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Die Betreuung von Vermittlern ist keine umsatzsteuerbefreite Vermittlungsleistung.

Niedersächsisches Finanzgericht 16. Senat, Beschluss vom 09.01.2006, 16 V 436/05

Art 13 Teil B Buchst d Ziff 5 EWGRL 388/77, § 4 Nr 8 UStG 1999

Tatbestand

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Der Antragsteller zu 1 (ASt 1) betrieb bis zum 1. Dezember 1999 als Einzelunternehmer ein Unternehmen, in dem er als Handelsvertreter Produkte der Firma S. AG vertrieb. Dies geschah auf Grundlage eines mit der Firma S.- Vertriebsgesellschaft GmbH geschlossenen Vertriebsvertrages. Ab dem 1. Dezember 1999 wird dieselbe Tätigkeit durch die Antragstellerin zu 2 (ASt 2) ausgeübt, an die der ASt 1 sein Unternehmen veräußerte.

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Im Streit steht die umsatzsteuerliche Behandlung von sogenannten Differenzprovisionen, die der Antragsgegner als umsatzsteuerpflichtig ansieht.

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Die Differenzprovisionen haben ihre rechtlichen Grundlage in Anlage D zum geschlossen Vertriebsvertrag. Dieser lautet auszugsweise wie folgt:

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„1. Hat der Vermittler der Auftraggeberin andere Vermittler zugeführt, die mit der Auftraggeberin einen gesonderten Vertriebsvertrag abgeschlossen haben, und sind diese zugeführten Vermittler von der Auftraggeberin dem Vermittler zur Betreuung unterstellt, so erhält der Vermittler in Abhängigkeit von der Tätigkeit der ihm unterstellten Vermittler eine Differenzprovision.

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2. Der Vermittler hat nach Maßgabe der folgenden Regelungen Anspruch auf Differenzprovision für jeden Vertrag, der von einem ihm unterstellten und ihm betreuten Vermittler vermittelt wird.

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3. Die Höhe der Provision ergibt sich aus der Differenz zwischen den in den besonderen Provisionsbedingungen zu diesem Vertriebsvertrag festgelegten Provisionssätzen des Vermittlers für Vermittlungsprovisionen und Betreuungsgebühren und den entsprechenden – geringeren – Provisionssätzen des jeweiligen unterstellten Vermittlers. Soweit die Provisionssätze identisch sind, entfällt eine Differenzprovision.“

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In Anlage 1 Ziffer 5 zum Vertriebsvertrag ist unter der Überschrift Differenzprovision folgendes geregelt: „Wenn und soweit dem Vermittler von der Auftraggeberin weitere Vermittler unterstellt sind oder werden, die einen eigenen Vertriebsvertrag mit der Auftraggeberin abgeschlossen haben, erhält der Vermittler für die umfassende Betreuung dieser Vermittler eine Differenzprovision, deren Voraussetzungen und Höhe sich aus den Bestimmungen in Anlage D ergeben“.

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Der Antragsgegner führt im August 2003 – September 2004 eine Außenprüfung durch, die sich insbesondere auch mit der umsatzsteuerlichen Einordnung der an die Antragsteller gezahlten Differenzprovisionen befasste. Weil die Antragsteller bis dahin diese Provisionen als umsatzsteuerfrei behandelt haben, die Außenprüfung jedoch von der Steuerpflicht dieser Provisionen ausging, wurde der Umfang dieser Provisionszahlungen aus dem Buchführungswerk der Antragsteller durch diese ermittelt und der Außenprüferin zur Verfügung gestellt. Die Außenprüfung ermittelte sodann die Bemessungsgrundlagen für die angenommenen steuerpflichtigen Umsätze und berücksichtigte die darauf anteilig entfallenden Vorsteuerabzugsbeträge.

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Dem Ergebnis der Außenprüfung folgend setzte der Antragsgegner die Umsatzsteuer für die Streitjahre fest. Die dagegen eingelegten Einsprüche sind noch nicht entschieden. Anträge auf Aussetzung der Vollziehung lehnte der Antragsgegner ab.

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Mit dem bei Gericht gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wenden sich die Antragsteller gegen die Annahme, sie hätten umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbracht. Die Differenzprovisionen seien keine Zuführungsvermittlungsprovisionen gewesen. Vielmehr hätten die Antragsteller Differenzprovisionen nur dann erhalten, wenn ihnen unterstellte Untervermittler tatsächlich ihrerseits Vermittlungsleistungen gegenüber der S.-Vertriebsgesellschaft mbH erbracht hätten. Die Bezahlung der Differenzprovision sei somit erfolgt, weil eine erfolgreiche Vermittlungsleistung erbracht worden sei. Zwecks Durchführung der eigenen Vermittlungsleistung hätten die Antragsteller die angebundenen bzw. tatsächlich unterstellten Untervermittler geschult und betreut, um einen einheitlichen Qualitätsstandard im Hinblick auf die von ihnen durchgeführte und zu verantwortende Eigenverrichtungsleistungen sicherzustellen. Eine Vermittlungsprovision unterliege schon aus Rechtsgründen nicht der Umsatzsteuer. Sie sei vielmehr schon zwingend aufgrund der Regelung in Artikel 13 B d) Ziffer 5 der 6.-EG-Richtlinie von der Umsatzsteuer zu befreien.

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Der Antragsteller zu 1 beantragt,

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den Umsatzsteuerbescheid 1999 von der Vollziehung auszusetzen,

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die Antragstellerin zu 2 beantragt,

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die Umsatzsteuerbescheide für 2000 und 2001 von der Vollziehung auszusetzen.

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Der Antragsgegner tritt den Anträgen entgegen.

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Es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerfestsetzungen. Die EG-rechtliche Vorgabe des Artikel 13 Teil B d) Nr. 5 der 6.-EG-Richtlinie sei durch § 4 Nr. 8 UStG in nationales Recht umgesetzt worden. Zur Frage der Auslegung des Begriffs der Vermittlung habe sich der BFH im Urteil vom 09.10.2003 V R 5/03 eingehend geäußert. Bei einer mehrstufigen Vermittlung von Finanzumsätzen sei nur derjenige Vermittler umsatzsteuerbefreit, der einen unmittelbaren Geschäftsbesorgungsvertrag mit einer der zukünftigen Vertragsparteien des Grundgeschäftes abgeschlossen habe, der sogenannte erste Vermittler. Nachgeschaltete Vermittler in einer Vertriebsstruktur seien hingegen nicht umsatzsteuerbefreit. Allerdings bestehe aufgrund des BMF-Schreibens vom 13. Dezember 2004 eine Übergangsfrist, in der auch nachrangige Vermittlungstätigkeiten tatsächlich steuerbefreit blieben. Deshalb habe der Antragsgegner den Großteil der von den Antragstellern erbrachten Leistungen weiterhin als umsatzsteuerfrei behandelt. Dies treffe jedoch nicht für die bezogenen Differenzprovisionen zu. Denn diese erhielten die Antragsteller nach den geschlossenen Verträgen für die vereinbarte Betreuung der Untervermittler. Die Antragsteller erbrächten insoweit also keine Vermittlungsleistung. Die Annahme der Umsatzsteuerpflicht dieser Leistungen sei zutreffend. Was die Höhe der Bemessungsgrundlagen angehe, so sei diese aufgrund der von den Antragstellern zur Verfügung gestellten Zahlen ermittelt worden, konkrete Einwände seien nicht erhoben worden. Deshalb seien insoweit ebenfalls keine ernstlichen Zweifel begründet.

Entscheidungsgründe

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Der Antrag ist unbegründet.

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1. Die Aussetzung der Vollziehung soll gemäß § 69 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz FGO erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

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a) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatsachen bewirken (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 10. Februar 1984 III B 40/83, BStBl II 1984, 454 und vom 30. Dezember 1996 I B 61/96, BStBl II 1997, 466). Solche Umstände sind im vorliegenden Fall nicht gegeben.

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Mangels anderer präsenter Beweismittel geht das Gericht davon aus, dass sich die Vertragsbeteiligten entsprechend der geschlossenen Verträge verhalten haben. Deshalb kann angenommen werden, dass die hier in Streit stehenden Differenzprovisionen Entgelte für diejenigen Leistungen sind, zu denen sich die Antragsteller verpflichtet haben. Dies war nach Anlage 1 zum Vertriebsvertrag die umfassende Betreuung der Vermittler. Derartige Betreuungsleistungen sind aber nicht selbst Vermittlungsleistungen. Insoweit verweist das Gericht auf die für zutreffend erachteten Ausführungen im BFH Urteil vom 23. Oktober 2002 V R 68/01, BStBl II 2003, 618.

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Die Betreuung der Vermittler ist auch keine Dienstleistung, die unter Artikel 13 B d) Ziffer 5 der 6. EG-Richtlinie sein könnte. Die genannte Norm befreit die Umsätze – einschließlich der Vermittlung, jedoch mit Ausnahme der Verwahrung und der Verwaltung – die sich auf Aktien, Anteile an Gesellschaften und Vereinigungen bezieht. Die Betreuung von Untervermittlern ist für sich betrachtet keine Dienstleistung, die unter die genannte Befreiungsnorm fallen kann. Dies gilt unabhängig davon, ob man annehmen könnte, dass die Untervermittler ihrerseits mit ihrer Dienstleistung, die auf die Beteiligung der Anleger an stillen Gesellschaften abzielt, unter die Befreiungsnorm fielen. Die Betreuung der Untervermittler hat mit der vom Untervermittler selbst erbrachten Dienstleistung keinen unmittelbaren Zusammenhang mehr. Sie ist für sich kein Umsatz, der sich auf Anteile an Gesellschaften bezieht. Dem Umstand, dass die Antragsteller die erbrachten Dienstleistungen der Betreuung der Untervermittler nur erfolgsbezogen mit konkreten (Vermittlungs-) Leistungen der Untervermittler vergütet bekommen haben, kommt insoweit keine Bedeutung zu.

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Konkrete Einwendungen gegen die Höhe der steuerlichen Bemessungsgrundlagen sind von den Antragstellern nicht vorgebracht worden.

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b) Ebensowenig ist die Aussetzung geboten, weil die Vollziehung des angefochtenen Bescheides für die Antragsteller eine unbillige Härte zur Folge hätte. Die Vollziehung eines – noch nicht bestandskräftigen – Steuerbescheides ist für den Steuerpflichtigen unbillig hart, wenn ihm dadurch wirtschaftliche Nachteile drohen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und die nicht oder nur sehr schwer wiedergutzumachen wären, oder wenn sogar die wirtschaftliche Existenz gefährdet wäre (vgl. Beschluss des BFH vom 24. März 1994 IV S 1/94, BStBl II 1994, 398). Solche Gründe sind weder aus den Akten ersichtlich, noch haben sie die Antragsteller substantiiert vorgetragen.

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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.