FG Köln, Urteil 14 K 950/22 vom 23.05.2025 (Pressemitteilung vom 27.10.2025)
Revision beim BFH anhängig (Az. III R 28/25)
Das Finanzgericht Köln hat entschieden, dass die Familienkasse deutsches Kindergeld in voller Höhe zahlen muss, wenn ausländische Behörden trotz Anfrage keine Auskunft über mögliche Ansprüche im Ausland erteilen. Für Eltern bedeutet das: Bleibt die Verbindungsstelle eines anderen EU-/EWR-Staates oder – wie im entschiedenen Fall – des Vereinigten Königreichs untätig, darf die Familienkasse das deutsche Kindergeld nicht endgültig kürzen.
Der zugrunde liegende Fall
Die Klägerin, deutsche Staatsangehörige, beantragte Kindergeld für ihr in Deutschland lebendes Kind.
Besondere Konstellation:
- Das Kind: deutscher Staatsbürger, Wohnsitz in Deutschland
- Vater: Angehöriger der britischen Armee
- Familienkasse: zahlte nur einen Differenzbetrag und nahm an, dass vorrangig britische Familienleistungen (Child Benefit) bestanden
- Mehrere Auskunftsersuchen an die britische Verbindungsstelle: ohne Ergebnis
Die Mutter klagte auf Auszahlung des vollständigen deutschen Kindergeldes.
Entscheidung des FG Köln
Das Finanzgericht gab der Klägerin recht:
✅ Die Anspruchsvoraussetzungen nach deutschem Recht lagen eindeutig vor.
✅ Die Familienkasse darf Eltern nicht dauerhaft auf eine unklare Auskunftslage verweisen.
✅ Wenn der ausländische Träger nicht mitwirkt und kein eindeutiger Vorrang festgestellt werden kann, ist das deutsche Kindergeld ungekürzt zu zahlen.
Wichtig: Eltern müssen nicht endlos warten, ob im Ausland eventuell ein Anspruch besteht. Die tatsächliche Auszahlung richtet sich nach dem nationalen Anspruch – solange kein ausländischer Vorrang sicher nachgewiesen ist.
Noch nicht rechtskräftig
Die Familienkasse hat Revision eingelegt. Das Verfahren läuft beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen III R 28/25.
Für Betroffene bleibt es daher spannend: Der BFH wird klären, ob die fehlende Mitwirkung eines anderen EU-Mitgliedstaates oder Großbritanniens tatsächlich automatisch zu einem ungekürzten Anspruch führt.
Rechtsrahmen trotz Brexit
Das Verfahren zeigt: Auch nach dem Brexit gelten weiterhin europäische Koordinierungsvorschriften, solange das Austrittsabkommen nichts anderes bestimmt.
Weiter gültig sind u. a.:
- VO (EG) Nr. 883/2004
- VO (EG) Nr. 987/2009
Großbritannien nimmt außerdem weiter am elektronischen Datenaustausch teil – zumindest theoretisch. Funktioniert der Austausch in der Praxis nicht, trägt das Risiko nach Auffassung des FG Köln nicht die Familie, sondern die Verwaltung.
Fazit
Das Urteil stärkt die Position von Eltern, deren Kind in Deutschland lebt, aber ausländische Behörden nicht reagieren. Bis zu einer Entscheidung des BFH können Eltern in vergleichbaren Fällen argumentieren, dass die Familienkasse das Kindergeld in voller Höhe zahlen muss, solange im Ausland keine nachgewiesene vorrangige Leistung besteht.
Quelle: Finanzgericht Köln