Treaty Override in § 50d Abs. 10 EStG: BVerfG stellt Verfahren zur rückwirkenden Anwendung ein

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat das Verfahren zur Zulässigkeit des rückwirkenden Treaty Override in § 50d Abs. 10 EStG eingestellt. Die Entscheidung folgt auf die Rücknahme einer entsprechenden Richtervorlage durch den Bundesfinanzhof.
👉 Beschluss vom 04.07.2025 – 2 BvL 15/14 (veröffentlicht am 17.07.2025)


Hintergrund: Treaty Override im internationalen Steuerrecht

Der § 50d Abs. 10 Einkommensteuergesetz (EStG) regelt die Besteuerung von Einkünften aus grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen zwischen einer Personengesellschaft und ihren Gesellschaftern. Die Norm überschreibt – im Wege des sog. Treaty Override – entgegenstehende Regelungen aus Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), insbesondere im Hinblick auf die Zurechnung und Besteuerung von Einkünften.

Die Vorschrift wurde im Jahr 2008 eingeführt und 2013 nachgebessert. Besonders umstritten war dabei die rückwirkende Anwendung auf bereits abgeschlossene Sachverhalte – eine Ausweitung, die steuerliche Planbarkeit und den Vertrauensschutz erheblich berührt.


Vorlage durch den BFH und Kritik an rückwirkender Anwendung

Der I. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hielt die Rückwirkung des § 50d Abs. 10 EStG in einem Verfahren aus dem Jahr 2000 für verfassungswidrig – konkret im Zusammenhang mit dem DBA zwischen Deutschland und Italien (BGBl. II 1990, 743 ff.). Mit Beschluss vom 11.12.2013 wurde das Verfahren ausgesetzt und dem BVerfG zur Prüfung vorgelegt.

Ziel der Vorlage war es, sowohl die Verfassungsmäßigkeit des Treaty Overrides selbst als auch dessen rückwirkende Anwendung gerichtlich überprüfen zu lassen.


Verfahrenseinstellung durch das Bundesverfassungsgericht

Mit nun veröffentlichtem Beschluss vom 04.07.2025 hat der Zweite Senat des BVerfG das Verfahren eingestellt. Grund ist ein Hinweis der Berichterstatterin, wonach die Vorlage den Anforderungen des Art. 100 Abs. 1 GG i. V. m. § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG nicht genügte:

  • Die Klage im Ausgangsverfahren betraf einen Feststellungsbescheid für eine GmbH & Co. KG.
  • In diesem Bescheid wurden auch Sachverhalte einbezogen, die atypisch stille Beteiligungen weiterer Personen betrafen – ein Vorgehen, das nach aktueller BFH-Rechtsprechung unzulässig ist.
  • Daraus folgte: Der angegriffene Bescheid wäre unabhängig von der Verfassungsmäßigkeit des § 50d Abs. 10 EStG aufzuheben gewesen. Die Norm war daher nicht entscheidungserheblich.

In Reaktion darauf hob der BFH seinen Vorlagebeschluss auf. Das BVerfG stellte das Normenkontrollverfahren folgerichtig ein.


Einordnung und Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung beendet vorerst die verfassungsrechtliche Prüfung des rückwirkenden Treaty Overrides in § 50d Abs. 10 EStG. Zwar bleibt die grundsätzliche Kritik an der Rückwirkung solcher Vorschriften bestehen, doch wird das BVerfG sich mit dieser konkreten Norm vorerst nicht inhaltlich befassen.

Für Berater:innen und international tätige Unternehmen bedeutet dies:
➡ Die Anwendung von § 50d Abs. 10 EStG bleibt weiterhin in Kraft – auch in rückwirkenden Fällen.
➡ Vertrauensschutz- und Rückwirkungsfragen bleiben ein offener Konfliktpunkt im internationalen Steuerrecht.
➡ Die genaue verfahrensrechtliche Ausgestaltung von Feststellungsbescheiden rückt erneut in den Fokus.


Quelle

📄 Bundesverfassungsgericht, Pressemitteilung vom 17.07.2025 zum Beschluss 2 BvL 15/14 vom 04.07.2025