Umsatzsteuer: Wer aufgrund von zeitlich befristeten Rahmenvereinbarungen über einen längeren Zeitraum im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig ist, ist mangels selb-ständiger Tätigkeitsausübung kein Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinne, auch wenn der Auftraggeber nach den geschlossenen Verträgen nicht zur Erteilung bzw. Annah-me einzelner Aufträge verpflichtet ist, Urteil des 5. Senats vom 2.8.2013, 5 K 52/10, rechtskräftig.

FINANZGERICHT HAMBURG
Az.: 5 K 52/10
Urteil des Einzelrichters vom 02.08.2013
Rechtskraft: rechtskräftig
Normen: UStG § 2, RL 77/388/EWG Art. 4 Abs. 1
Leitsatz: Programmgestaltende Mitarbeiter einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt, die aufgrund von zeitlich befristeten Rahmenvereinbarungen über einen längeren Zeitraum beschäftigt und im Wesentlichen für nur einen Auftraggeber tätig werden, können, auch wenn nach den geschlossenen Verträgen keine Verpflichtung zur Erteilung bzw. Annahme einzelner Aufträge besteht, ihre berufliche Tätigkeit i. S. d. § 2 UStG nicht selbständig ausüben mit der Folge, dass sie keine Unternehmer im umsatzsteuerrechtlichen Sinne sind.
Überschrift: Umsatzsteuer: Keine Umsatzsteuerpflicht einer programmgestaltenden Mitarbeiterin einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin als Journalistin für den Sender A (nachfolgend: A) in den Streitjahren eine berufliche Tätigkeit selbstständig ausübte und damit als Unternehmerin im umsatzsteuerlichen Sinne zu qualifizieren ist.
Die Klägerin war als programmgestaltende freie Mitarbeiterin im Wesentlichen für den A tätig. Die Beschäftigung erfolgte seit dem … 2000 auf Basis zeitlich (zumeist auf ein Jahr) befristeter, wiederholt zwischen der Klägerin und dem A geschlossener standardisierter Rahmenvereinbarungen (vgl. Anlagen Ef 1 bis Ef 6 zum Schriftsatz der Klägerin vom 29.03.2010 im Anlagenband).
Diese Rahmenvereinbarungen wiesen im Wesentlichen den folgenden (gleichlautenden) Regelungsgehalt auf: Der A beabsichtigte die Klägerin als programmgestaltende Mitarbeiterin zu beschäftigen, und zwar als Realisatorin, Moderatorin, Reporterin und Autorin (Ziffer 1.). Der Umfang der Tätigkeit der Klägerin für den A hing ausschließlich davon ab, ob und inwieweit sie und der A zusammenarbeiten wollten bzw. sich von Fall zu Fall über den jeweiligen Auftrag einigten. Weder war die Klägerin verpflichtet, dem A über die Dauer eines übernommenen Einzel-Auftrags hinaus zur Verfügung zu stehen, noch war der A gehalten, die Klägerin zu beschäftigen (Ziffer 2.). Der A und die Klägerin schlossen für jede Produktion, Mitwirkung, Autorenleistung oder sonstige inhaltlich programmgestaltende Tätigkeit gesonderte Einzelvereinbarungen ab. Für diese Einzelvereinbarungen und in Ergänzung zu ihnen wurde die Rahmenvereinbarung geschlossen (Ziffer 3.1). Die Klägerin konnte diese Vereinbarungen jederzeit mit einer Frist von vier Wochen zum Monatsende kündigen; vom A konnten die Vereinbarung nur aus wichtigem Grund gekündigt werden (Ziffer 5).
Für die Funktion der programmgestaltenden Mitarbeiterin fand ausweislich der Ziffer 3.3 der Rahmenvereinbarung im Übrigen der Tarifvertrag für befristete Programmmitarbeit in der jeweils geltenden Fassung Anwendung (vgl. Anlage Ef 8 zum Schriftsatz vom 29.03.2010 der Klägerin im Anlagenband, insbesondere Anlage 1 des Tarifvertrags). Darin hieß es unter Ziffer II. 3. in Bezug auf die
Einzelvereinbarung der Produktionsaufträge: „Die Beauftragung einer nach diesem Tarifvertrag befristet beschäftigten Programmmitarbeiterin soll in der Regel durch eine schriftliche Vereinbarung erfolgen, die den Hinweis enthält, dass es sich um eine Tätigkeit im Rahmen dieses Tarifvertrags handelt. Erfolgt die Beauftragung mündlich, so wird sie schriftlich bestätigt.“ Gemäß Ziffer III. des Tarifvertrags unterlag die Klägerin daneben grundsätzlich keinen Beschränkungen in Bezug auf die anderweitige Verwertung ihrer Arbeitskraft. Ferner enthielt der Tarifvertrag in Ziffer IV. eine soziale Bestandsschutzregelung zugunsten der Klägerin. Neben weiteren, im Einzelnen dort festgelegten Voraussetzungen war dort ausgeführt: „Eine nach diesem Tarifvertrag befristet beschäftigte Programmmitarbeiterin hat Bestandsschutz, wenn der A die Beschäftigung beendet oder deren Umfang dauerhaft wesentlich verringert.“ Bei festgestellter Beendigung oder wesentlicher Verringerung der Beschäftigung stand dem Beschäftigten ein nach Gesamtdauer der Beschäftigung und Jahresdurchschnittshonorar zu berechnendes Übergangsgeld zu. Laut Ziffer V. des Tarifvertrags hatte die Klägerin daneben Anspruch auf bezahlten Urlaub, auf Zahlungen im Krankheitsfall sowie auf Zuschüsse bei Schwangerschaft nach Maßgabe der entsprechenden Tarifverträge für arbeitnehmerähnliche Personen (vgl. Anlagen Ef 9 bis Ef 11 zum Schriftsatz der Klägerin vom 29.03.2010 im Anlagenband).
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die genannten Verträge Bezug genommen.
In den Streitjahren lag der Tätigkeitsschwerpunkt der Klägerin bis zum 30.06.2006 in der Realisierung von mehr als 340 Fernsehbeiträgen für die Sendung „XX“, einem täglich gesendeten Vorabendprogramm mit aktuellen und … Bezügen. Die Klägerin erstellte Magazinfilme, Portraits und Reportagen mit einer Länge von bis zu 5 Minuten. Des Weiteren erstellte sie als sog. Aktuellreporterin kurzfristig tagesaktuelle Filmbeiträge und lieferte tagesaktuelles Drehmaterial. Darüber hinaus übernahm sie seit 2003 die kreative Entwicklung und Umsetzung von Auftritten prominenter Talkgäste einschließlich der Fertigung von Einspielfilmen und Trailern. Zu den Hauptaufgaben der Klägerin im Einzelnen gehörten zu dieser Zeit die eigenständige Themenrecherche in den Bereichen Wirtschaft, Gesellschaft, Gesundheit und Soziales, die Koordination von Dreharbeiten (Erstellung von Drehplänen, Bestimmung der Drehorte, Auswahl von Interviewpartnern, Führen der Kamerateams), das Führen von Interviews, die Leitung des Editings (Sichten von Filmmaterial, Festlegung der Bildabfolge, Auswahl der zentralen Interviewaussagen, Anleitung des Cutters, Festlegung der Filmeffekte, Auswahl der Filmmusik) sowie das Schreiben und Sprechen der Filmtexte.
Mit Wirkung zum 01.07.2006 verlagerte sich der Tätigkeitsschwerpunkt der Klägerin vom Programmbereich Fernsehen/Vorabendmagazine in das Landesfunkhaus B/Fernsehen, wo sie vornehmlich Beiträge für das „B …“ erstellte.
Die monatlichen Vergütungen, die die Klägerin für diese Tätigkeiten vom A erhielt, beliefen sich in den Streitjahren auf folgende Beträge:
Monat 2003 2005 2006
Januar 4.255,04 € 2.673,53 € 4.502,19 €
Februar 2.460,94 € 5.204,13 € 6.508,84 €
März 5.211,37 € 2.845,18 € 5.193,96 €
April 3.839,61 € 4.703,61 € 3.730,13 €
Mai 3.804,84 € 4.075,23 € 5.538,30 €
Juni 3.746,13 € 5.960,87 € 6.683,37 €
Juli 4.702,58 € 5.811,92 € 1.957,20 €
August 8.284,22 € 3.360,46 € 4.762,04 €
September 4.104,28 € 6.363,05 € 6.945,18 €
Oktober 5.077,02 € 4.876,86 € 2.000,10 €
November 4.840,89 € 5.252,91 € 5.615,00 €
Dezember 3.451,76 € 3.985,10 € 3.903,00 €
Gesamtbrutto 56.740,13 € 57.317,36 € 59.632,84 €
Darin enthalten waren die folgenden Urlaubsgelder und Zahlungen im Krankheitsfall:
2003 2005 2006
Urlaub 4.033,08 € 5.357,84 € 3.019,60 €
Krankheit – – 2.022,44 €
Auf die hierzu vorgelegten Aufstellungen wird ebenfalls Bezug genommen (Anlage Ef 12 zum Schriftsatz der Klägerin vom 29.03.2010 im Anlagenband).
Mit Ablauf des … 2010 endete vertragsgemäß die befristete Zusammenarbeit zwischen dem A und der Klägerin. Der A hatte der Klägerin bereits mit Schreiben vom 23.10.2007 mitgeteilt, dass eine Verlängerung der am …/… 2007 geschlossenen (letzten) Rahmenvereinbarung nicht beabsichtigt sei, und die Klägerin aufgefordert, sich rechtzeitig bei einer Niederlassung der Bundesagentur für Arbeit als Arbeitssuchende zu melden, da anderenfalls eine Kürzung eventueller Ansprüche auf Arbeitslosengeld drohe (vgl. Anlage K29 zum Schriftsatz der Klägerin vom 12.11.2011 im Anlagenband).
Aufgrund des Tarifvertrags hatte die Klägerin nach Beendigung ihrer Tätigkeit einen Anspruch auf Bestandsschutzzahlungen gegen den A i. H. v. acht Monatsentgelten à 4.324,46 €, zahlbar in den Monaten August 2010 bis März 2011, insgesamt also i. H. v. 34.595,68 € (vgl. Anlage K32 zum Schriftsatz der Klägerin vom 12.11.2011 des Anlagenbands). Dies entsprach etwa 60 vom Hundert der in den Streitjahren jeweils erzielten Bruttoeinnahmen.
Die Klägerin hatte für die Streitjahre Umsatzsteuererklärungen abgegeben, denen zufolge sie ganz überwiegend dem ermäßigten Steuersatz unterliegende Leistungen aus einer freiberuflichen Tätigkeit als Journalistin erbrachte. Die erklärten Umsätze zu 7 v. H. beliefen sich auf 52.520 € (2003), 55.888 € (2005) und 55.811 € (2006); daneben hatte die Klägerin noch Umsätze (sonstige Leistungen) zu 16 v. H. von 159 € (2003), 1.453 € (2005) und 251 € (2006) erklärt.
Die Klägerin legte im Dezember 2008 und Januar 2009 berichtigte Umsatzsteuererklärungen vor, mit denen sie Umsätze zu 7% von nur noch 27.795 € (2003), 2.320 € (2005) und 0 € (2006) sowie Umsätze zu 16% von 1.453 € (2005) und 251 € (2006) geltend machte. Hinsichtlich des Jahres 2003 trug die Klägerin vor, dass der bislang der Umsatzbesteuerung unterworfene Betrag unzutreffend sei; den beigefügten Honorarbescheinigung des A zufolge habe die Klägerin in erheblichem Umfang Einnahmen aus nicht selbständiger Arbeit erzielt, die nicht der Umsatzsteuer unterlägen (s. Anlage K2 zum Schriftsatz der Klägerin vom 29.03.2010 im Anlagenband). Hinsichtlich der Jahres 2005 und 2006 verwies die Klägerin darauf, dass sie in diesen Jahren überwiegend Einnahmen aus nicht selbständiger Arbeit
erzielt habe; gem. Ziff. 1.3.4. des Künstlererlasses vom 05.10.1990 (BStBl. I S. 638) bestehe damit vollständige Umsatzsteuerfreiheit. Auch hierzu legte die Klägerin Honorarbescheinigungen des A vor (vgl. Anlagen K5 und K7 zum Schriftsatz der Klägerin vom 29.03.2010 im Anlagenband).
Auf Nachfragen des von dem Beklagten eingeschalteten Finanzamts für Großunternehmen teilte der A mit Schreiben vom 09.07.2009 mit, dass die Klägerin nach den geschlossenen Rahmenvereinbarungen als Autorin, Moderatorin, Realisatorin und Reporterin eingesetzt werden „kann“. Für jeden Einzeleinsatz würden gesonderte Vereinbarungen geschlossen, die allerdings auch mündlich erfolgen könnten. Weder sei die Klägerin verpflichtet, die von dem A angebotenen Aufträge anzunehmen, noch sei der A verpflichtet, der Klägerin regelmäßig Aufträge anzubieten. Auf das Schreiben des A vom 09.07.2009 wird Bezug genommen (Bl. 49 der Umsatzsteuerakten, Bd. III).
Mit Bescheid vom 04.11.2009 lehnte der Beklagte die Änderungsanträge ab. Der Einspruch der Klägerin vom 24.11.2009 wurde mit Einspruchsentscheidung vom 05.03.2010 als unbegründet zurückgewiesen.
Am 30.03.2010 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie trägt unter Bezugnahme auf ihre Einspruchsbegründung vor, dass sie nach den vom Bundesfinanzhof (BFH) in seiner Entscheidung vom 25.06.2009 (Aktz. V R 37/08) dargestellten Abgrenzungsmerkmalen zur Differenzierung zwischen einer selbstständigen und einer nichtselbstständigen Tätigkeit in den Streitjahren keine umsatzsteuerpflichtigen Umsätze erzielt habe.
Als Beschäftigte des A habe sie auf Grundlage der Rahmenverträge Leistungen erbracht, bei denen eine erhöhte Weisungsgebundenheit bezüglich Ort, Zeit und Inhalt der jeweiligen Tätigkeit bestanden habe. Dies gelte insbesondere für Livereportagen. Eine Livereportage werde notwendigerweise zu einem vom A bestimmten Zeitpunkt in das laufende Programm eingespielt. Zu diesem Zweck habe sie sich also genau zu diesem Zeitpunkt an dem Ort des Geschehens befinden müssen. In dem laufenden Programm werde eine Livereportage außerdem durch einen kleinen Einspielfilm und/oder eine Anmoderation eingeleitet. Deswegen gebe es in solchen Fällen die inhaltliche Vorgabe, dass sich Texte und Bilder aus dem Einspielfilm und der Anmoderation innerhalb der Livereportage nicht wiederholen dürften.
Im Rahmen der Erstellung von Filmbeiträgen sei sie bezogen auf die Arbeitsschritte „Realisation“ (Dreharbeiten und Schnitt des Beitrags) und „Sprechen“ (Vertonung des Beitrags mit eigenem Text) in den Betrieb des A eingegliedert und auf Mitarbeiter des A angewiesen gewesen. Der A stelle ihr Kameraleute, Tontechniker und Beleuchter unentgeltlich zur Verfügung, damit ein Beitrag gedreht werden könne. Nach den Dreharbeiten müsse sie sich für einen Schnittplatz in den Räumlichkeiten des A anmelden. Zusammen mit einem Cutter werde der Beitrag dann geschnitten. Für das Sprechen der Texte müsse sie sich erneut anmelden, um einen Arbeitsplatz in den Räumlichkeiten des A unentgeltlich nutzen zu können, der über die dafür erforderliche technische Ausstattung verfüge. Die Eingliederung in den Betrieb des A ergebe sich nicht zuletzt auch daraus, dass sie bestimmten Vorgaben hinsichtlich der Sendelänge eines Beitrags unterliege. So hätten in den streitgegenständlichen Jahren die für die Arbeitsschritte „Realisation“ und „Sprechen“ vom A gezahlten Entgelte zzgl. des Urlaubsgeldes, des Zuschusses für den Krankheitsfall und des
Arbeitgeberanteils zur Sozialversicherung mehr als die Hälfte der vom A gezahlten Bezüge ausgemacht (vgl. detaillierte Aufstellung zu Punkt 4 der Einspruchsbegründung vom 15.01.2009).
Auch trage sie kein Unternehmerrisiko. Dies zeige sich schon daran, dass in dem zwischen ihr und dem A geltenden Tarifvertrag für befristete Programmmitarbeit ein sozialer Bestandsschutz zu ihren Gunsten geregelt sei. Ausweislich dieser Regelung erhalte sie u. a. Zahlungen vom A, wenn das übliche Auftragsvolumen zurückgehe, so dass sie gerade nicht das Vergütungsrisiko trage, welches ein Selbstständiger regelmäßig zu tragen habe. Dass derartige Zahlungen an sie selbst nicht erfolgt seien, weil das Auftragsvolumen zu keiner Zeit in dem dafür erforderlichen Maße zurückgegangen sei, sei unerheblich. Zudem würden die geltenden Tarifverträge Zuschüsse in der Schwangerschaft, bezahlten Urlaub und Zahlungen im Krankheitsfall vorsehen. Die im streitgegenständlichen Zeitraum erhaltenen Zahlungen für die beiden letztgenannten Positionen ergäben sich aus einer entsprechenden Aufstellung des A (Anlage Ef 12 zum Schriftsatz der Klägerin vom 29.03.2010 im Anlagenband). Daneben habe sie in sämtlichen Jahren Arbeitgeberzuschüsse zur Sozialversicherung erhalten (s. ebenfalls Anlage Ef 12 zum Schriftsatz der Klägerin vom 29.03.2010 im Anlagenband). Wer selbstständig tätig sei, erhalte derartige Zuschüsse jedoch nicht.
Ferner schulde sie dem A lediglich ihre Arbeitskraft, nicht aber einen Arbeitserfolg. Dementsprechend habe sie in verschiedenen Fällen auch für letztlich nicht hergestellte Fernsehbeiträge Gelder vom A wegen der von ihr geleisteten Recherchetätigkeiten und Bemühungen erhalten (vgl. umfassend Punkt 2, lit. b, aa bis ff der Einspruchsbegründung vom 15.01.2009 samt Anlagen Ef 13 bis 17 im Anlagenband).
Daneben sei zu berücksichtigen, dass sie in den streitgegenständlichen Veranlagungszeiträumen im Wesentlichen nur für den A tätig gewesen sei. Andere Vertragspartner habe es entweder gar nicht oder nur mit einem unerheblichen Volumen gegeben: Im Jahr 2003 sei ein Honoraranteil von 95,82 Prozent (Rest: Sender C und Sender D) auf den A entfallen, im Jahr 2005 von 95,85 Prozent (Rest: Sender C) und im Jahr 2006 sogar 100 Prozent.
Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass der A ihr in den streitbefangenen Veranlagungszeiträumen Gutschriften erteilt habe, die keine Umsatzsteuer ausgewiesen hätten. Bei der Aufteilung der Vergütung habe der A die Arbeitsschritte Treatment und Recherche sowie das Schreiben der Texte als freiberuflich angesehen und die Arbeitsschritte Realisation (Dreh und Schnitt) sowie das Sprechen der Texte als nicht selbständige Tätigkeit. Ihrer Auffassung nach sei es aber nicht möglich, die Erstellung eines Filmbeitrags in dieser Weise verschiedenen Einkunftsarten zuzuordnen, wenn die einzelnen Arbeitsschritte wie in ihrem Fall von derselben Person durchgeführt würden.
Die Klägerin hat zunächst beantragt, den Ablehnungsbescheid vom 04.11.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.03.2010 aufzuheben und die Umsatzsteuer 2003, 2005 und 2006 entsprechend der Anträge vom 15. und 21.12.2008 sowie 12.01.2009 festzusetzen. Im Erörterungstermin vom 20.02.2013 hat die Klägerin erklärt, dass sie inzwischen der Auffassung sei, auch in Bezug auf das Streitjahr 2003 müsse die gesamt vom A gezahlte Vergütung als nicht umsatzsteuerpflichtig behandelt werden.
Die Klägerin beantragt nunmehr (sinngemäß),
den Ablehnungsbescheid vom 04.11.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.03.2010 aufzuheben und die Festsetzung der Umsatzsteuer für 2003, 2005 und 2006 dahingehend zu ändern, dass die vom A gezahlten Vergütungen vollständig als nicht umsatzsteuerpflichtig behandelt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte vertritt die Auffassung, dass die Klägerin in den Streitjahren in dem festgestellten Umfang selbstständig tätig i. S. d. UStG gewesen ist.
Die Klägerin habe in den Streitjahren Unternehmerinitiative entfaltet. Sie sei im Hinblick auf ein vom A vorgegebenes Recherchethema in der Art der Ausführung eines Filmbeitrags völlig frei gewesen. Sie habe Art, Ort und Zeit ihrer Tätigkeit im Wesentlichen frei bestimmen können und sei auch nicht daran gebunden gewesen, ihre Aufträge in den Räumlichkeiten des A durchzuführen. Zudem habe sie dem A eigene Themenvorschläge unterbreitet.
Ferner sei es der Klägerin nach der Rahmenvereinbarung möglich gewesen, neben der Tätigkeit für den A auch mit anderen Auftraggebern Verträge zu schließen; es habe in einem solchen Fall nicht einmal eine Anzeigepflicht gegenüber dem A bestanden. Hiervon habe die Klägerin Gebrauch gemacht. Ein Arbeitnehmer hingegen könne in der Regel nicht für einen zweiten Arbeitgeber tätig werden, es sei denn, der Arbeitgeber erkläre ausdrücklich seine Zustimmung.
Nach den vertraglichen Vorgaben sei die Klägerin bis hin zur Erstellung des fertigen Filmbeitrags zu keinem Zeitpunkt in irgendeiner einem Arbeitnehmer vergleichbaren Form weisungsgebunden gewesen; vielmehr habe sie einer journalistischen Gestaltungsfreiheit unterlegen. Selbst feste Abgabezeitpunkte für die Filmbeiträge führten zu keiner anderen Beurteilung.
Auch schulde die Klägerin dem A nicht ihre Arbeitskraft, sondern lediglich einen Arbeitserfolg. Ihre Beauftragung liege darin, für den A fertige Filmbeiträge für das Vorabendprogramm zu erstellen. Sie habe es in der Hand gehabt, durch eine effiziente Aufgabenerledigung die von dem A dafür veranschlagten Gelder „schnell“ zu verdienen. Für diese Annahme spreche auch, dass der A der Klägerin bei Wiederholung eines ihrer Beiträge ein Wiederholungshonorar zahle. Weder sei die Klägerin in Dienstpläne eingeteilt noch zu ständiger Dienstbereitschaft verpflichtet gewesen noch habe sie ohne entsprechende Vereinbarungen gegen ihren Willen zur Erfüllung von zugewiesenen Aufgaben vom A herangezogen werden können. Ausnahmen seien lediglich die nicht regelmäßig, besonders vereinbarten Bereitschaftsdienste gewesen, die der Klägerin aber auch jeweils gesondert vergütet worden seien.
Schließlich sei die Klägerin in aller Regel nicht nach Arbeitszeit und damit nach festen Bezügen, sondern fast ausschließlich über sog. „Stückhonorare“ vergütet worden. Überstundenvergütungen seien ebenfalls nicht Vertragsbestandteil gewesen.
Die Klägerin habe auch weder notwendig in enger ständiger Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern gestanden noch sei sie notwendig in den Betrieb des A eingegliedert gewesen. Zwar habe sie bei der Erstellung der Filmbeiträge auf Einrichtungen, Ausstattung und Personal des A zurückgreifen können, jedoch habe sie sich dabei in den einzelnen Arbeitsschritten nicht in betriebliche Organisationen oder Hierarchien einordnen müssen, sondern habe die jeweiligen Aufgaben unter Zuhilfenahme des von ihr benötigten Personals eigenverantwortlich und unabhängig erledigt. Aus der Nutzung von Ausstattung und Personal des Auftraggebers folge mitnichten eine Eingliederung in den Betrieb des A.
Auch nach dem zur lohnsteuerlichen Einordnung von selbstständigen und nichtselbstständigen Tätigkeiten ergangenen BMF-Schreiben vom 05. Oktober 1990, BStBl I 1990, 638 (sog. Künstlererlass), werde die Tätigkeit der Klägerin unter Ziffer 1.3.3. in Beispiel b) als selbstständig behandelt.
Letztlich sei im Hinblick auf das Unternehmer- und damit das Vergütungsrisiko zwar richtig, dass die Klägerin vom A zusätzliche Leistungen in Form der Übernahme von Beiträgen zur Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie zur Arbeitslosenversicherung erhalten habe; jedoch könne nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 25. Juni 2009, V R 37/08) der arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Einordnung der Tätigkeit allenfalls indizielle Bedeutung für die umsatzsteuerliche Bewertung zukommen. Zudem sei die Tätigkeit der Klägerin, trotz der ihr gewährten arbeitnehmerähnlichen Sonderrechte, auch nach der arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Einordnung als selbstständig einzustufen.
Die Streitsache ist mit den Beteiligten erörtert worden. Im Rahmen des Erörterungstermins hat die Klägerin u. a. erklärt, dass sich die in der Anlage EF 12 aufgeführten Tätigkeiten ausschließlich auf eigene, von ihr selbst erstellte Beiträge bezögen; für andere Journalisten habe sie weder Konzepte erstellt noch Recherchen durchgeführt. Während ihrer Tätigkeit für die XX-Redaktion habe sie im A Schreibtische genutzt, die dort für freie Mitarbeiter vorgehalten würden. Während ihrer Tätigkeit für das B … habe sie einen eigenen Schreibtisch im A gehabt, der in einem Büro gestanden habe, das sie sich mit einem anderen freien Mitarbeiter geteilt habe. Einen eigenen Schlüssel habe sie auch gehabt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift über den Erörterungstermin vom 20.02.2013 Bezug genommen.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet und erklärt, dass sie mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden sind.
Dem Gericht haben zwei Bände Umsatzsteuerakten (Band II und III) und ein Band Rechtsbehelfsakten (Band I) vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
1. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten durch den Berichterstatter (§ 79a Abs. 3 und 4 FGO) und ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO).
2. Die Erweiterung des Klageantrags in Bezug auf das Streitjahr 2003 (erst) im Erörterungstermin ist gem. § 155 FGO i. V. m. § 264 Nr. 2 ZPO statthaft; es handelt sich insbesondere nicht um eine Klageänderung i. S. d. § 67 FGO. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Klägerin mit der betragsmäßigen Bezifferung ihres Klagebegehrens bezüglich der Umsatzsteuer für 2003 in der Klageschrift von einem weitergehenden Klagebegehren absehen wollte (vgl. BFH-Urteil vom 19.12.1991 V R 35/87, BFH/NV 1992, 569 in Bezug auf die Umsatzsteuer; s. allg. auch BFH, Beschluss des Großen Senats vom 23.10.1989 GrS 2/87, BStBl. II 1990, 327; ferner Schallmoser, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 67 FGO Rz. 38 ff.; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 67 Tz. 3; krit. dagegen von Groll, in: Gräber, FGO, § 67 Rz. 3).
3. Die angefochtene Ablehnung der Änderungsanträge der Klägerin vom 15. und 21.12.2008 sowie vom 12.01.2009 auf Herabsetzung der Umsatzsteuer für die Jahre 2003, 2005 und 2006 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 FGO).
Die Klägerin ist keine Unternehmerin i. S. d. § 2 UStG.
a) Unternehmer ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Nach § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG ist gewerblich oder beruflich jede Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet sind.
Diese Vorschriften beruhen gemeinschaftsrechtlich auf Art. 4 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG gilt als Steuerpflichtiger, wer eine der in Abs. 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis. Gemäß Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG schließt der in Abs. 1 verwendete Begriff „selbständig“ Lohn- und Gehaltsempfänger und sonstige Personen von der Besteuerung aus, soweit sie an ihren Arbeitgeber durch einen Arbeitsvertrag oder ein sonstiges Rechtsverhältnis gebunden sind, das hinsichtlich der Arbeitsbedingungen und des Arbeitsentgelts sowie der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers ein Verhältnis der Unterordnung schafft.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind die einzelnen Merkmale, die für und gegen die Selbständigkeit i. S. v. § 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG sprechen, unter Berücksichtigung des Gesamtbilds der Verhältnisse gegeneinander abzuwägen (BFH-Urteile vom 25.06.2009 V R 37/08, BStBl. II 2009, 873, unter II.1.b; und vom 10.03.2005 V R 29/03, BStBl II 2005, 730, unter II. a). Selbständigkeit in der Organisation und bei der Durchführung der Tätigkeit, Unternehmerrisiko, Unternehmerinitiative, Bindung nur für bestimmte Tage an den Betrieb, geschäftliche
Beziehungen zu mehreren Vertragspartnern sprechen für persönliche Selbständigkeit. Weisungsgebundenheit bezüglich Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit, feste Arbeitszeiten, Ausübung der Tätigkeit gleichbleibend an einem bestimmten Ort, feste Bezüge, Urlaubsanspruch, Anspruch auf sonstige Sozialleistungen, Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall, Notwendigkeit der engen ständigen Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern, Eingliederung in den Betrieb, Schulden der Arbeitskraft und nicht eines Arbeitserfolgs, Ausführung von einfachen Tätigkeiten, die regelmäßig weisungsgebunden sind, sprechen gegen die Selbständigkeit der Tätigkeit (BFH-Urteile vom 25.06.2009 a. a. O.; und vom 30.05.1996 V R 2/95, BStBl II 1996, 493).
Besondere Bedeutung kommt dem Handeln auf eigene Rechnung und eigene Verantwortung und dem Unternehmerrisiko (Vergütungsrisiko) zu. Wird eine Vergütung für Ausfallzeiten nicht gezahlt, spricht dies für Selbständigkeit; ist der Steuerpflichtige von einem Vermögensrisiko der Erwerbstätigkeit grundsätzlich freigestellt, spricht dies gegen Selbständigkeit (BFH-Urteil vom 25.06.2009, unter II.1.b).
Dies entspricht dem Gemeinschaftsrecht. Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 77/388/EWG liegt keine selbständige Tätigkeit vor, wenn ein festes Monatsgehalt und ein jährliches Urlaubsgeld gezahlt werden, von dem Gehalt weiter Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge einbehalten werden, und wenn nicht für eigene Rechnung und auf eigene Verantwortung gehandelt wird (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 18. Oktober 2007, Rs. C-355/06, van der Steen, Slg. 2007, I-8863, BFH/NV Beilage 2008, 48 Rdnrn. 22 f.).
Die Frage der Selbständigkeit natürlicher Personen ist für die Umsatz-, die Einkommen- und die Gewerbesteuer grundsätzlich nach denselben Grundsätzen zu beurteilen (vgl. § 1 Abs. 3 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung). Dabei kommt der sozial-, arbeits- und einkommensteuerrechtlichen Beurteilung zwar indizielle Bedeutung zu. Eine rechtliche Bindung besteht dabei aber weder an die sozial- und arbeitsrechtliche noch an die ertragsteuerrechtliche Beurteilung. Die Frage, ob eine Tätigkeit selbständig oder nicht selbständig ausgeübt wird, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beantworten. Die für und gegen die Selbständigkeit sprechenden Merkmale, die im Einzelfall unterschiedlich gewichtet werden können, sind gegeneinander abzuwägen (BFH-Urteil vom 25.06.2009, unter II.1.c, mit weiteren Nachweisen).
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das erkennende Gericht im vorliegenden Streitfall unter Würdigung und Abwägung der festgestellten Umstände zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin in den Streitjahren für den A nicht selbständig tätig war und damit die Voraussetzungen einer selbständigen Unternehmerin i. S. d § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG nicht erfüllt hat. Zwar ist dem Beklagten zuzugestehen, dass die Tätigkeit der Klägerin auch einzelne Merkmale aufweist, die für eine Selbständigkeit sprechen können; in ihrer Summe tragen jedoch die hier gegebenen Umstände die Annahme einer selbständigen Tätigkeit der Klägerin nicht.
Zunächst ist festzuhalten, dass die Klägerin sowohl nach den mit dem A geschlossenen Verträgen als auch nach der tatsächlichen Durchführung dieser Verträge ein nur sehr reduziertes Vergütungsrisiko für ihre Tätigkeit trug. Zwar sahen die Rahmenvereinbarungen unter Ziffer 2. zu den Beschäftigungsgrundsätzen formal
weder eine Antrags- noch eine Annahmeverpflichtung von Aufträgen für den A bzw. die Klägerin vor, so dass der Eindruck entstehen konnte, allein die Klägerin habe das Risiko ihrer Beauftragung durch den A getragen. Jedoch hat die Klägerin nachvollziehbar und glaubhaft dargelegt, dass diese vertraglichen Regelungen nicht der tatsächlichen Durchführung der Rahmenvereinbarungen zwischen ihr und dem A entsprochen haben. Die festgestellten Tatsachen bestätigen dies: Die Klägerin wurde dauerhaft, über einen Zeitraum von mehreren Jahren in nahezu gleichbleibendem Umfang – mit leicht steigender Tendenz – vom A mit der Erstellung von Filmbeiträgen beauftragt und entsprechend vergütet. Nach den vorgelegten Gehaltsaufstellungen lag der durchschnittliche Monatsverdienst der Klägerin im Jahr 2003 bei rund 4.480 €, im Jahr 2005 bei rund 4.590 € und im Jahr 2006 bei rund 4.780 €. Zudem enthielten die mit dem A geschlossenen Verträge eine soziale Bestandsschutzregelung zu Gunsten der Klägerin. Diese sah die Zahlung eines sich nach der Gesamtdauer der Beschäftigung und dem Jahresdurchschnittshonorar zu berechnenden Übergangsgeldes für den Fall vor, dass der A die Beschäftigung der Klägerin entweder beenden oder deren Umfang dauerhaft wesentlich verringern sollte. Zwar ist der letztgenannte Fall nicht eingetreten. Die Klägerin hat aufgrund der dargestellten dauerhaften, über die Streitjahre im Wesentlichen gleichbleibenden Auslastung durch entsprechende Aufträge des A während ihrer Tätigkeit keine Zahlungen wegen Rückgang des Auftragsvolumens erhalten. Jedoch kann für die vorliegend vorzunehmende Wertung einzig relevant sein, dass die Klägerin bei einem tatsächlichen Rückgang des Auftragsvolumens einen vertraglichen Anspruch auf solche Zahlungen gehabt hätte. Zudem darf – wie von der Klägerin auch angeführt – nicht verkannt werden, dass sich wirtschaftlich betrachtet aus dieser Regelung für den A im Ergebnis wenn auch keine zwingende Verpflichtung, so doch eine gewisse praktische Notwendigkeit ergab, der Klägerin ausreichend Aufträge anzutragen. Anderenfalls hätte der A Ausgleichszahlungen leisten müssen, denen keine Leistung der Klägerin gegenübergestanden hätte. Insofern ist auch die Darstellung des A in dem angeführten Schreiben vom 09.07.2009 (Bl. 49 der Umsatzsteuerakten, Bd. III) nur vordergründig zutreffend; sie lässt nicht nur die geschilderte Bestandsschutzregelung unerwähnt, sondern wird insgesamt den tatsächlichen Gegebenheiten nicht gerecht.
Tatsächlich erhalten hat die Klägerin aufgrund der sozialen Bestandsschutzregelung ein Übergangsgeld i. H. v. 34.595,68 € wegen Beendigung ihrer Zusammenarbeit mit dem A im Jahr 2010. Diese Zahlung entspricht einer typischerweise aus Anlass der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses geleisteten Abfindung.
Die Klägerin hatte zudem im Falle von Krankheit, Urlaub oder Schwangerschaft entsprechend den tarifvertraglichen Regelungen kein Entgeltrisiko zu tragen. Ausweislich der vorgelegten Honoraraufstellungen sind in den Streitjahren Urlaubsentgelte und Krankengelder auch tatsächlich gezahlt worden.
Daneben sprechen verschiedene Umstände in der Ausgestaltung der Tätigkeit der Klägerin dafür, dass sie in die betriebliche Organisation des A eingegliedert war und dass zugleich die Notwendigkeit der engen laufenden Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern bestand. Nach der glaubhaften und nachvollziehbaren Darstellung der Klägerin nutzte diese für die Erstellung ihrer Beiträge die technischen Einrichtungen des A wie Kameras, Mikrofone, Schnittplatz und Tonstudio. Da der A insoweit nur begrenzte Kapazitäten zur Verfügung stellte, musste die Klägerin sich zur Nutzung der Ressourcen anmelden und mit anderen Mitarbeitern des A abstimmen. Die Klägerin war dabei auf die Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern (Kamera- und
Tonleute, Beleuchter und Cutter) angewiesen, ohne die sie ihre Filmbeiträge nicht hätte erstellen können. Eine Einbindung der Klägerin in die Organisation des A kommt weiterhin auch darin zum Ausdruck, dass die Klägerin ein Postfach beim A hatte, dort über eine eigene Mail-Adresse verfügte sowie eigene Kennwörter für das Einloggen in das Netzwerk des A besaß.
Schließlich spricht auch eine Reihe von Aspekten im äußeren Erscheinungsbild der Arbeit der Klägerin gegen eine selbstständige Tätigkeit. So erhielt die Klägerin während ihrer Tätigkeit für den A ein „Zwischenzeugnis“ sowie eine „Tätigkeitsbescheinigung“ ausgestellt (vgl. Anlagen K19 und K20 zum Schriftsatz der Klägerin vom 05.05.2010, Anlagenband). In diesen wurde die Klägerin als „Kollegin“ bezeichnet und es wurde (u. a.) ihr Verhalten gegenüber „Vorgesetzten“ beurteilt. Ferner wurden der Klägerin regelmäßig Hinweise über Änderungen im Lohnsteuer- und Sozialversicherungsrecht erteilt und es wurde ihr ein „A Verhaltenskodex“ für Mitarbeiter ausgehändigt (vgl. Anlagen K21 und K22 zum Schriftsatz vom 05.05.2010). Letztlich wies der A in seinem Schreiben vom 23. Oktober 2007 über die Beendigung der Zusammenarbeit die Klägerin noch daraufhin, dass sie zur Wahrung ihrer Ansprüche auf Arbeitslosengeld sich rechtzeitig bei der Bundesagentur für Arbeit melden müsse.
Ob die Klägerin tatsächlich, wie von ihr geschildert, für nicht hergestellte Filmbeiträge und für die von ihr ausgearbeiteten, aber vom A nicht übernommene Konzepte reine Recherche- bzw. Ausfallhonorare erhielt, kann offen bleiben.
Demgegenüber lässt der Einwand des Beklagten, die Klägerin sei im Hinblick auf ein vom A vorgegebenes Recherchethema in der Art der Ausführung eines Filmbeitrags „völlig frei“ gewesen, nicht den Schluss zu, die Klägerin sei als selbständige Unternehmerin tätig geworden. Denn zum einen waren der Freiheit der Klägerin faktische Grenzen gesetzt. So mussten die von ihr zu erstellenden Filmbeiträge eine bestimmte Sendelänge haben und in einer bestimmten Art und Weise hergestellt werden, die dem allgemeinen Erscheinungsbild der jeweiligen Sendung entsprach. Auch mussten die vom A vorgegebenen Sendetermine eingehalten werden; die Klägerin war insoweit also den Vorgaben des A unterworfen. Zum anderen kann dem Umstand, dass die Erstellung und Ausgestaltung des jeweiligen Filmbeitrags eigenverantwortlich durch die Klägerin erfolgte und sie ihre Arbeit – wie vom Beklagten angeführt – in Bezug auf Ausführung, Ort und Zeit frei bestimmen konnte, auch als Ausdruck ihrer journalistischen Gestaltungsfreiheit verstanden werden, die ihre Entsprechung im öffentlich-rechtlichen Sendeauftrag des A findet. Ungeachtet dessen war die Klägerin zumindest in Bezug auf ihre Tätigkeit als sog. „Gagman“ in wöchentliche Dienstpläne eingeteilt (s. Anlagen K26 und K27 zum Schriftsatz der Klägerin vom 06.07.2010, Anlagenband). Ferner musste sie nach ihrem glaubhaften und zuletzt unwidersprochenen Vortrag an Konferenzen teilnehmen, in denen die Abläufe der jeweiligen Sendung besprochen wurden, erhielt teilweise auch verbindliche Anweisungen, Änderungen an ihren Beiträgen vorzunehmen, und unterlag als Livereporterin bezüglich Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit genauen Vorgaben des A. In der Gesamtschau spricht auch dies deshalb für ein Verhältnis der Unterordnung der Klägerin zum A und damit für eine weisungsgebundene Tätigkeit, bei der lediglich der ihr vom A für die programmgestaltenden Arbeit eingeräumte Rahmen entsprechend des zu erfüllenden journalistischen Auftrags relativ weit gefasst war.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht durch den Hinweis des Beklagten, die Einordnung der Tätigkeit der Klägerin habe entsprechend Ziffer 1.3.3. Beispiel b) des Künstlererlasses bereits deshalb als selbstständig zu erfolgen, weil ihre Tätigkeit von vornherein nicht auf Dauer angelegt gewesen sei und die Filmbeiträge auf der Grundlage von jeweils einzeln abgeschlossenen Vereinbarungen mit dem A erstellt wurden. Der Beklagte vernachlässigt dabei, dass die Klägerin und der A im Vorfeld zu den Einzelvereinbarungen Rahmenvereinbarungen geschlossen hatten, die von vornherein von einer auf Dauer angelegten Tätigkeit ausgingen. Die zeitliche Befristung der einzelnen Rahmenvereinbarungen war dabei unschädlich. Ein dem vom Beklagten angeführten Beispielsfall vergleichbarer Sachverhalt liegt im Streitfall mithin nicht vor, zumal – wie unter Ziffer 1.3.7. des Künstlererlasses ausgeführt – daneben noch zu berücksichtigen gewesen wäre, dass auch ein Journalist aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls gleichwohl als nicht selbständig tätig einzustufen sein kann.
Ferner geht auch das von dem Beklagten angeführte Argument fehl, die Klägerin habe Unternehmerinitiative entfaltet, da sie nach den Rahmenvereinbarungen und den geltenden Tarifverträgen jederzeit auch mit anderen Auftraggebern habe Verträge schließen können, d. h. grundsätzlich keinen Beschränkungen in der anderweitigen Verwertung ihrer Arbeitskraft unterlegen habe. Zwar war die Klägerin in den Streitjahren 2003 und 2005 auch für den Sender C sowie den Sender D tätig, dies allerdings nur in einem sehr geringen Umfang von weniger als 5 Prozent gemessen an den erzielten Gesamthonoraren des jeweiligen Streitjahres. Diese Nebentätigkeit fällt also tatsächlich nicht ins Gewicht und ändert nichts an dem Umstand, dass Hauptauftraggeber der Klägerin in den Streitjahren der A gewesen ist. Darauf, dass vertraglich keine Anzeigepflicht für die Klägerin gegenüber dem A bestand, kommt es nach Auffassung des Gerichts nicht an.
Auch das Argument des Beklagten, dass der arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Einordnung der Tätigkeit der Klägerin allenfalls indizielle Bedeutung für die umsatzsteuerliche Bewertung zukomme, greift nicht durch. Denn die umsatzsteuerliche Beurteilung im Streitfall entspricht gerade der durch den A in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG-Urteile vom 22.02.1995 5 AZR 757/93 und vom 11.12.1996, 5 AZR 592/95, beide juris) vorgenommenen Einordnung, dass auch „feste freie Mitarbeiter“, die programmgestaltend tätig sind, nichtselbstständig als Arbeitnehmer tätig sein können.
Nach alledem liegen im Streitfall keine hinreichenden Indizien vor, die zumindest in ihrer Summe geeignet wären, eine selbstständige Tätigkeit der Klägerin überzeugend zu begründen. Selbst wenn sich insoweit aus den Besonderheiten des vorliegenden Falles noch Unsicherheiten ergeben hätten, wären diese zulasten des Beklagten gegangen.
c) Diese Wertung führt zu dem Ergebnis, dass die Tätigkeit der Klägerin insgesamt als nicht selbständige Tätigkeit einzuordnen ist. Eine Aufteilung und unterschiedliche Zuordnung nach den von der Klägerin bei der Erstellung der von ihr verfassten Beiträge einzeln vorgenommen Arbeitsschritten ist nach Auffassung des Gerichts nicht möglich. Diese stellen eine Einheit dar und sind einer einheitlichen Wertung zu unterziehen. Das gilt entgegen der von dem A in der Honorarbescheinigung vorgenommen Aufteilung auch für das Streitjahr 2003.
d) Im Übrigen schuldet die Klägerin Umsatzsteuer für den streitigen Zeitraum auch nicht aus § 14c Abs. 2 S. 1 UStG. Weder hat die Klägerin Rechnungen mit gesondertem Umsatzsteuerausweis ausgestellt noch hat der A der Klägerin Gutschriften erteilt, in denen die Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen wurde.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 155, 151 Abs. 3 FGO, 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
5. Die Revision war nicht zuzulassen. Der Streitfall hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung i. S. d. § 115 Abs. 2 FGO.