Wegzugsbesteuerung rechtmäßig? Ein kritischer Blick auf ein aktuelles Urteil

Die Debatte um die Wegzugsbesteuerung in Deutschland hat durch ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 6. September 2023, Aktenzeichen I R 35/20, neuen Schwung erhalten. Viele Steuerpflichtige und Berater fragen sich, ob die Wegzugsbesteuerung in ihrer aktuellen Form rechtmäßig ist oder ob es Möglichkeiten gibt, sich gegen sie zu wehren. Der Mythos, dass die Wegzugsbesteuerung insgesamt rechtswidrig sei, hält sich hartnäckig, doch was sagt die jüngste Rechtsprechung wirklich aus?

Das Urteil des BFH und seine Bedeutung

Im Kern bestätigt der BFH, dass das Unionsrecht und das Freizügigkeitsabkommen zwischen der EU und der Schweiz die Wegzugsbesteuerung nicht grundsätzlich verbieten. Diese Feststellung räumt mit dem Mythos auf, die Wegzugsbesteuerung sei per se rechtswidrig. Vielmehr liegt das Problem in den Modalitäten ihrer Erhebung.

Besonders kritisch sieht der BFH die Handhabung der Stundung der Steuerschuld. In Anlehnung an das EuGH-Urteil Wächtler, das eine dauerhafte und zinslose Stundung der Wegzugsbesteuerung für Wegzüge in die Schweiz im Jahr 2011 forderte, stellt der BFH fest, dass die deutsche Regelung, die eine solche Stundung nicht vorsieht, problematisch ist. Dieser Punkt ist besonders brisant, da er direkt die finanziellen Interessen der Steuerpflichtigen betrifft, die ins Ausland ziehen möchten.

Was bedeutet das für Steuerpflichtige?

Das Urteil lässt Raum für Interpretationen und mögliche rechtliche Schritte gegen die aktuelle Handhabung der Wegzugsbesteuerung in Deutschland. Für Steuerpflichtige, die von einer Wegzugsbesteuerung betroffen sind, könnte es lohnenswert sein, Steuerbescheide nicht einfach hinzunehmen, sondern diese offenzuhalten und gegebenenfalls rechtliche Schritte einzuleiten. Insbesondere könnte es sinnvoll sein, sich anhängigen Verfahren anzuschließen oder selbst ein Gerichtsverfahren zu suchen, um gegen die Wegzugsbesteuerung vorzugehen.

Weitere Angriffspunkte und Beratung

Neben der Frage der Stundung gibt es weitere Aspekte der aktuellen Regelung zur Wegzugsbesteuerung, die potenziell angreifbar sind. Dazu gehören unter anderem die Ausgestaltung der Steuerzahlungsbedingungen und die Frage, ob die aktuellen Regelungen mit internationalen Abkommen und dem EU-Recht vereinbar sind.

Für Betroffene empfiehlt es sich, fachkundige Beratung in Anspruch zu nehmen. Eine spezialisierte steuerliche Beratung kann nicht nur dabei helfen, die Wegzugsbesteuerung zu minimieren, sondern auch aufzeigen, welche rechtlichen Schritte in der aktuellen Situation sinnvoll und erfolgversprechend sein können.

Fazit

Das Urteil des BFH zur Wegzugsbesteuerung zeigt, dass nicht die Besteuerung an sich das Problem ist, sondern die Art und Weise, wie sie umgesetzt wird. Es öffnet die Tür für rechtliche Auseinandersetzungen und bietet Steuerpflichtigen die Möglichkeit, gegen als ungerecht empfundene Steuerforderungen vorzugehen. Angesichts der Komplexität der Materie und der sich ständig wandelnden Rechtslage ist eine professionelle Beratung unerlässlich, um die eigenen Rechte effektiv zu wahren und zu verteidigen.