Testamentsvollstrecker haftet nicht für unerfüllbares Verschaffungsvermächtnis

Ein Testamentsvollstrecker haftet nicht, wenn er aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen ein Verschaffungsvermächtnis nicht erfüllen kann. Das hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 06.04.2017 entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Münster vom 06.01.2016 (Az. 12 O 164/14 LG Münster) bestätigt.

Die heute 55 Jahre alte Klägerin aus Mönchengladbach war die zweite Ehefrau des im April 2011 im Alter von 52 Jahren verstorbenen Erblassers. Dieser hatte den Beklagten aus Laer als Testamentsvollstrecker eingesetzt.

Die erste Ehe des Erblassers wurde Ende des Jahres 2010 geschieden. Im Vorfeld hatte der Erblasser ein Testament errichtet und seine beiden Töchter aus erster Ehe zu gleichen Teilen als Erbinnen eingesetzt. Der Klägerin als seiner damaligen Lebensgefährtin hatte er ein befristetes Wohnrecht und ein Geldvermächtnis ausgesetzt. Der Testamentsvollstrecker sollte, so die Anordnung des Erblassers, u. a. den Nachlass bis zum Erreichen des 25. Lebensjahres der jüngsten Tochter im Jahre 2014 verwalten, aus den Erträgnissen die Kosten der Ausbildung der Töchter bestreiten und die angeordneten Vermächtnisse erfüllen.

In einem zur Regelung der Scheidungsfolgen abgeschlossenen Vertrag vereinbarten der Erblasser und seine erste Ehefrau im Dezember 2010, dass der Erblasser gemeinsam angeschaffte, vermietete Immobilien übernehmen sollte. Da erhebliche Verbindlichkeiten aus der gemeinsamen Finanzierung der Immobilien bestanden, konnte die Eigentumsumschreibung auf den Erblasser erst erfolgen, nachdem die erste Ehefrau von der Mithaft befreit war.

Nachdem der Erblasser die Klägerin zu Beginn des Jahres 2011 geheiratet hatte, änderte er kurz darauf sein Testament und wandte der Klägerin im Wege des Vermächtnisses eine der Immobilien zu, die er von seiner ersten Ehefrau übernehmen wollte. Es handelte sich um ein Mehrfamilienhaus in Münster mit erheblichen Mieteinnahmen. Nach dem Tode des Erblassers übernahm der Beklagte als Testamentsvollstrecker die Verwaltung des Nachlasses. Den beiden Erbinnen zahlte er in den nächsten Jahren insgesamt ca. 30.000 Euro zur Finanzierung ihres Studiums aus, der Klägerin ca. 62.000 Euro Mietüberschüsse. Durch den Verkauf einer Immobilie reduzierte er Darlehensverbindlichkeiten des Erblassers in Höhe von ca. 1,43 Mio. Euro. Da er weitere Verbindlichkeiten nicht ablöste, kam es zu keiner weiteren Haftentlassung der ersten Ehefrau aus eingegangenen Darlehensverbindlichkeiten und zu keiner Umschreibung von Eigentum an den Erblasser im Rahmen der Scheidungsfolgenvereinbarung.

Im Jahre 2013 forderte die Klägerin den Beklagten gerichtlich auf, ihr das mit dem Vermächtnis zugewandte Grundstück zu übertragen. Der Beklagte verwies in dem Verfahren darauf, dass ihm die Übereignung des Grundstücks nicht möglich sei, da liquide Mittel zur Ablösung der auf dem Grundstück lastenden Verbindlichkeiten fehlten und in absehbarer Zeit auch nicht zu erlangen seien.

Anfang des Jahres 2014 beantragte der Beklagte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den Nachlass mit der Begründung, fällige Nachlassverbindlichkeiten mangels ausreichender Liquidität nicht erfüllen zu können. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kam es zur Verwertung der der Klägerin als Vermächtnis ausgesetzten Immobilie durch den Insolvenzverwalter. Diese Immobilie konnte für ca. 1,45 Mio. Euro veräußert werden. Die von der Klägerin gegen den Beklagten zur Erfüllung des Vermächtnisses angestrengte Klage ist seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochen.

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt die Klägerin die Feststellung, dass der Beklagte als Testamentsvollstrecker verpflichtet sei, ihr sämtliche Schäden zu ersetzen, die daraus resultierten, dass er ihr das vermachte Grundstück vor der Eröffnung der Nachlassinsolvenz nicht übertragen habe. Der Beklagte habe, so die Klägerin, es schuldhaft unterlassen, rechtzeitig die Voraussetzungen für eine Übertragung des Grundstücks zu schaffen, dabei den Nachlass nicht sachgemäß verwaltet und zudem die Nachlassinsolvenz schuldhaft herbeigeführt.

Die Feststellungsklage der Klägerin ist erfolglos geblieben. Ebenso wie das Landgericht hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm den geltend gemachten Schadensersatzanspruch für unbegründet erachtet.

Die Klägerin sei zwar Begünstigte eines wirksamen Vermächtnisses, so der Senat. Dieses resultiere aus dem vom Erblasser zu Beginn des Jahres 2011 errichteten Testament. Es handle sich um ein Verschaffungsvermächtnis, da der vermachte Grundbesitz im Zeitpunkt des Erbfalls nicht im Alleineigentum des Erblassers gestanden habe, sondern nach wie vor im hälftigen Miteigentum seiner ersten Ehefrau.

Der Beklagte habe jedoch keine ihm als Testamentsvollstrecker der Klägerin als Vermächtnisnehmerin gegenüber obliegende Pflicht verletzt. Die Nichterfüllung des Vermächtnisses habe er nicht zu vertreten.

Eine schuldhafte Pflichtverletzung des Beklagten folge nicht bereits aus dem Umstand, dass er das der Klägerin ausgesetzte Vermächtnis nicht umgehend nach Eintritt des Erbfalls und insbesondere nicht vor der Nachlassinsolvenz erfüllt habe. Das Vermächtnis sei auf die Verschaffung eines zum Zeitpunkt des Erbfalls nicht zum Nachlass gehörenden Gegenstandes von einem Dritten, hier der ersten Ehefrau des Erblassers, gerichtet gewesen. Insoweit habe der Beklagte keine Pflicht verletzt, weil ihm die Verschaffung des Grundstücks mit Mitteln des Nachlasses nicht möglich gewesen sei. Durch die Veräußerung einer weiteren Immobilie des Nachlasses habe der Beklagte lediglich andere Darlehen tilgen und keine Mittel zur Enthaftung des der Klägerin vermachten Grundstücks erlangen können.

Die Klägerin könne dem Beklagten auch keine fehlerhafte Liquiditätsplanung vorhalten. Bis Ende des Jahres 2013 hätten die regelmäßigen Einnahmen des Nachlasses zum Bedienen aller fälligen Nachlassforderungen einschließlich der Zahlungen an die Erbinnen und die Klägerin ausgereicht. Dass der Nachlass dann nicht mehr liquide gewesen sei, habe der Beklagte nicht zu vertreten. Mit dem vollständigen Wegfall von Pachtzahlungen eines zum Nachlass gehörenden Hotelbetriebes ab Januar 2014 – der Pächter habe wegen bestehender Mängel die Pacht zuvor nur gemindert – habe er nicht rechnen müssen. Insoweit habe sich eine vom Erblasser kurz vor seinem Tode vorgenommene Vermögensdisposition ausgewirkt, deren Problematik erst später bekannt geworden sei.

Dem Beklagten sei auch nicht vorzuhalten, eine ordnungsgemäße Nutzung der zum Nachlass gehörenden Immobilien oder eine Erweiterung des Kreditrahmens versäumt zu haben. Ebenso lasse sich nicht feststellen, dass er den Insolvenzantrag ohne Not verfrüht gestellt und dann trotz erfolgversprechender Sanierungsbemühungen aufrechterhalten habe.

Die zunächst beim Bundesgerichtshof eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde (Az. BGH IV ZR 8/17) ist zurückgenommen worden, nachdem der Bundesgerichtshof die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt hat.

Quelle: OLG Hamm, Pressemitteilung vom 05.02.2018 zum Urteil 10 U 15/16 vom 06.04.2017 (rkr)