Vorsteuerabzug einer Gemeinde aus den Herstellungskosten einer Mehrzweckhalle mit Parkplatz

  1. Überlässt eine Gemeinde eine von ihr errichtete Mehrzweckhalle auf öffentlich-rechtlicher Grundlage (kommunale Benutzungsordnung) an verschiedene Nutzer, handelt die Gemeinde unternehmerisch, auch wenn einzelne Nutzergruppen nur eine nicht kostendeckende Gebühr bezahlen.
  2. Auch eine nur stunden- oder tageweise Überlassung einer Halle ist trotz der Kurzfristigkeit eine steuerfreie Vermietung, wenn daneben keine anderen prägenden Leistungen erbracht werden. Die Mitüberlassung von Betriebsvorrichtungen (hier: Beleuchtungstechnik, Tontechnik, Kücheneinrichtung, Bühne und Hebebühne) ist nur eine untergeordnete Nebenleistung zu der Raumüberlassung, wenn die zur Durchführung der jeweiligen Veranstaltungen erforderlichen Tätigkeiten vom jeweiligen Nutzer ausgeübt werden.
  3. Der Vorsteuerabzug für die Herstellungskosten eines der Öffentlichkeit gewidmeten und ihr kostenlos zur Verfügung stehenden Parkplatzes ist zulässig, wenn die Errichtung des Parkplatzes baurechtliche Voraussetzung für die Genehmigung der Mehrzweckhalle und für ihre Nutzung notwendig und angemessen war.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine Gemeinde, die in den Streitjahren 2009 bis 2011 Umsätze aus der Vermietung einer Halle erzielte. Die Halle wurde im Jahr 2010 abgerissen, auf dem Grundstück ein öffentlicher Parkplatz errichtet und gegenüber eine neue Halle gebaut. Die Halle wurde mit einer Hebebühne, Bühne, Küche, Tischen und Stühlen ausgestattet. Die Klägerin überlässt die Halle auf der Grundlage ihrer kommunalen Benutzungsordnung zu festen Preisen jeweils stunden- bzw. teilweise auch tageweise an verschiedene Nutzergruppen. Dazu zählen u. a. eine Gymnastikgruppe, ein Taekwondo- und ein Fußballverein, ein Kirchenchor, ein Gesangs- und ein Musikverein, eine Tanzschule, Karnevalsvereine sowie weitere vergleichbare Nutzer, Privatpersonen und Gewerbetreibende.

Die Umsätze aus der Überlassung der Halle unterwarf die Klägerin insgesamt dem Regelsteuersatz und machte die Vorsteuer aus den Baukosten und den laufenden Kosten geltend. Nach Durchführung einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung ließ das beklagte Finanzamt (FA) nur einen Anteil von 23,40 % zum Vorsteuerabzug zu. Den Vorsteuerabzug aus den Einrichtungsgegenständen, der Hebebühne, der Bühne, der Küche, den Tischen und Stühlen (Betriebsvorrichtungen) wurde in voller Höhe gewährt. Hinsichtlich des Parkplatzes versagte das FA den Vorsteuerabzug, da dieser als öffentlicher Parkplatz weder dem Unternehmensvermögen zugeordnet werden könne noch steuerpflichtige Ausgangsumsätze gegeben seien. Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin den vollen Vorsteuerabzug aus der Errichtung und dem laufenden Betrieb der Halle. Die Klage hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen

Die Klägerin sei mit der Vermietung der Halle zwar unternehmerisch tätig und daher vorsteuerabzugsberechtigt. Die Vorsteuern aus der Herstellung und den laufenden Betrieb der Halle seien aber ebenso wie die Vorsteuern für die Betriebsvorrichtungen und den Parkplatz nur im Umfang von 23,40 % abzugsfähig. Im Übrigen sei der Vorsteuerabzug ausgeschlossen.

Die Klägerin ist als Gemeinde unternehmerisch tätig, auch wenn die Halle auf öffentlich-rechtlicher Grundlage an die Nutzer vergeben wird

Die Klägerin sei als eine juristische Person des öffentlichen Rechts bei richtlinienkonformer Auslegung von § 2 Abs. 3 Satz 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) i. V. m. § 4 Körperschaftsteuergesetz (KStG) entsprechend Art. 13 Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) Unternehmer, wenn sie eine wirtschaftliche und damit nachhaltige Tätigkeit zur Erbringung entgeltlicher Leistungen (wirtschaftliche Tätigkeit) ausübe, die sich innerhalb ihrer Gesamtbetätigung heraushebe. Handele sie dabei auf privatrechtlicher Grundlage durch Vertrag, komme es auf weitere Voraussetzungen nicht an. Handele sie dagegen auf öffentlich-rechtlicher Grundlage, sei sie nur Unternehmer, wenn eine Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde

Die Halle sei zwar durch öffentlich-rechtlichen Vertrag und zur Nutzung im Rahmen des Übungs- und Sportbetriebs durch (öffentlich-rechtliche) Eintragung in den Hallenbelegungsplan an die Nutzer vergeben und die Benutzungsgebühren durch Gebührenbescheide auf der Grundlage der GbO festgesetzt worden. Eine Behandlung der Klägerin als Nichtsteuerpflichtige würde aber zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen.

Behandlung der Klägerin als Nichtsteuerpflichtige würde zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen

Bei dieser Beurteilung komme es auf die jeweilige Tätigkeit als solche, nicht auf die Verhältnisse auf einem bestimmten lokalen Markt an. Entscheidend sei, ob die Tätigkeit an sich wettbewerbsrelevant sei, d. h. auch von privaten Wirtschaftsteilnehmern angeboten werden könnte. Maßgeblich sei dabei nicht nur der gegenwärtige, sondern auch der potenzielle Wettbewerb, sofern die Möglichkeit des Markteintritts für einen privaten Wirtschaftsteilnehmer real und nicht rein hypothetisch sei. Denn eine Nichtbesteuerung der im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausgeübten Tätigkeit könne, wenn es keinen konkreten Wettbewerb zu privaten Wirtschaftsteilnehmern gebe, den Markteintritt eines privaten Konkurrenten behindern.

Die Klägerin stehe in einem Wettbewerbsverhältnis zu anderen lokalen und – aufgrund der Größe und des Zuschnitts der verschiedenen Hallenflächen – überregionalen privaten Anbietern von Veranstaltungsflächen. Gaststätten, Restaurants mit Tagungssälen und private Veranstaltungszentren würden ebenfalls vergleichbare Räumlichkeiten am Markt gegen Entgelt anbieten. Die Überlassung von Veranstaltungsflächen könne nicht nur durch die öffentliche Hand erfolgen. Eine Steuerfreiheit von Vermietungsleistungen nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG stehe einem Wettbewerbsverhältnis aufgrund des Optionsrechts nach § 9 Abs. 1 und 2 UStG nicht entgegen.

Kein Vorsteuerabzug über den vom FA gewährten Anteil von 23,40 % hinaus

Das grundsätzliche Vorsteuerabzugsrecht der Klägerin sei nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ausgeschlossen, soweit sie die Halle an Nichtunternehmer, an nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmer oder im Wege einer steuerfreien Vermietung überlassen habe.

Das FA habe im Hinblick auf die einzelnen Vermietungen des Jahres 2011 ermittelt, ob ein Verzicht auf die Steuerbefreiung möglich sei und – von der Klägerin nicht bestritten – nach den jeweiligen Nutzungszeiten festgestellt, dass die optionsfähigen und deshalb steuerpflichtigen Überlassungsverhältnisse nach ihrem zeitlichen Nutzungsanteil insgesamt 23,40 % der Gesamtnutzungsdauer der Halle ausmachten. Gegen diese Maßstabsbildung habe der Senat keine Einwände, weil bei einer zeitlich abwechselnden Nutzung desselben Gebäudes zu steuerfreien oder steuerpflichtigen Zwecken die Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach den Nutzungszeiten zu einer präziseren wirtschaftlichen Zurechnung nach § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG führe als der (unternehmensbezogene oder objektbezogene) Umsatzschlüssel.

Überlassung der Halle ist steuerfreie Grundstücksvermietung

Über den vom FA anerkannten Anteil hinaus habe die Klägerin die Halle für steuerfreie Vermietungsumsätze nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG verwendet. Eine Möglichkeit auf die Steuerfreiheit nach § 9 UStG zu verzichten, habe insoweit nicht bestanden, auch nicht in Bezug auf die mitvermieteten Betriebsvorrichtungen (§ 4 Nr. 12 Satz 2 UStG). Würden Betriebsvorrichtungen – so wie vorliegend die Kücheneinrichtung, Hebebühne, Bühne, Tische und Stühle – mitüberlassen und neben der Überlassung weitere Leistungen erbracht, komme es für die Annahme einer steuerfreien Vermietung oder einer steuerpflichtigen sonstigen Leistung darauf an, welche Leistung prägend sei.

Einheitlich steuerfreie Grundstücksvermietung

Den Mietern der Halle sei das Recht eingeräumt worden, mit dem Saal, dem Spiegelsaal oder dem Vereinszimmer sowie der Küche einen Teil des Grundstücks in Besitz zu nehmen und andere von der Nutzung für den vereinbarten Zeitraum auszuschließen. Soweit die Klägerin neben der Überlassung von Räumlichkeiten auch Leistungen wie z. B. Beleuchtung und Technik sowie das Zurverfügungstellen von Sanitärräumen, Stühlen, Tischen, Geschirr und Besteck erbracht hat, handele es sich um Nebenleistungen zu der vertraglich vereinbarten Überlassung der Räumlichkeiten.

Auch die weiteren Leistungen der Klägerin seien in einer Gesamtschau im Vergleich zur Grundstücksüberlassung aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers nebensächlich. Sie hiengen eng mit der Grundstücksüberlassung zusammen und sollen diese lediglich erleichtern. Dem jeweiligen Nutzer kommt es gerade darauf an, unter Ausschluss anderer für die Dauer der Veranstaltung eine Räumlichkeit zu erhalten. Die Organisationsleistung der Klägerin sowie die Bereitstellung von Strom, Wasser, Veranstaltungstechnik, Beleuchtung und dem Sanitärbereich sind für die Nutzer nur im Hinblick auf die Erlangung der Nutzungsmöglichkeit im Rahmen der jeweiligen Veranstaltung von Nutzen; keinesfalls jedoch prägend. Die Klägerin habe keine wesentlichen sonstigen Dienstleistungen, wie etwa gastronomische Zusatzleistungen angeboten. Außer dem Hausmeister sei den Nutzern kein Personal zur Verfügung gestellt worden. Die für die Durchführung der jeweiligen Veranstaltungen erforderlichen Tätigkeiten, wie z. B. Ordnungsdienst, Eingangskontrolle, Platzanweisung, Streu- und Räumpflicht während der Veranstaltung, Dekoration und Koordination, habe vielmehr dem jeweiligen Nutzer oblegen.

Auch nur kurzfristige Vermietungen sind steuerfrei

Dass die Klägerin die in der Halle vorhandenen Räumlichkeiten nur stunden- oder tageweise – und damit für einen kurzen Zeitraum – an ihre Nutzer überlassen habe, führe zu keinem anderen Ergebnis. Die Zeitdauer der Überlassung diene lediglich zur Abgrenzung der gemäß nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG steuerfreien Vermietung von Grundstücken von der gemäß § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG nicht steuerbefreiten Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält. Für die Frage, ob dem Nutzer das Recht eingeräumt wurde, ein Grundstück so in Besitz zu nehmen, als wäre er dessen Eigentümer, und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen, habe die Nutzungsdauer keine Bedeutung.

Für die Anschaffung der Betriebsvorrichtungen besteht nur ein anteiliges Vorsteuerabzugsrecht

Abweichend von der Auffassung des FA sei die Klägerin kein vollständiger Vorsteuerabzug aus der Anschaffung der Betriebsvorrichtungen zu gewähren, sondern ebenfalls nur i.H. von 23,40 %. Die Vermietung der Halle einschließlich der Betriebsvorrichtungen (Bühne, Hebebühne, Kücheneinrichtung, Tische und Stühle) stelle eine einheitliche Leistung dar. Hinsichtlich der (Mit-)Überlassung der Betriebsvorrichtungen handle es sich um eine untergeordnete Nebenleistung, die umsatzsteuerrechtlich ebenso zu behandeln sei wie die Hauptleistung nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG. Der Vorsteuerabzug sei damit nach § 15 Abs. 2 Satz 1 UStG grundsätzlich ausgeschlossen und könne daher nur in dem Umfang vorgenommen werden, in dem die Optionsmöglichkeit nach § 9 Abs. 1 und 2 UStG gegeben sei.

Die von der Klägerin überlassenen Betriebsvorrichtungen seien unselbstständige Nebenleistung zur steuerfreien Vermietung gewesen. Die mitverpachteten Betriebsvorrichtungen hätten in speziell abgestimmten Ausstattungselementen bestanden, die nur dazu dienten, die vertragsgemäße Nutzung der Halle als Veranstaltungsort unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Die Betriebsvorrichtungen der Klägerin seien im Hinblick auf die Nutzung der Räumlichkeiten angepasst. Die Beleuchtungs- und Tontechnik sei auf die Örtlichkeiten zugeschnitten. Auch die Kücheneinrichtung diene in ihrer Funktionalität der durch die Veranstalter oder Dritte durchzuführenden Bewirtschaftung auch größerer Veranstaltungen. Gleiches gilt für die Bühne und die Hebebühne.

Vorsteuerabzug aus den Eingangsleistungen zur Errichtung des öffentlichen Parkplatzes

Entgegen der Auffassung des FA stehe der Klägerin der anteilige Vorsteuerabzug aus den Eingangsleistungen zur Errichtung und zum Betrieb des Parkplatzes zu. Zwar sei eine Zuordnung von dem Allgemeingebrauch gewidmeten oder sonstigen öffentlichen Einrichtungen und Anlagen zum unternehmerischen Bereich grundsätzlich nicht möglich. Eine solche Widmung habe im Grundsatz zur Folge, dass der Gegenstand einer unternehmerischen Nutzung entzogen ist. Dies gelte aber nur dann, wenn die unternehmerische Nutzung deckungsgleich mit der Nutzung im Rahmen des Gemeingebrauchs sei. Soweit eine über den Gemeingebrauch hinausgehende Sondernutzung gegen Entgelt vorliege, sei anders zu entscheiden.

Im vorliegenden Fall bestehe ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Eingangsleistungen zur Herstellung des Parkplatzes und den Vermietungsumsätzen der Klägerin. Aus dem Lageplan zur Baugenehmigung der neuen Halle gehe hervor, dass 63 Stellplätze als notwendige Voraussetzung zur Erlangung der Baufreigabe vorgesehen waren. Vor diesem Hintergrund wäre die Baugenehmigung für die Halle ohne die Herstellung des Parkplatzes nicht erteilt worden. Daraus folge, dass die Herstellung des Parkplatzes für die Realisierung der neuen Halle unerlässlich gewesen sei und die Klägerin ihre wirtschaftliche Vermietungstätigkeit folglich nicht hätte ausüben können, wenn der Parkplatz nicht hergestellt worden wäre.

Diese Schlussfolgerung werde nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Parkplatz der Öffentlichkeit kostenlos zur Nutzung offenstehe. Aus den Gesamtumständen gehe hervor, dass die Arbeiten zur Herstellung des Parkplatzes in erster Linie im Hinblick auf die Errichtung und Nutzung der Halle erfolgten und daher mit der wirtschaftlichen Tätigkeit der Klägerin in Verbindung standen. Auch seien die mit dem Parkplatz geschaffenen 63 Stellplätze angesichts der Größe der Halle angemessen und gingen nicht über das hinaus, was erforderlich sei, damit die Klägerin ihre Vermietungsumsätze ausführen könne.

Saldierung

Der anteilige Vorsteuerabzug hinsichtlich des Parkplatzes führe nicht zu einer Herabsetzung der Umsatzsteuer, da eine Saldierung mit dem zu Unrecht gewährten Vorsteuerabzug aus den Betriebsvorrichtungen erfolge. Darin liege kein Verstoß gegen das Verböserungsverbot. Bei einer auf die betragsmäßige Änderung der Steuerfestsetzung gerichteten Klage liege eine Verböserung nämlich nicht vor, wenn der in Bezug auf einzelne, unselbstständige Besteuerungsgrundlagen erzielte Erfolg der Klage vom Gericht höchstens bis zum Betrag der ursprünglichen Steuerfestsetzung mit nachteiligen Änderungen bei anderen unselbstständigen Besteuerungsgrundlagen saldiert werde, selbst wenn diese vom Kläger mit der Klage nicht infrage gestellt worden seien.

Die unter dem Az. XI R 1/21 eingelegte Revision wurde zurückgenommen.

Quelle: FG Baden-Württemberg, Gerichtsbescheid 1 K 2427/19 vom 07.12.2020 (rkr)