Vorsteuerabzug eines Organträgers aus Eingangsrechnungen des Kantinenbetreibers für eine Organgesellschaft

  1. Bewirtschaftet ein externer Dienstleister aufgrund eines Dienstleistungsvertrags entgeltlich eine Betriebskantine für eine Organgesellschaft, erbringt er eine Dienstleistung an die Organgesellschaft und damit auch an die Organträgerin.
  2. Eine dem Vorsteuerabzug entgegenstehende unentgeltliche Wertabgabe liegt nicht vor, wenn die Bewirtschaftungsleistungen des Kantinenbetreibers im eigenen unternehmerischen Interesse des Arbeitgebers erfolgen, durch besondere Umstände der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens bedingt sind und das unternehmerische Interesse an der innerbetrieblichen Verköstigung den Vorteil, der sich für die dort Beschäftigten aus der verbilligten Abgabe der Speisen ergibt, deutlich überwiegt.

Sachverhalt

Die Klägerin ist umsatzsteuerliche Organträgerin der Organgesellschaft B GmbH. Die B GmbH ist ein im Schichtbetrieb produzierendes Unternehmen. Die B GmbH unterhält an ihrer Betriebsstätte eine Betriebskantine, die von einem externen Dienstleister im eigenen Namen und auf eigene Rechnung betrieben wird. In der Kantine können sämtliche Mitarbeiter der B GmbH von dem Dienstleister angebotene (Zwischen-)Mahlzeiten einnehmen, etwas trinken oder auch sich darin nur aufhalten, etwa um mitgebrachte Verpflegung zu verzehren. Mit dem Kantinenbetreiber und der Organgesellschaft besteht ein Dienstleistungsvertrag, der unter anderem regelt, wie der Dienstleister mit der Organgesellschaft abzurechnen hat. Wenn die Umsatzerlöse nicht zur Deckung des Wareneinsatzes sowie der Personal-, Gemein- und Verwaltungskosten ausreichten (Unterdeckung), stellte der Kantinenbetreiber eine monatliche Rechnung wegen Unterdeckung. Daneben stellte der Kantinenbetreiber eine Rechnung über eine fest vereinbarte Dienstleistungsvergütung zur Deckung der Overheadkosten sowie als Gewinnanteil. Das beklagte Finanzamt (FA) versagte aus diesen Rechnungen den von der Klägerin geltend gemachten Vorsteuerabzug, weil bereits bei Bezug der Leistung beabsichtigt gewesen sei, diese ausschließlich und unmittelbar für eine unentgeltliche Wertabgabe zu verwenden.

Aus den Gründen

Das Finanzgericht gab der Klage statt.

Leistung an das Unternehmen der Klägerin als Organträgerin

Die Leistung des Kantinenbetreibers sei an die Klägerin ausgeführt worden. Es bestehe ein entgeltlicher Leistungsaustausch zwischen dem Kantinenbetreiber und der Organgesellschaft der Klägerin. Mit der Bewirtschaftung der Kantine erbringe der Kantinenbetreiber eine Dienstleistung an die Organgesellschaft der Klägerin. Über seine Leistungen habe der Kantinenbetreiber gegenüber der Organgesellschaft der Klägerin monatlich mit Umsatzsteuerausweis abgerechnet. Dem Vorsteuerabzug stehe nicht entgegen, dass die Rechnungen an die Organgesellschaft der Klägerin gerichtet seien. Diese trete nach außen auf und sei zivilrechtlich selbstständig, jedoch umsatzsteuerrechtlich ein unselbstständiger Teil des Organträgers, der Klägerin. Infolgedessen sei die Klägerin als Organträgerin zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Leistung für das Unternehmen der Klägerin

Die Eingangsleistungen des Kantinenbetreibers seien an die Klägerin als Organträgerin für ihr Unternehmen ausgeführt worden. Zwar würde ein Vorsteuerabzug ausscheiden, wenn die erbrachte „Bewirtschaftungsleistung“ bereits im Zeitpunkt ihres Bezugs nicht für die wirtschaftliche Tätigkeit, sondern ausschließlich und unmittelbar für eine unentgeltliche Wertabgabe i. S. von § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG zu verwenden beabsichtigt gewesen sei, der Arbeitnehmer einen verbrauchbaren Vorteil erlangt habe, z.B. die Bewirtschaftung der Kantine dem privaten Bedarf der Arbeitnehmer diene und nicht durch besondere Umstände der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens bedingt sei.

Überwiegendes Arbeitgeberinteresse am Kantinenbetrieb

Unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls sei der Senat der Auffassung, dass das Interesse der Klägerin an der innerbetrieblichen Verköstigung den Vorteil, der sich für die dort Beschäftigten aus der verbilligten Abgabe der Speisen ergebe, deutlich überwiege. Die Leistungen seien im Streitjahr im eigenen unternehmerischen Interesse des Arbeitgebers erfolgt. Sie seien durch besondere Umstände der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens bedingt. Zu den besonderen Umständen gehörten im Streitfall: die Lage, die Betriebsart und die Betriebsführung der Organgesellschaft der Klägerin. Aufgrund der Art der Tätigkeit (ein Produktionsbetrieb, des Pausenreglements mit Stillstand der Fertigungslinien während der Pausen, die Kantinenbewirtschaftung innerhalb des Betriebsgeländes mit kurzen Wegen zwischen Produktion, Verpflegungsmöglichkeiten und „Aufenthaltsräumen“, um die Einhaltung der Pausenzeiten gewährleisten zu können), der Lage des Unternehmens (Ortsrand außerhalb eines Ballungsgebiets, die erschwerte Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln, die Parkplatzsituation) und der Möglichkeit, hierdurch einen Wettbewerbsvorteil bei der Suche nach qualifizierten Beschäftigten zu erlangen, dienten die Eingangsleistungen den wirtschaftlichen Zwecken der Klägerin. Ein reibungsloser Produktionsbetrieb diene der Ausführung steuerpflichtiger Leistungen. Auch eine Pause von 15 Minuten reiche aufgrund der innerbetrieblichen Raumaufteilung aus, um einen Snack zu holen oder sich am Verpflegungsautomaten zu bedienen. Dieser stünde auch außerhalb der Essensausgabezeiten zur Verfügung. Entgegen den Ausführungen des FA komme es für die umsatzsteuerrechtliche Würdigung nicht entscheidend darauf an, ob und wie eine „entspannte Mahlzeit“ eingenommen und ob Speisen von zu Hause mitgebracht werden könnten. Jedenfalls scheine es den Arbeitnehmern ein Anliegen zu sein, Verzehrmöglichkeiten vor Ort zu haben, wie die Einbindung des Betriebsrats in die konkrete Ausgestaltung zeige. Dies spreche für eine unternehmerische Mitveranlassung aufgrund der Lage des Produktionsstandorts.

Keine unentgeltliche Wertabgabe

Erscheine der persönliche Vorteil, den die Arbeitnehmer aus der verbilligten Überlassung von Mahlzeiten ziehen würden, gegenüber den Bedürfnissen des Unternehmens als nur untergeordnet, liege auch keine unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG vor, die einen Vorsteuerabzug ausschließen könnte. Unentgeltliche Leistungen an Arbeitnehmer seien nicht gegeben, wenn diese für die Arbeitnehmer zwar einen Nutzen erhielten, die Maßnahmen jedoch vorrangig im eigenen unternehmerischen Interesse des Arbeitgebers erfolgten.

Quelle: FG Baden-Württemberg, Mitteilung vom 10.07.2023 zum Urteil 12 K 2971/20 vom 06.10.2022 (rkr)