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Haftungsvoraussetzungen für Aufsichtsräte einer AG

Haftungsvoraussetzungen für Aufsichtsräte einer AG

Kernaussage

Führt das Verschweigen der Zahlungsunfähigkeit einer Aktiengesellschaft (AG) dazu, dass sich ein Anleger zum Erwerb objektiv wertloser Aktien entscheidet, kann eine sittenwidrige Schädigung vorliegen. Für eine Beteiligung an einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung bedarf es einer konkreten Feststellung der Kenntnis der Tatumstände. Eine Vermutung der Kenntnis eines Aufsichtsratsmitglieds von denjenigen Tatsachen, über die der Aufsichtsrat pflichtgemäß durch den Vorstand unterrichtet werden muss, kommt nicht in Betracht.

Sachverhalt

Eine AG betrieb Anlagenberatung und -vermittlung, deren Gegenstand im Wesentlichen Aktien zweier Firmen waren, die im September 2000 in Insolvenz fielen. Dies führte zum umfassenden Wertverlust sämtlicher von der AG gehandelten Fremdaktien. Da sie mit den von ihr vermittelten Erwerbern der Fremdaktien eine Ankaufsverpflichtung vereinbart hatte, hätte die AG ca. 40 Mio. DM aufbringen müssen. Hierfür reichten die Mittel nicht aus, weshalb das Kapital erhöht und neue Aktien der AG verkauft wurden. Dieses „Geschäftsmodell“ hatte der Vorstandsvorsitzende initiiert. Im Oktober 2000 stellte die Bank Insolvenzantrag gegen die AG. Einer der Beklagten wurde im März 2001 nach seiner Tätigkeit als Angestellter in den Vorstand der AG berufen. Ein weiterer Beklagter war seit Mai 2000 Mitglied des Aufsichtsrats und zugleich Rechtsanwalt, weshalb er die AG im Insolvenzverfahren vertrat. Ein dritter Beklagten war der Steuerberater der AG und erstellte einen Bericht über die Prüfung der Vermögenslage, der zur Rücknahme des Insolvenzantrags führte. Der Kläger erwarb ab 2001 Aktien, die heute wertlos sind, weshalb er die Beklagten als Gesamtschuldner in Anspruch nehmen will.

Entscheidung

Der Bundesgerichtshof (BGH) verwies die Sache zunächst an die Unterinstanz zurück und führte folgendes aus: Die Haftung des beklagten Vorstandsmitglieds aufgrund gemeinschaftlicher vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung mit dem Vorstandsvorsitzenden scheitere daran, dass das Untergericht keine Feststellungen zu den subjektiven Erfordernissen einer Teilnahme getroffen habe. Ebenso seien keine Feststellungen zur Kenntnis des beklagten Aufsichtsratsmitglieds getroffen worden. Denn eine Vermutung für die Kenntnis des Aufsichtsratsmitglieds von denjenigen Tatsachen, über die der Aufsichtsrat pflichtgemäß durch den Vorstand unterrichtet werden muss, komme nicht in Betracht. Schließlich ergäben sich auch keine Anhaltspunkte für eine Haftung des beklagten Steuerberaters. Dieser dürfe grundsätzlich darauf vertrauen, dass die ihm mitgeteilten Zahlen zutreffend seien, es sei denn, es seien Umstände ersichtlich, die gegen die Richtigkeit sprächen.

Konsequenz

Wird ein sittenwidriges Handeln als solches erkannt, ist ein sofortiges Handeln, wie ggf. die Amtsniederlegung, zur Vermeidung einer Haftung erforderlich.