Vorläufige Festsetzungen der Grunderwerbsteuer, vorläufige Feststellungen nach § 17 Absatz 2 und 3 GrEStG und vorläufige Feststellungen von Grundbesitzwerten

Artikel 8 Nummer 2 des Steueränderungsgesetzes 2015 vom 2. November 2015 (BGBl. I S. 1834; BStBl I S. 846) hat die Verweise in § 8 Absatz 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) geändert und damit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Juni 2015 – 1 BvL 13/11, 1 BvL 14/11 – (BStBl II S. 871) Rechnung getragen. Ersatzbemessungs-grundlage in den Fällen des § 8 Absatz 2 GrEStG ist nunmehr der Grundbesitzwert im Sinne des § 151 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 in Verbindung mit § 157 Absatz 1 bis 3 des Bewer-tungsgesetzes (BewG). Die neuen Regelungen sind auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2008 verwirklicht werden (§ 23 Absatz 14 Satz 1 GrEStG).

Für die bisher in den Fällen des § 8 Absatz 2 GrEStG nach den Erlassen vom 1. April 2010 (BStBl I S. 266) bzw. vom 17. Juni 2011 (BStBl I S. 575) vorläufig durchgeführten

  • Festsetzungen der Grunderwerbsteuer,
  • Feststellungen nach § 17 Absatz 2 und 3 GrEStG und
  • Feststellungen der Grundbesitzwerte

gilt daher Folgendes:

  1. Nach dem 31. Dezember 2008 verwirklichte Erwerbsvorgänge

1.1 Festsetzungen der Grunderwerbsteuer

Es ist von Amts wegen zu prüfen, ob die Festsetzungen der Grunderwerbsteuer unter Berück-sichtigung der nach dem neuen Recht durchgeführten bzw. durchzuführenden Feststellungen nach § 17 Absatz 2 und 3 GrEStG (Nummer 1.2) und Feststellungen der Grundbesitzwerte (Nummer 1.3) zu ändern sind.

Ergibt diese Prüfung, dass die Anwendung des neuen Rechts zu einer Minderung der bisher festgesetzten Grunderwerbsteuer führen würde, ist der Grunderwerbsteuerbescheid zu ändern und für endgültig zu erklären (§ 165 Absatz 2 Satz 2 AO).

Ergibt diese Prüfung, dass die Anwendung des neuen Rechts zu einer Erhöhung der bisher festgesetzten Grunderwerbsteuer führen würde, stünde § 176 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 AO einer Bescheidänderung zuungunsten des Steuerpflichtigen entgegen. Die Grunderwerbsteuer-festsetzung ist ohne Änderung des festgesetzten Steuerbetrags auf Antrag  für endgültig zu erklären (§ 165 Absatz 2 Satz 4 AO). In dem Bescheid, der die bisherige Grunderwerbsteuer-festsetzung für endgültig erklärt, ist darauf hinzuweisen, dass aufgrund des § 176 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 AO eine Erhöhung der Grunderwerbsteuer unterbleibt. Der Grunderwerbsteuer-bescheid ist vollstreckbar (§ 23 Absatz 14 Satz 2 GrEStG); § 251 Absatz 2 Satz 1 AO in Verbindung mit § 79 Absatz 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes gilt insoweit nicht mehr.

176 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist nicht anwendbar, wenn eine vorläufige erstmalige Grund-erwerbsteuerfestsetzung mit einem zulässigen Einspruch angefochten wurde und das Ein-spruchsverfahren noch anhängig ist. Der Einspruchsführer kann durch Rücknahme seines Einspruchs eine mögliche Verböserung abwenden und die Anwendung des § 176 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 AO erreichen.

1.2 Feststellungen nach § 17 Absatz 2 und 3 GrEStG

In den Fällen des § 8 Absatz 2 GrEStG wird im Feststellungsverfahren nach § 17 Absatz 2 und 3 GrEStG nicht über die Höhe des Grundbesitzwertes entschieden (§ 17 Absatz 3a GrEStG). Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Juni 2015 (a. a. O.) und die gesetzliche Neuregelung geben somit keinen Anlass, Feststellungen nach § 17 Absatz 2 und 3 GrEStG zu ändern. Die Feststellungen müssen nur auf Antrag des Steuerpflichtigen für endgültig erklärt werden (§ 165 Absatz 2 Satz 4 AO).

1.3 Feststellungen der Grundbesitzwerte

1.3.1 Bisher durchgeführte Feststellungen

Es ist von Amts wegen zu prüfen, ob die Feststellungen der Grundbesitzwerte unter Berück-sichtigung des neuen Rechts zu ändern sind.

Ergibt diese Prüfung, dass die Anwendung des neuen Rechts zu einer Minderung des bisher festgestellten Grundbesitzwertes führen würde, ist der Feststellungsbescheid zu ändern und für endgültig zu erklären (§ 165 Absatz 2 Satz 2 AO).

Ergibt diese Prüfung, dass die Anwendung des neuen Rechts zu einer Erhöhung des bisher festgestellten Grundbesitzwertes führen würde, stünde § 176 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 AO einer Bescheidänderung entgegen. Der Feststellungsbescheid ist ohne Änderung der festgestellten Besteuerungsgrundlagen auf Antrag für endgültig zu erklären (§ 165 Absatz 2 Satz 4 AO). In dem Bescheid, der die Feststellung für endgültig erklärt, ist darauf hinzuweisen, dass auf-grund des § 176 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 AO eine Erhöhung des festgestellten Grundbesitz-wertes unterbleibt.

176 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist nicht anwendbar, wenn eine vorläufige erstmalige Fest-stellung des Grundbesitzwertes mit einem zulässigen Einspruch angefochten wurde und das Einspruchsverfahren noch anhängig ist. Der Einspruchsführer kann durch Rücknahme seines Einspruchs eine mögliche Verböserung abwenden und die Anwendung des § 176 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 AO erreichen.

1.3.2 Nachholen der Feststellungen

Erforderliche, bislang unterbliebene Feststellungen der Grundbesitzwerte sind unter Anwen-dung des neuen Rechts durchzuführen. § 176 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 AO steht dem nicht entgegen, da diese Vorschrift nur bei einer Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids oder eines einem Steuerbescheid gleichstehenden Verwaltungsakts (z. B. Feststellungs-bescheid) zu beachten ist.

Wurde die Grunderwerbsteuerfestsetzung allerdings im Vorgriff auf die noch ausstehende Feststellung des Grundbesitzwertes bereits durchgeführt (§ 155 Absatz 2 in Verbindung mit § 162 Absatz 5 AO), steht § 176 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 AO einer Änderung der Grunderwerb-steuerfestsetzung zuungunsten des Steuerpflichtigen entgegen (siehe Nummer 1.1). In diesem Fall kann auf die Nachholung der Feststellung verzichtet werden.

1.4 Bisher vorläufig ausgesetzte Festsetzungen der Grunderwerbsteuer

Falls nach Ergehen des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Juni 2015

(a. a. O.) die Festsetzung der Grunderwerbsteuer gemäß § 165 Absatz 1 Satz 4 in Verbindung mit Satz 2 Nr. 2 AO vorläufig ausgesetzt worden ist, ist die Grunderwerbsteuerfestsetzung unter Zugrundelegung des neuen Rechts nachzuholen (§ 165 Absatz 2 Satz 2 zweiter Halb-satz AO). § 176 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 AO steht der Anwendung des neuen Rechts nicht entgegen, da die Steuer erstmalig und nach Ergehen der Entscheidung des Bundes-verfassungsgerichts festgesetzt wird.

  1. Vor dem 1. Januar 2009 verwirklichte Erwerbsvorgänge

Aufgrund der im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Juni 2015 (a. a. O.) getroffenen Weitergeltungsanordnung sind durchgeführte Grunderwerbsteuerfestsetzungen, Feststellungen nach § 17 Absatz 2 und 3 GrEStG sowie Feststellungen von Grundbesitz-werten nicht zu ändern. Diese Festsetzungen und Feststellungen müssen nur für endgültig erklärt werden, wenn der Steuerpflichtige dies beantragt (§ 165 Absatz 2 Satz 4 AO).

Quelle: BMF Erlasse vom 5. Oktober 2015 (BStBl I S. 790)