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Verfassungswidrigkeit der Kernbrennstoffsteuer?

Finanzgericht Hamburg legt dem Bundesverfassungsgericht das Kernbrennstoffsteuergesetz zur Überprüfung vor

Die Klägerin wechselte im Juli 2011 in dem vor ihr betriebenen Kraftwerk die Kernbrennstäbe, berechnete pflichtgemäß die Kernbrennstoffsteuer (KernbrSt) und gab beim für sie zuständigen Hauptzollamt eine Steueranmeldung über rund 96 Mio. Euro ab, wendet sich aber mit ihrer Klage gegen die Steuer.

Aufgrund erheblicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des KernbrStG hatte das FG Hamburg der Klägerin bereits mit Beschluss vom 16.9.2011 (Az. 4 V 133/11) vorläufigen Rechtsschutz gewährt, der allerdings vom Bundesfinanzhof aus formellen Gründen wieder aufgehoben wurde. In weiteren Eilverfahren hat bisher neben dem 4. Senat auch das Finanzgericht München ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der KernbrSt geäußert, wohingegen das Finanzgericht Baden-Württemberg das Gesetz für verfassungsgemäß gehalten hat.

Der Vorlagebeschluss des 4. Senats vom 29.1.2013 (Az. 4 K 270/11) ist bundesweit die ers-te Entscheidung in einem Klageverfahren gegen die im Jahr 2011 als Verbrauchsteuer ein-geführte KernbrSt.

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung des Hauptsacheverfahrens am 29. Januar 2013 hat der Präsident des Finanzgerichts Hamburg und Vorsitzende des 4. Senats Schoenfeld den Beschluss des Senats verkündet. Aus der mündlichen Begründung:
Der vorlegende Senat sei von der formellen Verfassungswidrigkeit des KernbrStG überzeugt. Der Bund habe die sich aus Art. 105, 106 GG ergebende Gesetzgebungskompetenz für Ver-brauchsteuern nicht in Anspruch nehmen können, weil die KernbrSt weder eine herkömmliche Verbrauchsteuer sei noch die Typusmerkmale einer Verbrauchsteuer erfülle. Prägendes Wesensmerkmal der Verbrauchsteuern sei insbesondere ihr Ziel, den privaten Verbraucher zu belasten. Auch wenn Verbrauchsteuern typischerweise nicht unmittelbar beim Konsumenten erhoben würden, sondern indirekt beim Handel oder bei der Industrie, müssten sie doch darauf angelegt sein, auf den Konsumenten abgewälzt zu werden. Dies sei bei der KernbrSt nicht der Fall. Schon in der Begründung des KernbrStG sei festgehalten worden, dass eine Überwälzung der Steuer allenfalls in geringem Umfang möglich sein werde. Eine Betrachtung des Strommarktes bestätige erwartungsgemäß, dass die KernbrSt auf die Strompreisbildung ohne Einfluss geblieben sei. Wie Äußerungen im Gesetzgebungsverfahren belegten, werde mit der KernbrSt das Ziel verfolgt, die Gewinne der Kernkraftwerksbetreiber abzuschöpfen. Dem Bund stehe auch im Übrigen keine (alleinige) Gesetzgebungskompetenz zur Einführung der KernbrSt zur Verfügung.

Zur Verfassungsmäßigkeit der KernbrSt im Übrigen – die Klägerin rügt insbesondere noch den Verstoß gegen den Gleichheitssatz und die Verletzung der Eigentumsgarantie – hat sich der 4. Senat nicht geäußert; sie wird vom Bundesverfassungsgericht im Rahmen des Nor-menkontrollverfahrens von Amts wegen zu prüfen sein. Eine Überprüfung, ob das KernbrStG gegen höherrangiges Europarecht verstößt – etwa gegen Beihilfevorschriften oder den Euratom-Vertrag – hat der 4. Senat zunächst zurückgestellt.
Die schriftliche Begründung des Beschlusses lag bei Redaktionsschluss noch nicht vor.