Verwaltungsgericht beanstandet Straßenreinigungsgebühr der Stadt Göttingen für 2018

Mit Urteil vom 18.05.2022 gab die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Göttingen einer Klägerin Recht, die sich gegen die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren (Sommerdienst) durch die Stadt Göttingen gewehrt hatte (Az. 3 A 116/18).

Die Stadt Göttingen erhebt für die Straßenreinigung von den Anliegern Gebühren. Diese unterteilen sich nach Sommerdienst und Winterdienst. Die der Gebührenerhebung zugrundeliegende Satzung der Stadt Göttingen für das Jahr 2018 war Gegenstand eines Normenkontrollverfahrens beim Nds. Oberverwaltungsgericht in Lüneburg. Das OVG erklärte die Erhebung der Winterdienstgebühr für nichtig, sah bei der Erhebung der Sommerdienstgebühr jedoch keine Rechtsfehler. Zwar sei die Kalkulation auch der Sommerdienstgebühr nicht rechtsfehlerfrei. Die Fehler zulasten der Gebührenzahler würden jedoch durch einen summenmäßig viel höheren Fehler, den die Stadt zugunsten der Gebührenschuldner begangen habe, ausgeglichen. Die Stadt habe nämlich Überdeckungen aus den Jahren 2006 bis 2014 nicht mehr ausgleichen müssen. Diese Verpflichtung habe nur drei Jahre rückwirkend von 2018 an bestanden. Soweit die Nichtigkeit der Satzung festgestellt wurde, ist die Entscheidung allgemeinverbindlich. Infolgedessen wurde auch der angegriffene Bescheid hinsichtlich der Winterdienstgebühr aufgehoben. Hinsichtlich der Sommerdienstgebühr hielt die Stadt an der Erhebung von 580 Euro Gebühren fest.

Unabhängig von diesem Normenkontrollverfahren hatten zahlreiche Straßenanlieger Klage gegen die an sie gerichteten Gebührenbescheide erhoben. Über ein solches Verfahren hatte das Verwaltungsgericht nun zu entscheiden. Die Klägerin dieses Verfahrens machte im Wesentlichen geltend, dass die Stadt Überdeckungen ihrer Straßenreinigungsaufwendungen aus vergangenen Jahren nicht ordnungsgemäß in ihre Kalkulation für das Jahr 2018 eingestellt habe. Dem trat die Stadt unter Hinweis auf das Normenkontrollurteil des Oberverwaltungsgerichts entgegen. Das OVG habe geurteilt, dass Überdeckungen nur aus den letzten drei Jahren vor der Kalkulationsperiode ausgeglichen werden müssten.

Mit dem aktuellen Urteil stellt sich das Verwaltungsgericht gegen die Rechtsprechung des Nds. Oberverwaltungsgerichts. Allgemeinverbindlichkeit besitze das Normenkontrollurteil nur soweit, wie die Nichtigkeit der Winterdienstgebühr festgestellt worden sei. Hinsichtlich der Sommerdienstgebühren sei man nicht an die Entscheidung gebunden. Die Entscheidung überzeuge die 1. Instanz nicht. Die Überdeckungen ab dem Jahr 2006 seien dadurch verursacht worden, dass die Stadt Göttingen rechtswidriger Weise keine Trennung ihrer Aufwendungen für Sommerdienst einerseits und Winterdienst andererseits vorgenommen habe. Dies sei auch die Auffassung des OVG. Infolgedessen müssten die Gebühren für die vergangenen Jahre neu kalkuliert werden. Dies habe die Stadt Göttingen auch getan und habe insgesamt Überdeckungen im Sommerdienst von ca. 3,3 Mio Euro ermittelt. Dies war im Übrigen auch der Grund, warum für das Jahr 2017 überhaupt keine Straßenreinigungsgebühren für den Sommerdienst erhoben worden seien. Auf diese Neukalkulation seien die vom OVG angewandten Vorschriften jedoch nicht anwendbar. Sie beträfen lediglich die Fälle, in denen die bei der Kalkulation angestellten Prognosen mit der Folge von Überdeckungen aus unerwarteten Gründen nicht eingetreten seien. Für methodisch rechtswidrige Kalkulationen fänden sie dagegen keine Anwendung. Solche Überdeckungen müssten ohne zeitliche Begrenzung ausgeglichen werden.

Da die Entscheidung von der Rechtsprechung des Nds. Oberverwaltungsgerichts abweicht, hat die Kammer die Berufung zugelassen, welche innerhalb eines Monats eingelegt werden kann.

Quelle: VG Göttingen

Abfallgebühren 2019 von der Stadt Göttingen zu Unrecht erhoben

Die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Göttingen hat mit Urteil vom 18. Mai 2022 einen Abfallgebührenbescheid der Stadt Göttingen für das Jahr 2019 aufgehoben (Az. 3 A 67/19).

Die Kläger, zur Zahlung von Abfallgebühren in Höhe von 156,43 Euro herangezogene Grundstückseigentümer, wandten sich mit ihrer Klage gegen den Gebührenbescheid der Stadt Göttingen für das Jahr 2019. Insbesondere machten sie geltend, die für die Stadt handelnden Göttinger Entsorgungsbetriebe hätten zu Unrecht Kosten für die Umlegung eines Baches an einer alten stillgelegten Abfalldeponie in Geismar in die Kalkulation der Gebühren eingestellt. Die Stadt Göttingen trat dem mit dem Argument entgegen, die Altdeponie werde nach Forderung der zuständigen Überwachungsbehörde, dem Gewerbeaufsichtsamt Braunschweig, nur dann aus der Nachsorge entlassen, wenn der Bach, der sog. Bruchweggraben, umgelegt werde.

Zum Hintergrund

Ende der 1960er Jahre wollte die Stadt Göttingen die alte Müllkippe der früher selbstständigen Gemeinde Geismar erweitern und künftig als Bau- und Bodenschuttdeponie nutzen. Die Erweiterung hätte ein Gewässer, den Bruchweggraben, zugeschüttet, was unzulässig gewesen wäre. Deshalb beantragte die Stadt Göttingen als Unterhaltungspflichtige für diesen Graben bei dem damals zuständigen Landkreis Göttingen eine wasserrechtliche Genehmigung für die Verrohrung des Grabens auf ca. 350 Metern Länge, um diese Verrohrung mit Bau- und Bodenschutt zu überfüllen. Der Landkreis erteilte die Genehmigung unter der Auflage, dass die Stadt als für das Gewässer Verantwortliche das Rohr regelmäßig untersucht, reinigt und ggf. ausbessert. Die Rohre waren technisch für eine Überfüllung mit Material in einer Dicke von 7-10 Metern ausgelegt. Spätere Untersuchungen ergaben Überfüllungen mit eine Dicke zwischen 23 und 30 Metern. Ob regelmäßige Kontrollen des Rohres stattgefunden haben, ließ sich nicht feststellen, jedenfalls fanden keine Ausbesserungen schadhafter Stellen statt. So kamen chemische Untersuchen schon Anfang der 1980’er Jahre zu dem Ergebnis, dass chemisch belastetes Sickerwasser aus dem Deponiekörper in das Rohr eindrang. Dieses Rohr entwässerte über einen offenen Graben in die Leine. Schlussfolgerungen wurden aus diesem Befund bis zum Jahr 2015 nicht gezogen. In diesem Jahr wollte die Stadt Göttingen als (ehemalige) Betreiberin der Altdeponie Geismar aus der für alte Abfalldeponien vorgesehenen Nachsorge entlassen werden. Das Gewerbeaufsichtsamt machte dies davon abhängig, dass kein Wasser mehr über den Bruchweggraben unter der Deponie entlanggeführt werde. Daraufhin führte die Stadt Göttingen ein Planfeststellungsverfahren mit dem Ziel durch, den Bruchweggraben um den alten Deponiekörper herumzuleiten und den Durchfluss unter der Deponie zu verschließen. Von den kalkulierten Baukosten in Höhe von ca. 1 Million Euro stellte die Beklagte für das Jahr 2019 ca. 500.000 Euro in die Kalkulation der Restabfallgebühren ein.

Das Gericht folgte in seinem Urteil, das nach einem Ortstermin auf der ehemaligen Mulldeponie erging, der Argumentation der Kläger. Zwar sei es richtig, dass Nachsorgekosten, die für stillgelegte Deponien entstünden, in die Kalkulation der Abfallgebühren eingerechnet werden dürften. Die hier streitigen Kosten seien jedoch durch eine Verletzung der Gewässerunterhaltungspflicht seitens der Stadt Göttingen entstanden. Das offensichtlich schadhafte Rohr sei entgegen der Errichtungsgenehmigung nicht ausgebessert worden. Derartige, durch schuldhaftes Handeln entstehende Kosten seien keine der Nachsorge und könnten deshalb nicht der Gemeinschaft der Abfallgebührenschuldner auferlegt werden. Sie seien aus allgemeinen Deckungsmitteln zu finanzieren. Da der Gebührensatz infolgedessen zu hoch sei, sei der Bescheid aufzuheben.

Das Urteil hat nicht nur Auswirkung für die Kläger selbst, die die gegen sie festgesetzten Abfallgebühren nicht zu zahlen brauchen. Wenn es rechtskräftig wird, müssen die durch die Einstellung der Kosten für die Umlegung des Bruchweggrabens in die Kalkulation erzielten Überdeckungen zugunsten aller Abfallgebührenschuldner in künftigen Jahren ausgeglichen werden.

Gegen die Entscheidung kann die Stadt Göttingen innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Nds. Oberverwaltungsgericht in Lüneburg einen Antrag auf Zulassung der Berufung stellen.

Quelle: VG Göttingen, Pressemitteilung vom 23.05.2022 zum Urteil 3 A 67/19 vom 18.05.2022