Wegzugsbesteuerung: Gestaltungsmöglichkeiten

Der Wegzug von vermögenden Privatpersonen ins Ausland kann die Wegzugsbesteuerung nach § 6 Außensteuergesetz (AStG) auslösen. Diese Regelung zielt darauf ab, die in Deutschland entstandenen stillen Reserven in privaten Unternehmensbeteiligungen zu besteuern, bevor das Besteuerungsrecht Deutschlands aufgrund des Wegzugs entfällt oder beschränkt wird.

Ziel einer vorausschauenden Planung ist es, Liquiditätsbelastungen zu vermeiden und eine Doppelbesteuerung zu verhindern.


Rechtsgrundlagen: Wann greift die Wegzugsbesteuerung?

Die Wegzugsbesteuerung betrifft Anteile an Kapitalgesellschaften im Privatvermögen. Sie wird ausgelöst, wenn:

  • Eine natürliche Person in den letzten 10 Jahren mindestens 5 Jahre unbeschränkt in Deutschland steuerpflichtig war.
  • Die Person zum Zeitpunkt des Wegzugs (Aufgabe des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts) mindestens 1 % der Anteile an einer Kapitalgesellschaft hält.

Rechtsfolge: Der Wegzug wird als „fiktiver Verkauf“ der Anteile zum gemeinen Wert (Marktwert) betrachtet. Der Gewinn – die bis dahin entstandenen stillen Reserven – wird nach dem Teileinkünfteverfahren (60 % steuerpflichtig) besteuert.

Wichtig: Anteile an Personengesellschaften oder Betriebsvermögen unterliegen anderen Entstrickungsnormen. Bleibt hier eine inländische Betriebsstätte bestehen, greift die Wegzugsbesteuerung für diese Anteile i. d. R. nicht.


Bewertung und Liquiditätsprobleme

Die Wegzugsteuer führt zu einem Liquiditätsproblem, da die Steuer fällig wird, ohne dass tatsächlich Geld aus einem Verkauf fließt.

  • Bemessungsgrundlage: Der gemeine Wert (Marktwert) der Anteile abzüglich der ursprünglichen Anschaffungskosten.
  • Praxis-Tipp: Die Bewertung sollte frühzeitig gestaltet werden. Ein substanziertes Gutachten (z. B. auf Basis von DCF-Verfahren oder Multiples) und die Dokumentation von wertmindernden Faktoren kann die Bemessungsgrundlage reduzieren.

Gestaltungsmöglichkeiten zur Vermeidung von Liquiditätsschocks

1. EU-Stundung und Rückkehrregelung

Ein Wegzug in einen Staat der EU/EWR (Europäischer Wirtschaftsraum) ermöglicht einen Steueraufschub (Stundung).

  • Bedingung: Der Aufschub erfolgt heute grundsätzlich ohne Sicherheitsleistung, erfordert aber die fortlaufende Erfüllung von Überwachungstatbeständen. Es dürfen keine schädlichen Ereignisse eintreten (z. B. Veräußerung, schädliche Ausschüttungen von mehr als 25 % des Wegzugsgewinns).
  • Rückkehr: Eine Rückkehr nach Deutschland binnen sieben Jahren (verlängerbar auf zwölf Jahre) führt zum Erlass der Wegzugsteuer, sofern kein schädliches Ereignis eingetreten ist.
  • Nachteil: Der Prozess ist administrativ anspruchsvoll (Monitoring, Compliance-Kalender).

2. Einbringung in eine inländische Personengesellschaft (GmbH & Co. KG)

Dies ist eine wirksame Gestaltung, um den fiktiven Verkauf zu verhindern.

  • Ziel: Die privaten GmbH-Anteile werden vor dem Wegzug in das Betriebsvermögen einer neu gegründeten GmbH & Co. KG eingebracht. Da die Anteile dann nicht mehr im Privatvermögen liegen, greift § 6 AStG nicht mehr.
  • Knackpunkt (Substanz): Die KG muss eine echte inländische Betriebsstätte besitzen und eine funktionale Verknüpfung zu den eingebrachten GmbH-Anteilen nachweisen (z. B. Managementleistungen, eigene Räume, Personal).
  • Wirkung: Die Besteuerung der stillen Reserven bleibt in Deutschland steuerverhaftet, wird aber auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Veräußerung aus der KG verschoben.

Der 10-Punkte-Plan vor dem Wegzug

Eine sorgfältige Planung ist essenziell, um die Wegzugsbesteuerung beherrschbar zu machen.

  1. Beteiligungsinventar: Quoten und Anschaffungskosten der Kapitalgesellschaftsanteile erfassen.
  2. Wertgutachten: Marktwert der Anteile dokumentieren.
  3. DBA-Analyse: Prüfen, ob das Zielland (im Beispiel Spanien) einen „Step-up“ (Anhebung der Anschaffungskosten auf den Einwanderungswert) gewährt, um eine Doppelbesteuerung der Alt-Reserven zu vermeiden.
  4. Gestaltungspfad wählen: Zwischen EU-Stundung und KG-Einbringung entscheiden.
  5. Substanzaufbau: Bei Wahl der KG-Route: Echte Betriebsstätte (Räume, Personal) schaffen.
  6. Governance & Dokumentation: Geschäftsleitung und Verträge in Deutschland für die KG sicherstellen.
  7. Ausschüttungspolitik: Bei EU-Stundung schädliche Ausschüttungen vermeiden.
  8. Liquiditätsplanung: Finanzierung vorbereiten, falls die Steuer droht.
  9. Registrierung im Zielland: Ansässigkeit und lokale Melde-/Anzeigepflichten klären.
  10. Verbindliche Auskunft: Bei komplexen und unsicheren Strukturen eine Klärung beim Finanzamt suchen.

Die Wegzugsbesteuerung ist beherrschbar, wenn die Planung 6 bis 12 Monate vor dem Umzug beginnt und die Bewertung, die DBA-Koordination und die Substanz der gewählten Struktur stimmen.