Welche Beweiskraft hat eine Postzustellungsurkunde?

Welche Beweiskraft hat eine Postzustellungsurkunde?

Kernaussage
Die Postzustellungsurkunde begründet als öffentliche Urkunde den vollen Beweis der in ihr bezeugten Tatsachen, nämlich das Einlegen des Schriftstücks in den zum Wohn- oder Geschäftsraum gehörenden Briefkasten und dass der Postbedienstete unter der angegebenen Anschrift weder den Adressaten persönlich noch eine zur Entgegennahme einer Ersatzzustellung in Betracht kommende Person angetroffen hat. Der Gegenbeweis kann nur durch den Beweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen geführt werden. Die Möglichkeit, dass die in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen zutreffen, genügt, um von der Richtigkeit dieser Tatsachen auszugehen.

Sachverhalt
Der Kläger war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH. Diese hatte erhebliche Steuerrückstände und geriet im Jahr 2008 in Insolvenz, weshalb das beklagte Finanzamt den Kläger mit Bescheid vom 9.1.2008 in Haftung nahm. Der Bescheid wurde per Zustellungsurkunde an die Meldeadresse des Klägers versandt. In der Zustellungsurkunde war vermerkt, dass der Postbedienstete das Schriftstück in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt hatte. Der Kläger legte am 17.7.2010 gegen den Haftungsbescheid Einspruch ein und behauptete, der Bescheid sei ihm nie zugegangen. Eine Zustellung sei zudem nicht möglich gewesen, da das Haus, in dem er wohne, über 4 Briefkästen mit identischer Namensbezeichnung verfüge. Der Postbedienstete habe somit keine ordnungsgemäße Zuordnung zwischen Briefkasten und Wohnung des Klägers vornehmen können.

Entscheidung
Das Finanzgericht wies die Klage ab. Der Haftungsbescheid ist bestandskräftig, denn er wurde dem Kläger wirksam per Zustellungsurkunde bekannt gegeben. Der Kläger hat nicht den vollen Gegenbeweis der Unrichtigkeit der Zustellungsurkunde erbracht. Insofern muss die Beweiswirkung der Zustellungsurkunde vollständig entkräftet und jede Möglichkeit der Richtigkeit der in ihr bezeugten Tatsachen ausgeschlossen sein. Lediglich Zweifel an der Richtigkeit der Zustellungsurkunde reichen nicht aus. Nach Klägervortrag bestand zumindest die Möglichkeit, dass der Postbedienstete von vorhandenen Briefkästen den richtigen Briefkasten auswählte.

Konsequenz
Die Postzustellungsurkunde hat ihre entscheidende Bedeutung in Rechtsbehelfsverfahren, denn der Zeitpunkt der Zustellung ist für die Fristberechnung entscheidend.