das Urteil erging zwar zum UStG in der Fassung des Jahres 1993, ist aber auch für das geltende Umsatzsteuerrecht von Bedeutung, da sich insoweit an dem Haftungsrisiko des Leistungsempfängers sowie dem Tatbestandsmerkmal „Ansässigkeit“ keine Änderungen ergeben haben. Im Ergebnis ist für die Auslegung des Begriffs somit rein auf die Vorgaben des Unionsrechts abzustellen, die Eintragung einer Zweigniederlassung im Handelsregister ist nicht entscheidend. Das Finanzgericht hat nunmehr im zweiten Rechtsgang zu prüfen, ob eine Ansässigkeit i. S. d. Europarechts vorliegt.