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Keine Heilung v. Ermessensfehlern bei erstmaliger Ermessenserwägung

Keine Heilung v. Ermessensfehlern bei erstmaliger Ermessenserwägung

Kernaussage

In einem Revisionsverfahren erstmalig angestellte Ermessenserwägungen können nicht mehr berücksichtigt werden.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine GmbH, deren alleinige Gesellschafterin zugleich Geschäftsführerin war. Durch Geschäftsführervertrag wurde dieser eine Weihnachtsgratifikation zugesagt. Die GmbH behielt sich jedoch das Recht zum Widerruf vor. Im Oktober 2002 hat die Alleingesellschafter-Geschäftsführerin beschlossen, für das Streitjahr 2002 keine Weihnachtsgratifikation zu zahlen, was auch unterblieb. Das beklagte Finanzamt nahm die GmbH mit Haftungsbescheid wegen der auf die Weihnachtsgratifikation entfallenden Lohnsteuer, die von der GmbH nicht einbehalten worden war, in Anspruch. Das Finanzgericht gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Während des Revisionsverfahrens hat das Finanzamt den Haftungsbescheid unter gleichzeitigem Erlass eines neuen Bescheides zurückgenommen, da das Auswahlermessen nicht hinreichend dokumentiert war.

Entscheidung

Der Bundesfinanzhof (BFH) wies die Revision des Finanzamts als unbegründet zurück. Für die vom Arbeitnehmer geschuldete und vom Arbeitgeber einzubehaltende Lohnsteuer kann das Finanzamt die Steuer- oder Haftungsschuld gegenüber Arbeitnehmer oder Arbeitgeber als Gesamtschuldner geltend machen. Hierbei hat es das Auswahlermessen pflichtgemäß auszuüben. Vorliegend unterblieb bei Erlass des ursprünglichen Haftungsbescheids die gebotene Ermessensausübung, denn das Finanzamt war sich dieser Verpflichtung nicht bewusst. Bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens kann das Finanzamt zwar seine Ermessenserwägungen ergänzen. Das setzt aber voraus, dass zumindest ansatzweise zuvor Ermessenserwägungen angestellt worden sind. Diese wurden aber erstmals während des Revisionsverfahrens aufgeführt.

Konsequenz

Die Rechtsfrage, ob ein dem Gesellschafter-Geschäftsführer zugesagtes aber nicht ausgezahltes Weihnachtsgeld als zugeflossen gilt, konnte im Streitfall offen bleiben. Zu der Frage entschied der BFH jedoch in einem Parallelverfahren, dass die Grundsätze über den Zufluss von Einnahmen bei einem beherrschenden Gesellschafter nicht eingreifen, wenn die Zusage vor dem Zeitpunkt der Entstehung der Sonderzuwendungen einvernehmlich aufgehoben wird.