Mit Urteil vom 9. Dezember 2024 (Az. 6 K 1772/20 K,G,F), veröffentlicht am 24. Juni 2025, hat der 6. Senat des Finanzgerichts Düsseldorf zur Anwendung der Verlustabzugsbeschränkung nach § 8c KStG sowie zur Nichtanwendbarkeit des § 8d KStG in komplexen Organschaftsstrukturen Stellung genommen. Die Entscheidung betrifft Konzerne mit mehrstufiger körperschaftsteuerlicher und gewerbesteuerlicher Organschaft und klärt die Rechtsfolgen eines unterjährigen schädlichen Beteiligungserwerbs.
Sachverhalt: Beteiligungswechsel auf oberster Konzernebene
Die Klägerin war Rechtsnachfolgerin mehrerer Kapitalgesellschaften, die in einem mehrstufigen Organkreis sowohl als Organträger als auch als Organgesellschaft fungierten. Im Streitjahr 2017 veräußerte die ausländische Muttergesellschaft der obersten deutschen Organträgerin sämtliche Anteile an einen konzernfremden Erwerber – unstrittig ein schädlicher Beteiligungserwerb i. S. d. § 8c Abs. 1 KStG.
Das Finanzamt wandte die Verlustabzugsbeschränkung so an, dass es die bis zum Beteiligungserwerb entstandenen Verluste der Organgesellschaften zeitanteilig kürzte, bevor diese dem Organträger zugerechnet wurden. Zudem lehnte es die Anwendung des § 8d KStG mit Verweis auf das BMF-Schreiben vom 28.11.2017 (Rz. 37) ab.
Entscheidung des FG Düsseldorf: Teilweiser Erfolg für die Klägerin
Das Finanzgericht stellte klar:
✅ § 8c KStG – Keine zeitanteilige Kürzung von Verlusten im Organkreis
Die unter der alten Gesellschafterstruktur bis zum Beteiligungserwerb entstandenen Verluste seien nicht vom Verlustabzug ausgeschlossen, da sie wirtschaftlich noch der „alten Identität“ der Gesellschaft zuzurechnen seien. Die zeitanteilige Aufteilung der Verluste und eine isolierte Anwendung des § 8c KStG auf die Ebene der Organgesellschaft sei systemwidrig, so der Senat.
Praxistipp:
Diese Entscheidung betont die Notwendigkeit einer einheitlichen Verlustbetrachtung innerhalb des Organkreises, auch bei unterjährigem Beteiligungserwerb. Steuerpflichtige sollten bei Konzernumstrukturierungen oder Anteilsverkäufen genau prüfen, ob Verluste anteilig gefährdet sind.
❌ § 8d KStG – Keine Anwendung bei mehrstufiger Organschaft
Die Klägerin berief sich außerdem auf § 8d KStG (fortführungsgebundener Verlustvortrag). Das FG lehnte dies mit zwei Begründungen ab:
- Die betroffenen Gesellschaften waren sowohl Organträger als auch Organgesellschaft – damit greift das Anwendungshindernis des § 8d Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KStG.
- Aufgrund der Organträgereigenschaft wurde mehr als ein Geschäftsbetrieb geführt – die Voraussetzung des „ausschließlich selben Geschäftsbetriebs“ (§ 8d Abs. 1 Satz 1 KStG) war damit nicht erfüllt.
Praxishinweis:
§ 8d KStG bleibt in Konzernstrukturen mit mehrstufiger Organschaft faktisch wirkungslos, sobald eine Gesellschaft mehr als einen Betrieb führt oder gleichzeitig Organträger ist.
Ausblick: Verfahren vor dem BFH
Die Revision wurde aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung zugelassen und ist unter dem Aktenzeichen I R 11/25 beim Bundesfinanzhof anhängig. Die Entscheidung des BFH wird mit Spannung erwartet – insbesondere zur Reichweite des Verlustschutzes bei Anteilsverkäufen in Organschaften.
Fazit:
Das FG Düsseldorf stärkt mit seinem Urteil die steuerliche Position von Konzernen bei unterjährigen Gesellschafterwechseln. Verluste, die vor einem schädlichen Erwerb entstanden sind, dürfen nicht pauschal dem Verlustabzug entzogen werden – jedenfalls nicht bei einheitlicher wirtschaftlicher Identität im Organkreis. Die restriktive Anwendung des § 8d KStG bleibt jedoch bestehen.
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Quelle:
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 09.12.2024 – 6 K 1772/20 K,G,F; Mitteilung vom 24.06.2025
(BFH-Az.: I R 11/25 – Revision anhängig)