Vorsteuerabzug beim Wechsel zwischen Kleinunternehmer- und Regelbesteuerung: Neues BMF-Schreiben schafft Klarheit

Was Unternehmer jetzt über Vorsteuer, Übergangszeitpunkte und § 15a UStG wissen müssen

Mit einem neuen Schreiben vom 10.11.2025 (koordinierter Ländererlass) konkretisiert das Bundesministerium der Finanzen (BMF) die Regeln zum Vorsteuerabzug bei einem Wechsel zwischen Kleinunternehmerregelung (§ 19 UStG) und Regelbesteuerung. Die Klarstellung betrifft zahlreiche Praxisfälle – insbesondere dann, wenn Unternehmer schon vor dem Wechsel Leistungen einkaufen, die sie erst nach dem Übergang für steuerpflichtige Umsätze nutzen möchten.

Die wichtigsten Punkte im Überblick:


1. Kein Vorsteuerabzug vor dem tatsächlichen Übergang zur Regelbesteuerung

Der wesentliche Grundsatz des BMF lautet:

👉 Ein Vorsteuerabzug ist ausgeschlossen, solange der Unternehmer noch Kleinunternehmer ist – selbst wenn er die Leistungen später für steuerpflichtige Umsätze verwenden will.

Das gilt ausdrücklich auch dann,

  • wenn der Übergang zur Regelbesteuerung bereits absehbar oder zwingend ist (z. B. aufgrund von Umsatzsteigerungen), oder
  • wenn es sich um Voraus- oder Anzahlungsrechnungen handelt.

Damit stellt das BMF klar:
Die Absicht zukünftiger Regelbesteuerung genügt nicht. Entscheidend ist ausschließlich der tatsächliche Übergangszeitpunkt.


2. Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG möglich – aber nur unter bestimmten Voraussetzungen

Wechselt der Unternehmer tatsächlich zur Regelbesteuerung, liegt steuerlich eine Änderung der Verhältnisse vor. Für die zuvor bezogenen Leistungen kann dann eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG zugunsten des Unternehmers in Betracht kommen.

Wichtig dabei:

  • es gelten die Berichtigungszeiträume und Jahreseinheiten nach § 15a,
  • die Bagatellgrenzen nach § 44 UStDV müssen beachtet werden,
  • nur bestimmte Wirtschaftsgüter sind berichtigungsfähig (insb. Anlagevermögen über mehrere Jahre).

Für einmalige Leistungen im Umlaufvermögen gibt es dagegen keine rückwirkende Erstattung der Vorsteuer.


3. Umgekehrter Fall: Wechsel von Regelbesteuerung zur Kleinunternehmerregelung

Auch hier spricht das BMF von einer Änderung der Verhältnisse.

Folge:

👉 Vorsteuer, die während der Regelbesteuerung rechtmäßig gezogen wurde, muss nach dem Übergang gegebenenfalls berichtigt werden – und zwar ebenfalls nach den Regeln des § 15a UStG.

Dies betrifft vor allem:

  • Investitionen mit mehrjähriger Nutzungsdauer,
  • insbesondere Fahrzeuge, Maschinen, Büroeinrichtung,
  • aber auch immaterielle Wirtschaftsgüter mit Berichtigungszeitraum.

4. Änderungen im Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE)

Das BMF aktualisiert den Abschnitt 15.3 Abs. 2 UStAE, und ersetzt damit die bisherige – teils großzügigere – Auslegung. Die Details folgen im veröffentlichten BStBl I.


5. Anwendungsregel: Übergangsfristen für Unternehmer

Das Schreiben gilt für alle offenen Fälle.
Allerdings gibt es eine Erleichterung:

👉 Unternehmer dürfen sich in Umsatzsteuererklärungen, die bis zum 10.11.2025 abgegeben wurden, noch auf die alte Verwaltungsauffassung berufen.

Erst in Folgejahren sind die Vorsteuerbeträge dann nach der neuen Rechtslage zutreffend zu berücksichtigen.

Für die Praxis bedeutet das:

  • Kein unmittelbarer Zwang zur rückwirkenden Korrektur,
  • aber ab 2026 klare Anwendung der neuen Grundsätze.

Fazit: Mehr Rechtssicherheit – aber weniger Spielraum für künftige Investitionsplanung

Mit dem neuen BMF-Schreiben schafft die Finanzverwaltung klare Verhältnisse:
Der Vorsteuerabzug ist strikt an den tatsächlichen Besteuerungsstatus gekoppelt – nicht an zukünftige Absichten oder geplante Umsätze.

Für Unternehmer heißt das:

  • Anschaffungen sollten strategisch geplant werden,
  • insbesondere bei anstehendem Wechsel der Besteuerungsart,
  • Investitionen vor dem Wechsel verlieren ihren Vorsteuerabzug,
  • Berichtigungsmöglichkeiten nach § 15a UStG müssen geprüft werden.

Steuerberater sollten Mandanten frühzeitig auf diese Verschärfung hinweisen, insbesondere bei Existenzgründungen, Umsatzsprung-Szenarien und Investitionen ins Anlagevermögen.


Quelle: Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 10.11.2025 (III C 2 – S 7300/00080/004/019)