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AG Vorstände sind weitgehend weisungsunabhängig

AG Vorstände sind weitgehend weisungsunabhängig

Kernaussage

Im Rahmen von unternehmerischen Entscheidungen ist dem Vorstand einer Aktiengesellschaft (AG) grundsätzlich ein weiter Beurteilungsspielraum eröffnet. So bestimmt es die sogenannte Business Judgement Rule. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. M. befasste sich aktuell mit der Frage, ob dieser Ermessensspielraum des AG-Vorstandes im Einzelfall auch ein Handeln gegen die Interessen des (Haupt-)Aktionärs erlaubt.

Sachverhalt

Die klagende AG macht gegen ihren früheren Vorstand und Mitgesellschafter einen auf die Verletzung der ihm gesetzlich obliegenden Sorgfaltspflichten gestützten Schadensersatzanspruch geltend. Der beklagte Vorstand hatte in Kenntnis seiner bevorstehenden Abberufung noch einen Beratungsvertrag mit einem externen Dienstleister abgeschlossen, der auch zuvor schon einen Fonds der Klägerin gemanagt hatte. Die AG war der Ansicht, der Beklagte habe den Beratungsvertrag nicht ohne vorherige informelle Rücksprache mit dem Aufsichtsrat abschließen dürfen. Ihm habe klar sein müssen, dass eine weitere Zusammenarbeit mit dem externen Dienstleister wegen der strukturellen Veränderungen in der Gesellschaft nicht die Zustimmung des den Aufsichtsrat dominierenden Mehrheitsaktionärs finden werde. Ausschlaggebend für den Vertragsabschluss sei allein gewesen, dass der Beklagte eine für die AG negative Pressmitteilung des externen Dienstleisters habe verhindern wollen. Das OLG wies die Klage schließlich ab.

Entscheidung

Der beklagte Vorstand hat keine ihm obliegende Pflicht verletzt. Er nimmt von Gesetzes wegen eigenverantwortlich die Leitungs- und Geschäftsführungsaufgaben einer AG wahr und ist deshalb grundsätzlich, anders als der Geschäftsführer einer GmbH, weisungsfrei. Auch die Satzung einer AG darf dies nicht einschränken. Demgegenüber ist der Aufsichtsrat kein Organ der Geschäftsführung; er überwacht diese, sachliche Grundsatzentscheidungen trifft die Hauptversammlung. Geschäftsführungsmaßnahmen dürfen daher nicht dem Aufsichtsrat übertragen werden. Die unternehmerische Entscheidung des Beklagten war haftungsrechtlich in Ordnung. Der externe Auftragnehmer konnte aufgrund der vorherigen Beauftragung als erfahren, fachlich kompetent und geeignet angesehen werden; ferner konnte eine negative Berichterstattung vermieden werden.

Konsequenz

Der Ermessensspielraum des AG-Vorstands bei der Wahrnehmung seiner Leitungsaufgaben deckt auch ein Handeln gegen die Interessen eines Hauptaktionärs der AG. Ebenfalls eingeschlossen ist die Gefahr von Fehleinschätzungen und -beurteilungen. Letztere rechtfertigen zwar personalpolitische Konsequenzen, nicht aber generell eine Haftung.