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Unterhaltspflicht bei spät aufgenommenem Studium

Unterhaltspflicht bei spät aufgenommenem Studium

Kernfrage
Kindesunterhalt wird grundsätzlich so lange geschuldet, bis das Kind seinen Lebensunterhalt selber bestreiten kann. Maßgeblich ist die Bedürftigkeit des Kindes. In der Regel endet die Unterhaltspflicht – unabhängig von Fragen der Höhe des Unterhalts – damit in dem Moment, in dem das Kind eine Berufsausbildung abgeschlossen hat (Lehre oder Studium). Darüber hinaus kann die Unterhaltspflicht auch dann enden, wenn das Kind eigenverantwortlich die Bedürftigkeit herbeiführt, z. B. weil es keine Ausbildung vollendet. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hatte nunmehr über die Voraussetzungen der Unterhaltspflicht zu entscheiden, wenn ein Kind ein Studium nach längerer Zeit (wieder) aufnimmt.

Sachverhalt
Der Vater war seiner Tochter zunächst zum Unterhalt verpflichtet. Die Tochter brach im Jahre 2010 ein erstes Studium ab, begann mehrere Praktika und absolvierte einen längeren Auslandsaufenthalt. Im Herbst 2011 nahm sie ein neues Studium auf und verlangte Unterhalt. Mit seiner Klage wollte der Vater festgestellt wissen, dass seine Unterhaltspflicht mit Abbruch des Studiums im Jahre 2010 weggefallen sei. Seine Tochter habe sich als nicht bedürftig erwiesen, sei zudem zum Studium nicht geeignet und habe durch eigenverantwortliches Handeln ihren Unterhaltsanspruch verwirkt.

Entscheidung
Das Gericht gab dem Vater nur teilweise Recht. Für den Zeitraum zwischen Abbruch des ersten Studiums und Aufnahme des neuen Studiums bestehe die Unterhaltspflicht nicht. Mit Aufnahme des neuen Studiums lebe die Unterhaltspflicht aber wieder auf. Zwar habe ein Kind, das nach der Schule kein Studium oder keine Ausbildung aufnehme, mangels Bedürftigkeit zunächst keinen Unterhaltsanspruch, sondern muss seinen Lebensunterhalt durch eigene Arbeit sicherstellen. Dadurch verliert das Kind aber nicht den grundsätzlichen Unterhaltsanspruch während einer Erstausbildung.

Konsequenz
Die Entscheidung stärkt den Unterhaltsanspruch des Kindes. Letztlich billigt das Gericht dem Kind, wie es in der Urteilsbegründung auch ausführt, eine Orientierungsphase zu, in der das Kind zunächst nach der geeigneten Ausbildung suchen kann. Die Interessen des Elternteils werden dadurch gewahrt, dass ein Studien- oder Ausbildungsabbruch dazu führt, dass das Kind die eigene Arbeitskraft einsetzen muss und der Unterhaltsanspruch ruht.

Wann entfällt die Unterhaltspflicht des Kindes gegenüber den Eltern?

Wann entfällt die Unterhaltspflicht des Kindes gegenüber den Eltern?

Kernaussage

Besteht grundsätzlich eine Unterhaltspflicht der Kinder für ihre Eltern, kann diese in wenigen Fällen der Verwirkung unterliegen. In Folge kommen die Kinder von ihren Unterhaltspflichten frei. Im kürzlich vom Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg entschiedenen Fall führte eine herabwürdigende Kränkung und nachdrückliche Kontaktverweigerung zu einer solchen Verwirkung. Weitere denkbare Fälle sind z. B. gröbliche Vernachlässigung der Unterhaltspflichten oder schwere Verfehlungen durch die nunmehr bedürftigen Eltern.

Sachverhalt

Eine Stadt hatte seit 2008 bis zum Tod des Vaters in 2012 Heimpflegekosten an eine Altenheimeinrichtung erbracht. Nach den Einkommensverhältnissen des Sohnes sollte dieser rund 9.000 EUR an die Stadt erstatten. Der Sohn berief sich darauf, dass ein Unterhaltsanspruch seines Vaters verwirkt sei; denn der Vater habe seit 27 Jahren vehement den Kontakt verweigert. Selbst bei der Beerdigung des Großvaters seien keine Worte ausgetauscht worden. In seinem Testament hatte der Vater angeordnet, dass der Sohn nur den „strengsten Pflichtteil“ erhalten solle.

Entscheidung

Das OLG gab dem Sohn Recht. Dem Vater war eine schwere vorsätzliche Verfehlung anzulasten, die zu einer Verwirkung des Anspruchs der Stadt führt. In der Gesamtschau war hier nämlich ein grober Mangel an verwandtschaftlicher Gesinnung zu erkennen, der den Unterhaltspflichtigen als Person herabwürdigte, zurücksetzte und kränkte. Der Vater hatte offenkundig jegliche Beziehung persönlicher und wirtschaftlicher Art zu seinem Sohn abgelehnt und sich erkennbar aus dem familiären Solidaritätsverhältnis gelöst. In diesem Fall musste der Sohn keinen Unterhalt zahlen.

Konsequenz

Die Entscheidung ist zu begrüßen, da die bisherige Rechtsprechung die Entlassung aus den Unterhaltspflichten sehr restriktiv handhabte. Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Rechtsprechung auch beim Bundesgerichtshof (BGH) durchsetzen wird.