Umfang der Beratungsbefugnis der Lohnsteuerhilfevereine nach § 4 Nr. 11 StBerG

I. Allgemein

Die Befugnis der Lohnsteuerhilfevereine zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen ist in § 4 Nr. 11 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) geregelt.

Lohnsteuerhilfevereine sind Selbsthilfeeinrichtungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und daher nur zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen gegenüber ihren Mitgliedern befugt (§ 13 Abs. 1 StBerG). Sie bedürfen der Anerkennung durch die Aufsichtsbehörde, in deren Bezirk sie ihren Sitz haben (§ 13 Abs. 2 und § 15 StBerG).

Die beschränkte geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen darf nur unter den in § 4 Nr. 11 StBerG genannten Voraussetzungen erfolgen. Sie schließt die Vertretung vor den Finanzgerichten ein, erstreckt sich jedoch nicht auf die Vertretung vor dem Bundesfinanzhof. Im Zusammenhang mit einer im Rahmen der Befugnis des § 4 Nr. 11 StBerG erbrachten Hilfeleistung in Steuersachen ist auch eine Annexberatung in nichtsteuerlichen Rechtsgebieten als Nebenleistung i. S. d. § 5 Abs. 1 des Gesetzes über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen (Rechtsdienstleistungsgesetz – RDG) zulässig.

Soweit Lohnsteuerhilfevereine den Rahmen ihrer Befugnisse überschreiten, verstoßen sie gegen das Verbot der unbefugten Hilfeleistung in Steuersachen (§ 5 Abs. 1 Satz 2 StBerG).

1. Zulässige beschränkte geschäftsmäßige Hilfeleis­tung in Steuersachen nach § 4 Nr. 11 StBerG

Lohnsteuerhilfevereine dürfen für ihre Mitglieder nur geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leisten, wenn diese Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, sonstige Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen (§ 22 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes – EStG), Einkünfte aus Unterhaltsleistungen (§ 22 Nr. 1a EStG) oder Einkünfte aus Leistungen nach § 22 Nr. 5 EStG erzielen (§ 4 Nr. 11 Satz 1 Buchst. a StBerG).

Die beschränkte geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen ist auch zulässig, wenn die Mitglieder (zusätzlich zu den vorgenannten Einkünften) Einnahmen – nicht Einkünfte – aus anderen Einkunftsarten i. S. d.
§ 4 Nr. 11 Satz 1 Buchst. c StBerG haben, die insgesamt die Höhe von 18.000 Euro, im Falle der Zusammenveranlagung von 36.000 Euro, nicht übersteigen. Bei der Ermittlung der vorgenannten Betragsgrenzen sind auch solche Einnahmen einzubeziehen, die im Rahmen einer gesonderten und einheitlichen Feststellung von

Überschusseinkünften zu berücksichtigen sind. Dabei ist unbeachtlich, ob der Lohnsteuerhilfeverein für das Feststellungsverfahren eine Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen hat (vgl. Abschnitt II). Einnahmen aus Einkünften, die im Veranlagungsverfahren nicht zu erklären sind und auch nicht auf Grund eines Antrags des Steuerpflichtigen erklärt werden, sind bei der Ermittlung der Betragsgrenze nicht einzubeziehen (vgl. Abschnitt IV, Beispiel 8).

Sind die Voraussetzungen des § 4 Nr. 11 Satz 1 StBerG erfüllt, so umfasst die Befugnis zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen

  • die allgemeine Beratung bei den in § 4 Nr. 11 Satz 1 Buchst. a und c StBerG genannten Einkünften und Einnahmen,
  • die Hilfeleistung bei der Bildung von Freibeträgen oder sonstigen Angaben für das Lohnsteuerermäßigungsverfahren,
  • die Hilfeleistung bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung einschließlich der erforderlichen Anlagen,
  • die Hilfeleistung bei Anträgen zur Freistellung oder Anrechnung von Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer,
  • die Hilfeleistung im Einspruchs- und Klageverfahren gegen den Einkommensteuerbescheid einschl. Aussetzung der Vollziehung und
  • die Hilfeleistung im Erhebungsverfahren (Stundung und Erlass, Vollstreckung).

Soweit die beschränkte geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen nach § 4 Nr. 11 Satz 1 StBerG zulässig ist, berechtigt sie nach § 4 Nr. 11 Satz 3 StBerG auch zur Hilfeleistung bei

  • der Eigenheimzulage nach dem Eigenheimzulagengesetz (EigZulG),
  • mit Kinderbetreuungskosten i. S. v. § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG sowie mit haushaltsnahen Beschäftigungsverhältnissen i. S. d. § 35a Abs. 1 EStG zusammenhängenden Arbeitgeberaufgaben (vgl. Abschnitt IV, Beispiel 4).
  • Sachverhalten des Familienleistungsausgleichs im Sinne des Einkommensteuergesetzes,
  • sonstigen Zulagen und Prämien, auf die die Vorschriften der Abgabenordnung (AO) anzuwenden sind, z. B. der Altersvorsorgezulage nach Abschnitt XI des Einkommensteuergesetzes.

Mitglieder, die arbeitslos geworden sind, dürfen weiterhin beraten werden (§ 4 Nr. 11 Satz 4 StBerG).

2. Unzulässige Hilfeleistung in Steuersachen nach § 4 Nr. 11 StBerG

Nach § 4 Nr. 11 StBerG ist die beschränkte geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen in folgenden Fällen unzulässig:

  • Es werden Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbstständiger Arbeit erzielt oder umsatzsteuerpflichtige Umsätze ausgeführt (§ 4 Nr. 11 Satz 1 Buchst. b StBerG; vgl. Abschnitt IV, Beispiele 1 und 2), es sei denn, die den Einkünften zugrundeliegenden Einnahmen sind nach § 3 Nr. 12, 26, 26a oder 26b EStG in voller Höhe steuerfrei (vgl. Abschnitt IV, Beispiel 3).
  • Die Einnahmen aus anderen Einkunftsarten i. S. d. § 4 Nr. 11 Satz 1 Buchst. c StBerG übersteigen die dort genannten Betragsgrenzen (vgl. Abschnitt IV Beispiel 8). § 4 Nr. 11 Satz 1 Buchst. c StBerG stellt grundsätzlich auf den Einnahmebegriff des § 8 Abs. 1 EStG ab. In den Fällen des § 20 Abs. 2 EStG und § 22 Nr. 2, § 23 EStG ist der sich nach § 20 Abs. 4 EStG bzw. § 23 Abs. 3 EStG ergebende Betrag maßgebend.

Dem Lohnsteuerhilfeverein ist in diesen Fällen die beschränkte geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuer­sachen nicht nur für diese (schädlichen) Einkünfte und Einnahmen, sondern insgesamt nicht gestattet. Dies gilt auch für die Beantragung der Forschungszulage nach dem Forschungszulagengesetz (FZulG), da Anspruchsberechtigte ausschließlich solche mit Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit sind.

Die Befugnis zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfe­leistung in Steuersachen kann in diesen Fällen auch nicht teilweise dadurch begründet werden, dass für die Gewinneinkünfte oder umsatzsteuerpflichtigen Umsätze zusätzlich ein Steuerberater tätig wird oder der Arbeitnehmer diese Einkünfte selbst ermittelt und erklärt (Verbot der Mandatsteilung, vgl. BFH-Urteil vom 28. Februar 1989, BStBl II S. 384).

Die Befugnis zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach § 4 Nr. 11 StBerG erstreckt sich nur auf die Hilfeleistung bei der Einkommensteuer und ihren Zuschlagsteuern. Somit sind Lohnsteuerhilfevereine insbesondere nicht zur Hilfeleistung befugt:

  • beim Steuerabzug von Vergütungen für im Inland erbrachte Bauleistungen (§§ 48 ff. EStG, vgl. Abschnitt IV Beispiel 6),
  • in Fällen der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) sowie
  • bei Erklärungen im Zusammenhang mit dem ab dem Jahr 2025 anzuwendenden Grundsteuerrecht.

II. Besonderheiten der Hilfeleistung im Feststellungsverfahren

In Feststellungsverfahren i. S. d. §§ 179 ff. AO hinsichtlich Gewinneinkünften sind Lohnsteuerhilfevereine nicht zur Hilfeleistung in Steuersachen befugt. Der Lohnsteuerhilfeverein darf die Gewinneinkünfte auch nicht ungeprüft in die Einkommensteuererklärung übernehmen (§ 4 Nr. 11 Satz 1 Buchst. b StBerG).

Bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Überschusseinkünften und mit ihnen im Zusammenhang stehenden anderen Besteuerungsgrundlagen, der steuererheblichen Sachumstände nach § 180 Abs. 5
AO sowie des Abzugsbetrags nach § 10e EStG ist die Hilfeleistung in Steuersachen nur zulässig, wenn alle Beteiligten Mitglieder des die Hilfe leistenden Lohnsteuerhilfevereins sind und jeder Beteiligte die Voraussetzungen des § 4 Nr. 11 Satz 1 StBerG erfüllt (vgl. Abschnitt IV, Beispiele 9 und 10). Ist dies nicht der Fall, ist die Befugnis des Lohnsteuerhilfevereins zur Hilfeleistung im Feststellungsverfahren gegenüber sämtlichen Beteiligten ausgeschlossen. Der Lohnsteuerhilfeverein darf jedoch den gesondert und einheitlich festgestellten Überschuss bzw. Abzugsbetrag der Beteiligten, gegenüber denen die Hilfeleistung (außerhalb des Feststellungsverfahrens) zulässig ist, nachrichtlich in deren Einkommensteuererklärung übernehmen.

In Feststellungsverfahren i. S. d. §§ 179 ff. AO hinsichtlich der Bemessungsgrundlagen für die Eigenheimzulage nach dem Eigenheimzulagengesetz ist ein Lohnsteuerhilfeverein zur Hilfeleistung in Steuersachen nur dann befugt, wenn alle Anspruchsberechtigten Mitglieder dieses Lohnsteuerhilfevereins sind und jeder Anspruchsberechtigte die Voraussetzungen des § 4 Nr. 11 Satz 1 StBerG erfüllt. Ist dies nicht der Fall, darf der Lohnsteuerhilfeverein lediglich den gesondert und einheitlich festgestellten Betrag der Anspruchsberechtigten, gegenüber denen die Hilfeleistung (außerhalb des Feststellungsverfahrens) zulässig ist, nachrichtlich in deren Eigenheimzulageantrag übernehmen.

III. Besonderheiten der Hilfeleistung beim Verlustabzug nach § 10d EStG

Liegen die Voraussetzungen des § 4 Nr. 11 Satz 1 StBerG vor, so umfasst die Befugnis zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen auch die Übernahme des verbleibenden Verlustabzugs nach § 10d EStG, selbst wenn er aus den in § 4 Nr. 11 Satz 1 Buchst. b StBerG genannten Einkünften resultiert (vgl. Abschnitt IV Beispiel 7). Gleiches gilt für die Befugnis zur Hilfeleistung bei der Verteilung des Verlustabzugs.

IV. Beispiele

(…)

Diese Erlasse treten mit Veröffentlichung im Bundessteuerblatt Teil I an die Stelle der Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 15. Januar 2010 (BStBl I S. 66).

  • Erlass des BMF

Quelle: FinMin Baden-Württemberg, Erlass FM3 – S-0820-2/75 (gleich lautender Ländererlass) vom 15.11.2021