Vororganschaftlich verursachte Mehrabführungen als fiktive Gewinnausschüttungen verfassungswidrig?

„Saldierungsverbot“, Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot – Vorzeitige Beendigung eines Gewinnabführungsvertrags aus „wichtigem Grund“

BFH, Beschluss I R 36/13 vom 27.11.2013

Leitsatz

  1. Vororganschaftlich verursachte Mehrabführungen einer Organgesellschaft an ihren Organträger stellen keine Gewinnausschüttungen i. S. von § 8 Abs. 3, § 27 KStG 1996/2002 a. F., sondern Gewinnabführungen i. S. der §§ 14 ff. KStG 1996/2002 a. F. dar (Bestätigung des Senatsurteils vom 18.12.2002 I R 51/01, BFHE 201, 221, BStBl II 2005, 49, und Anschluss an Senatsbeschluss vom 06.06.2013 I R 38/11, BFHE 241, 530, BStBl II 2014, 398).
  2. Vororganschaftlich verursachte Mehrabführungen i. S. von § 14 Abs. 3 Satz 1 KStG 2002 i. d. F. des EURLUmsG sind als rein rechnerische Differenzbeträge zu begreifen. Eine Mehrabführung ist dabei zum Einen nicht der Höhe nach auf den Betrag des handelsbilanziellen Jahresüberschusses begrenzt, den die Organgesellschaft (tatsächlich) an den Organträger abgeführt hat (Anschluss an Senatsbeschluss vom 06.06.2013 I R 38/11, BFHE 241, 530, BStBl II 2014, 398). Zum Anderen kann eine tatbestandlich verwirklichte Mehrabführung auch nicht durch Saldierung mit weiteren vororganschaftlichen und/oder organschaftlichen Mehr- und Minderabführungen dem Betrag nach begrenzt werden (sog. geschäftsvorfallbezogene Betrachtungsweise).
  3. Indem die so verstandenen Mehrabführungen durch § 14 Abs. 3 Satz 1 KStG 2002 i. d. F. des EURLUmsG als Gewinnausschüttungen fingiert werden, handelt es sich zugleich um entsprechende Leistungen i. S. von § 38 Abs. 1 Satz 3 KStG 2002, für welche die in § 38 Abs. 2 KStG 2002 angeordnete Körperschaftsteuererhöhung zu errechnen ist (Anschluss an Senatsbeschluss vom 06.06.2013 I R 38/11, BFHE 241, 530, BStBl II 2014, 398).
  4. Es wird die Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt, ob § 34 Abs. 9 Nr. 4 i. V. m. § 14 Abs. 3 Satz 1 KStG 2002 i. d. F. des EURLUmsG infolge Verstoßes gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot verfassungswidrig ist.