Wann kann ein Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend gemacht werden?

Wann kann ein Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend gemacht werden?

Kernfrage

Der Pflichtteilsanspruch der Kinder und Ehegatten ist die verfassungsrechtlich geschützte, in der Regel unentziehbare Mindestbeteiligung am Nachlass. Der Pflichtteil ist ein schuldrechtlicher Anspruch gegen den Erben in Höhe des halben gesetzlichen Erbteils, der dem Grunde nach in bar und sofort auszuzahlen ist. Zusätzlich zum Pflichtteilsanspruch sieht das Gesetz den Pflichtteilsergänzungsanspruch vor; er ist quasi Pflichtteil an Schenkungen, die der Erblasser innerhalb von 10 Jahren vor seinem Tod gemacht hat. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte nunmehr darüber zu befinden, ob ein Pflichtteilsergänzungsanspruch auch an solchen Schenkungen besteht, die vom Erblasser vorgenommen worden sind, als es den Pflichtteilsberechtigten noch gar nicht gab bzw. der Pflichtteilsberechtigte noch nicht pflichtteilsberechtigt war.

Sachverhalt

Die Kläger sind die Enkel der beklagten Großmutter. Sie wurden pflichtteilsberechtigt, nachdem sie den Platz ihrer vorverstorbenen Mutter erbrechtlich eingenommen hatten. Sie machen gegenüber der Großmutter im Rahmen des Erbfalls nach dem Großvater, dessen Alleinerbin die Großmutter geworden ist, Pflichtteilsergänzungsansprüche wegen Schenkungen geltend, die die Großmutter vor der Geburt der Kläger erhalten hatte.

Entscheidung

Zuletzt gab auch der BGH den Klägern Recht. Für das Bestehen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs ist es nicht erforderlich, dass die Pflichtteilsberechtigung sowohl im Zeitpunkt der ergänzungspflichtigen Schenkung als auch im Zeitpunkt des Entstehen des Pflichtteilsanspruches bzw. im Todeszeitpunkt vorgelegen habe. Denn für den Sinn und Zweck des Pflichtteilsergänzungsanspruches, nämlich den Erhalt einer Mindestbeteiligung am Nachlass des Erblassers, sei es erforderlich, alleine auf den Todeszeitpunkt abzustellen. Andernfalls könne man mit frühzeitigen Schenkungen den Nachlass aushöhlen.

Konsequenz

Die Entscheidung ist zu begrüßen, weil sie Klarheit schafft und gleichzeitig auf einen eindeutigen Stichtag abstellt. Mit der Entscheidung gibt der BGH seine bisherige Position und Rechtsprechung auf.