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Wann haben Arbeitnehmer Anspruch auf Vereinbarung eines Versorgungsrechts?

Wann haben Arbeitnehmer Anspruch auf Vereinbarung eines Versorgungsrechts?

Kernfrage

Die sogenannte betriebliche Übung und/oder der grundgesetzliche Gleichbehandlungsgrundsatz führen dazu, dass Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber einen Anspruch auf solche Leistungen erwerben, die er über einen längeren Zeitraum hinweg vergleichbaren Arbeitnehmern beanstandungslos gewährt. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte nunmehr darüber zu entscheiden, ob dies auch dazu führen kann, dass Arbeitnehmer den Abschluss eines Versorgungsvertrages mit dem Arbeitgeber verlangen können.

Sachverhalt

Beim Arbeitgeber, einem Kreditinstitut, bestand wegen einer Fusion eine Vereinbarung aus dem Jahr 1972, nach der Arbeitnehmer, die 20 Dienstjahre vorweisen konnte, eine beamtenähnliche Versorgung beanspruchen durften. Hierüber entschied der Vorstand. Bis Ende 2009 wurde diese Praxis beibehalten. Nahezu allen Arbeitnehmern, die 20 Dienstjahre vorweisen konnten, gute Beurteilungen erhielten und bei denen gesundheitlich nicht zu erwarten war, dass sie früh verrentet werden würden, wurde die Versorgung gewährt. Der Kläger, in dessen Person im Übrigen alle Voraussetzung für die Gewährung vorlagen, erfüllte das Dienstzeitkriterium im Jahr 2010 und verlangte die Gewährung der Versorgung, was die Beklagte ablehnte.

Entscheidung

Zuletzt gab auch das Bundesarbeitsgericht dem Kläger recht. Aufgrund der seit 1972 geübten Praxis habe bereits bei Eintritt des Klägers in das Arbeitsverhältnis die betriebliche Übung bestanden, geeigneten und bewährten Arbeitnehmern eine beamtenähnliche Versorgung zu gewähren und mit ihnen entsprechende Versorgungsverträge abzuschließen. Diese betriebliche Übung könne die Beklagte nicht willkürlich zu einem gewissen Zeitpunkt einseitig aufheben.

Konsequenz

Die Entscheidung zeigt das Gefahrenpotential der betrieblichen Übung. Eine einseitige Beendigung des Arbeitgebers ist unzulässig und steht nicht in seinem Direktionsrecht. Vielmehr hätte er mit allen betroffenen Arbeitnehmern Vereinbarungen über die Aufhebung der betrieblichen Übung schließen müssen.

Vereinbarung über Differenzhaftungsansprüche bei Sachkapitalerhöhung zulässig?

Vereinbarung über Differenzhaftungsansprüche bei Sachkapitalerhöhung zulässig?

Kernaussage

Bisher nicht höchstrichterlich entschieden war die Frage, ob eine AG mit ihrem Aktionär über den Anspruch auf Zahlung des Unterschiedsbetrags zwischen der bei einer Sachkapitalerhöhung übernommenen Einlageverpflichtung und dem tatsächlichen Wert der zur Erfüllung erbrachten Sachleistung (sog. Differenzhaftungsanspruch) einen Vergleich schließen kann. Dazu sowie zu der Frage, ob in dem Vergleich vereinbarte anderweitige Zahlungspflichten des Aktionärs später mit Ansprüchen gegen die Gesellschaft verrechnet werden können, nahm der Bundesgerichtshof (BGH) aktuell Stellung.

Sachverhalt

Die Babcock AG führte 1999 eine Sachkapitalerhöhung durch. In diesem Rahmen brachte die Preussag AG gemäß einem Transaktionsvertrag in einer ersten Tranche sämtliche Geschäftsanteile an 2 Tochtergesellschaften sowie Aktien der Howaldswerke Deutsche Werft AG (HDW AG) als Sacheinlage für rd. 3,5 Mio. Babcock-Aktien (33,29 % des Grundkapitals) ein. Die Babcock AG verpflichtete sich, zu einem späteren Zeitpunkt von der Preussag AG weitere Aktien der HDW AG für 325 Mio. DM zu kaufen (zweite Tranche). In einer Vereinbarung aus Juni 2000 verpflichtete sich die Preussag AG sodann, der Babcock AG einen Ertragszuschuss in Höhe von 325 Mio. DM gewähren, mit dem diese den Kaufpreis für die zweite Tranche der HDW AG-Aktien bezahlen sollte. Die Babcock AG erklärte dabei, aus dem Transaktionsvertrag keine Ansprüche mehr geltend zu machen. Im September 2000 vereinbarten die Babcock AG und die Preussag AG, dass die Zahlungsverpflichtung der Babcock AG für die zweite Tranche insgesamt durch Verrechnung mit dem Ertragszuschuss in Höhe von 325 Mio. DM als mit Wirkung zum Juni 2000 erfüllt anzusehen sei. Der Kläger nimmt als Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Babcock AG die Beklagte, die Rechtsnachfolgerin der Preussag AG, auf eine Differenzhaftung in Höhe von über 170 Mio. EUR mit der Begründung in Anspruch, der Wert der von der Preussag AG erbrachten Leistungen sei geringer gewesen als die vereinbarte Einlage. Die Klage blieb erfolglos.

Entscheidung

Der BGH hob das Urteil auf und verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an die Unterinstanz zurück. Er geht davon aus, dass jedenfalls die bei der ersten Tranche auf die Kapitalerhöhung eingebrachten Gesellschaftsanteile und Aktien nicht den versprochenen Sachwert erreichten. Über einen sich daraus ergebenden Differenzhaftungsanspruch können sich die AG und der Aktionär auch ohne Zustimmung der Hauptversammlung vergleichen. Obwohl der Aktionär nach dem Aktiengesetz von seiner Verpflichtung zur Einlageleistung nicht befreit werden kann, ist ein solcher Vergleich zulässig, wenn eine tatsächliche oder rechtliche Ungewissheit über den Bestand oder Umfang des Anspruchs besteht. Die Vereinbarung zwischen der Babcock AG und der Preussag AG vom Juni 2000 zwar diese Voraussetzungen eines zulässigen Vergleichs. Das aktienrechtliche Verbot der Aufrechnung gegen die Einlageforderung der AG gilt aber für eine in einem Vergleich über den Differenzhaftungsanspruch vereinbarte Forderung der Gesellschaft gegen den Aktionär (hier: Ertragszuschuss in Höhe von 325 Mio. DM) fort. Die Verrechnung des Anspruchs der Babcock AG auf den Ertragszuschuss mit der Kaufpreisforderung der Preussag AG hinsichtlich der mit der 2. Tranche zu übertragenden HDW AG-Aktien in der Vereinbarung vom September 2000 ist nur wirksam, wenn die Kaufpreisforderung vollwertig, fällig und liquide war.

Konsequenz

Ob eine vollwertige Kaufpreisforderung vorlag, wird das Instanzgericht nun noch weiter aufzuklären haben.