Schlagwort-Archive: Verdachtskündigung

Verdachtskündigung möglich ohne Nachweis der Täterschaft

Verdachtskündigung möglich ohne Nachweis der Täterschaft

Rechtslage

Die fristlose Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist auch dann möglich, wenn dem Arbeitnehmer eine Straftat zwar nicht nachgewiesen ist, aber ein dringender Tatverdacht besteht (sogenannte Verdachtskündigung). Dabei gilt, dass gerade bei der Verdachtskündigung eine Interessenabwägung vorgenommen werden muss, bei der auf Seiten des Arbeitnehmers auch eine langjährige Beschäftigung mit einzubeziehen ist. Faustformel war hierzu, dass je länger das Arbeitsverhältnis bestanden hatte, die Verdachtskündigung umso seltener zulässig war und eine ordentliche Kündigung ausgesprochen werden musste. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat diese Faustformel nunmehr zumindest aufgeweicht.

Sachverhalt

Der Kläger, der langjährig bei den im Rahmen einer Kündigungsschutzklage beklagten Verkehrsbetrieben beschäftigt war, war dort mit dem Handling von Blankofahrscheinrollen betraut. Diese Rollen wurden mit den endgültigen Fahrscheinen bedruckt. Unter anderem hatte der Kläger auch Zugang zu einem Schulungsraum, in dem zu Schulungszwecken Fahrscheine gedruckt werden konnten. Nachdem zwei Personen, die dem Kläger nahe standen, innerhalb kurzer Zeit mehrere Langzeittickets, die im Schulungsraum gedruckt worden waren, zur Rückerstattung eingereicht hatten, kündigten die Verkehrsbetriebe das Arbeitsverhältnis des Klägers fristlos wegen Verdachts auf eine Straftat.

Entscheidung

Mit seiner Kündigungsschutzklage unterlag der Kläger. Das Gericht sah den Kläger als dringend verdächtig an, die Fahrscheine gedruckt und dann über ihm nahe stehende Personen zu Geld gemacht zu haben. Damit bestand der dringende Verdacht für eine Straftat zu Lasten des Arbeitgebers. Dass der Kläger lange Jahre beanstandungslos beschäftigt gewesen sei, stehe der Wirksamkeit der Verdachtskündigung nicht entgegen. Auch die Täterschaft musste dem Kläger nicht nachgewiesen werden.

Konsequenz

Die Entscheidung vereinfacht – jedenfalls dann, wenn erhebliche Verdachtsmomente bestehen – fristlose Kündigungen auch gegenüber seit langem beschäftigten Arbeitnehmern. Insoweit sieht das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg die langjährige Beschäftigung jedenfalls nicht als ein so starkes Kriterium, das die Interessenabwägung generell zugunsten des Arbeitnehmers ausfallen lässt.

Wie lange darf ein Arbeitgeber mit der Verdachtskündigung warten?

Wie lange darf ein Arbeitgeber mit der Verdachtskündigung warten?

Kernfrage

Eine fristlose Kündigung kann auch auf den bloßen Verdacht einer Straftat gestützt werden (Verdachtskündigung). Allerdings muss in diesen Fällen ein ausreichender Tatverdacht vorliegen und nachgewiesen werden können. Angesichts der insoweit bestehenden Beweisschwierigkeiten wird der Arbeitgeber dahin tendieren, möglichst lange mit der Kündigung zu warten, um die Verdachtsmomente zu erhärten. Das Arbeitsgericht Mönchengladbach hat dazu entschieden, welchen Zeitraum dieses Zuwartens der Erhärtung des Tatverdachts der Arbeitgeber verstreichen lassen darf, bevor eine Verdachtskündigung – ähnlich wie eine fristlose Kündigung, die innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis vom Kündigungsgrund ausgesprochen sein muss – unwirksam ist.

Sachverhalt

Die Kläger waren in der städtischen Grünpflege beschäftigt; sie hatten Arbeiten für Privatleute durchgeführt und dafür Geld erhalten. Hiervon erfuhr der Arbeitgeber im November 2011, kündigte jedoch erst im Dezember 2011. In den hierzu geführten Kündigungsschutzklagen räumten die Kläger zwar die Fremdarbeiten ein, erklärten jedoch, das Geld sei nicht Entlohnung, sondern Zuwendung aus Dank gewesen, die sie in die Kaffeekasse der Abteilung eingezahlt hätten.

Entscheidung

Das Gericht gab den Klägern recht. Zwar habe mit den Privatarbeiten und der Annahme von Geld – gleich ob dieses in die Kaffeekasse gegangen sei – ein möglicher fristloser Kündigungsgrund vorgelegen. Im Falle des betroffenen Vorarbeiters wäre die fristlose Kündigung auch nach Abwägung aller Interessen wirksam gewesen. Allerdings habe der Arbeitgeber die Zwei-Wochen-Frist ab Kenntnis von den für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen nicht eingehalten. Diese gelte auch im Falle der Verdachtskündigung. Der Arbeitgeber habe schlicht zu lange ermittelt.

Konsequenz

Die entscheidende Aussage der Entscheidung ist, dass die Zwei-Wochen-Frist der fristlosen Kündigung auch für Verdachtskündigungen gilt. Faktisch beginnt die Frist mit Entstehung des ersten Anfangsverdachts. Dies zeigt, wie insbesondere auch beweisschwierig Verdachtskündigungen sind. Die Alternative hätte darin bestanden, eine verhaltensbedingte Kündigung unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist auszusprechen.