Umsatzsteuerliche Behandlung von Preisnachlässen durch Verkaufsagenten/Vermittler (Änderung der Verwaltungsauffassung)

EuGH-Urteil vom 16. Januar 2014, C-300/12, (Ibero Tours) und BFH-Urteile vom 27. Februar 2014, V R 18/11, sowie vom 3. Juli 2014, V R 3/12

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat mit seinem Urteil vom 16. Januar 2014, C-300/12, (BStBl II 20xx S. …) entschieden, dass die Grundsätze, die der EuGH im Urteil vom 24. Oktober 1996, C-317/94, (BStBl II 2004 S. 324), zur Bestimmung der Besteuerungsgrundlage der Mehrwertsteuer aufgestellt hat, nicht anzuwenden sind, wenn ein Reisebüro als Vermittler dem Endverbraucher aus eigenem Antrieb und auf eigene Kosten einen Nachlass auf den Preis der vermittelten Leistung gewährt, die von dem Reiseveranstalter erbracht wird.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich mit dem Folgeurteil vom 27. Februar 2014, V R 18/11, (BStBl II 20xx S. …) dieser Rechtsauffassung unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung (BFH-Urteile vom 12. Januar 2006,V R 3/04, BStBl II S. 479, vom 13. Juli 2006, V R 46/05, BStBl II 2007 S. 186, sowie vom 13. März 2008, V R 70/06, BStBl II S. 997) angeschlossen. Danach kommt es nicht zu einer Minderung der Bemessungsgrundlage, wenn ein Vermittler dem Empfänger des von ihm vermittelten Umsatzes einen Teil des Preises für den vermittelten Umsatz vergütet. Dementsprechend führt der Preisnachlass auch nicht zu einer Berichtigung des Vorsteuerabzugs beim Kunden (BFH-Urteil vom 3. Juli 2014, V R 3/12, BStBl II 20xx S. …).

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt für die umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Gewährung eines Preisnachlasses Folgendes:

I. Grundsätzliches
Nach den Grundsätzen des EuGH-Urteils vom 24. Oktober 1996 (a. a. O.) liegt eine Entgeltminderung vor, wenn der erste Unternehmer aufgrund seiner Lieferung eine Erstattung an einen der nachfolgenden Abnehmer in der Leistungskette vornimmt. Es kommt nicht darauf an, ob der begünstigte Abnehmer in einer unmittelbaren Leistungsbeziehung zu dem ersten Unternehmer steht. Erstattet danach der erste Unternehmer in einer Leistungskette dem Endabnehmer einen Teil des von diesem gezahlten Leistungsentgelts oder gewährt er ihm einen Preisnachlass, mindert sich dadurch die Bemessungsgrundlage für den Umsatz des ersten Unternehmers (an seinen Abnehmer der nächsten Stufe). Ist der Endabnehmer ein in vollem Umfang oder teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigter Unternehmer, mindert sich sein Vorsteuerabzug aus der Leistung um den in der Erstattung oder in dem Preisnachlass enthaltenen Steuerbetrag (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG). Auf die Abschnitte 10.3, 17.1 und 17.2 UStAE wird hingewiesen.

Entgegen der bisherigen Rechtsprechung des BFH finden diese Grundsätze keine Anwendung, wenn nicht ein an der Leistungskette beteiligter Unternehmer, sondern lediglich ein Vermittler dem Empfänger des von ihm vermittelten Umsatzes einen Teil des Preises für den vermittelten Umsatz vergütet (BFH-Urteil vom 27. Februar 2014, V R 18/11, a. a. O.). Dieser von den Beteiligten regelmäßig als „Preisnachlass“ bezeichnete Vergütungsbetrag mindert daher nicht das Entgelt für die Leistung des Vermittlers an seinen Auftraggeber und führt dementsprechend auch nicht zu einer Berichtigung des Vorsteuerabzuges aus der vom Kunden empfangenen (vermittelten) Leistung (BFH-Urteil vom 3. Juli 2014, a. a. O.).

Sofern im Ausnahmefall der „Preisnachlass“ des Vermittlers jedoch nicht für die vermittelte Leistung, sondern vielmehr auf Grundlage einer bestehenden Leistungsbeziehung zum Kunden gewährt wird, unterliegt dieser „Nachlass“ einer gesonderten Würdigung. So können die vom sog. Zentralregulierer eingeräumten „Preisnachlässe“ an seine sog. Anschlusskunden u. U. Entgelte für eine Leistung des Anschlusskunden an den Zentralregulierer oder eine Minderung des Entgelts für eine Leistung des Zentralregulierers an den Anschlusskunden sein. Demgegenüber stellen „Preisnachlässe“ des Zentralregulierers für den Bezug von Waren von bestimmten Lieferanten Nachlässe i. S. d. o. g. Rechtsprechung dar.

An der in den BMF-Schreiben vom 8. Dezember 2006 (a. a. O.) sowie vom 12. Dezember 2008 (a. a. O.) vertretenen Rechtsauffassung wird nicht mehr festgehalten; sie werden daher aufgehoben.

II. Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses
Der Umsatzsteuer-Anwendungserlass vom 1. Oktober 2010, BStBl I S. 846, der zuletzt durch das BMF-Schreiben vom 19. Februar 2015 – IV D 3 – S-7183 / 14 / 10002 (2015/0130558), BStBl I S. …., geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

1. Abschnitt 10.3 wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 1 Satz 6 wird der Klammerzusatz wie folgt gefasst:
„(vgl. EuGH-Urteil vom 24.10.1996, C-317/94, BStBl 2004 II S. 324)“.

b) In Absatz 4 werden im Einleitungssatz vor dem Wort „Preisnachlässe“ das Wort „Sog.“ eingefügt und im Beispiel 2 die Sätze 4 und 5 wie folgt gefasst:

4In diesem Fall mindert der vom Agenten eingeräumte Preisnachlass weder das Entgelt der Lieferfirma noch die Provision des Agenten (vgl. BFH-Urteil vom 27.2.2014, V R 18/11, BStBl 2015 II S. XXX, und Abschnitt 17.2 Abs. 10). 5Der Agent ist nicht berechtigt, dem Abnehmer eine Abrechnung über den Preisnachlass mit Ausweis der Umsatzsteuer zu erteilen und einen entsprechenden Vorsteuerabzug vorzunehmen, weil zwischen ihm und dem Abnehmer kein Leistungsaustausch stattfindet (vgl. auch BFH-Beschluss vom 14.4.1983, V B 28/81, BStBl II S 393).“

c) Absatz 5 wird wie folgt gefasst:

„(5) Sog. Preisnachlässe, die ein Zentralregulierer seinen Anschlusskunden für den Bezug von Waren von bestimmten Lieferanten gewährt, mindern nicht die Bemessungsgrundlage für die Leistungen, die der Zentralregulierer gegenüber den Lieferanten erbringt, und führen dementsprechend auch nicht zu einer Berichtigung des Vorsteuerabzuges beim Anschlusskunden aus den Warenbezügen (BFH-Urteil vom 3.7.2014, V R 3/12, BStBl 20XX II S. XXX).“

2. Abschnitt 17.2 Abs. 10 wird wie folgt geändert:

a) Die Sätze 3 bis 12 werden wie folgt gefasst:

3Durch die Minderung der Bemessungsgrundlage der Leistung des ersten Unternehmers wird die von ihm erteilte Rechnung an seinen Abnehmer nicht unrichtig. 4Insbesondere findet in diesen Fällen § 14c Abs. 1 UStG keine Anwendung. 5Auch ein möglicher Vorsteuerabzug dieses Abnehmers ändert sich dadurch nicht (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG). 6Ist der Endabnehmer ein in vollem Umfang oder teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigter Unternehmer und bezieht er die Leistung für sein Unternehmen, mindert sich sein Vorsteuerabzug aus der Leistung um den in der Erstattung oder in dem Preisnachlass enthaltenen Steuerbetrag (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG). 7Der Unternehmer, der dem Endabnehmer einen Teil des von diesem gezahlten Leistungsentgelts erstattet oder einen Preisnachlass gewährt und dafür eine Minderung der Bemessungsgrundlage geltend macht, hat das Vorliegen der Voraussetzungen nachzuweisen (vgl. Absätze 7 und 8). 8Eine Minderung der Bemessungsgrundlage kommt hingegen nicht in Betracht, wenn nicht ein an der Leistungskette beteiligter Unternehmer, sondern lediglich ein Vermittler dem Kunden der von ihm vermittelten Leistung einen sog. Preisnachlass gewährt (BFH-Urteil vom 27.2.2014, VR 18/11, BStBl 2015 II S. XXX). 9Danach mindern beispielsweise Preisnachlässe, die dem Abnehmer von Reiseleistungen vom Reisebüro für eine vom Reisebüro lediglich vermittelte Reise gewährt werden, nicht die Bemessungsgrundlage des Umsatzes der vom Reisebüro dem Reiseveranstalter gegenüber erbrachten Vermittlungsleistung. 10Auch Preisnachlässe, die dem Telefonkunden vom Vermittler des Telefonanbietervertrages gewährt werden, mindern nicht die Bemessungsgrundlage des Umsatzes der vom Vermittler dem Telefonunternehmen gegenüber erbrachten Vermittlungsleistungen. 11Da der vom Vermittler gewährte Preisnachlass nicht das Entgelt für die Leistung des Vermittlers an seinen Auftraggeber mindert, führt dieser auch nicht zu einer Berichtigung des Vorsteuerabzugs aus der vermittelten Leistung beim (End-) Kunden (BFH-Urteil vom 3.7.2014, V R 3/12, BStBl 20XX II S. XXX). 12Zur Behandlung von Preisnachlässen bei Verkaufsagenten vgl. Abschnitt 10.3 Abs. 4 und bei Zentralregulierern vgl. Abschnitt 10.3 Abs. 5).“

b) Die Sätze 13 bis 20 werden gestrichen.

III. Anwendungsregelung
Die Grundsätze dieses Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Es wird jedoch nicht beanstandet, wenn die Vermittler bzw. Verkaufsagenten für Preisnachlässe, die bis zur Veröffentlichung der o. g. BFH-Urteile im Bundessteuerblatt Teil II gewährt wurden, von einer Entgeltminderung ausgegangen sind. Bei der Berechnung der Umsatzsteuerminderung ist von dem Steuersatz auszugehen, der für den vermittelten Umsatz maßgeblich ist. Für Preisnachlässe, die ab dem Tag nach der Veröffentlichung gewährt werden, ist daher keine Minderung der Bemessungsgrundlage beim Vermittler bzw. Verkaufsagent vorzunehmen.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) IV D 2 – S-7200 / 07 / 10003 vom 27.02.2015