Wertpapierleihe & Sicherungsübereignung: Wer ist wirtschaftlicher Eigentümer von Aktien?

Stand: Juni 2025

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 14. März 2024 (I R 15/21) klargestellt, unter welchen Bedingungen Aktien, die zur Sicherheit übereignet wurden, dem Sicherungsnehmer steuerlich zuzurechnen sind. Entscheidend ist die tatsächliche Verfügungsmacht – also die wirtschaftliche Eigentümerstellung i. S. d. § 39 AO.


🔎 Der Fall in Kürze

Eine Anlegerin hatte in großem Umfang mit ihrer Bank Wertpapierdarlehen und Gegengeschäfte (Wertpapierpensionsgeschäfte) durchgeführt. Dabei erhielt sie britische Aktien als Sicherheiten, über die sie frei verfügen konnte:

  • Eigene Ausübung der Stimmrechte
  • Freie Verfügung und Veräußerbarkeit
  • Pflicht zur Rückübertragung identischer Aktienmenge bei Beendigung

Dividenden wurden an die Bank weitergeleitet. Nach alter Rechtslage blieben diese steuerfrei – der Abfluss war jedoch als Betriebsausgabe abziehbar. Das Finanzamt unterstellte einen Missbrauch (§ 42 AO) und sah die Bank als wirtschaftlichen Eigentümer an.


⚖️ Was sagt der BFH dazu?

Der BFH widerspricht dem Finanzgericht und stellt klar:

➡️ Wirtschaftliches Eigentum liegt bei der Anlegerin, wenn sie:

  • Verfügungsgewalt über die Aktien hat (tatsächlich & rechtlich),
  • Stimmrechte ausüben kann,
  • und die Veräußerung der Aktien nicht vom Eintritt eines Sicherungsfalls abhängig ist.

Ob die Rechte auch subjektiv wahrgenommen werden, ist irrelevant. Für § 39 AO genügt die objektive Möglichkeit.


⚠️ Gestaltungsmissbrauch bleibt möglich

Zwar wurde die steuerliche Zurechnung der Aktien zur Klägerin bejaht, jedoch hat der BFH die Sache zur weiteren Prüfung zurückverwiesen. Im neuen Verfahrensgang muss das Finanzgericht klären, ob ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO) vorliegt – etwa durch gezielte Auswahl dividendentragender Papiere zur Verlustgenerierung.


🧾 Was bedeutet das für die Praxis?

Für die steuerliche Zurechnung von Aktien gelten drei zentrale Prüfkriterien:

  1. Trägt der Erwerber das Kursrisiko und die Chance?
  2. Kann er rechtlich & faktisch frei verfügen?
  3. Übt er Stimmrechte aus?

Sind diese Fragen zugunsten des Erwerbers zu beantworten, gilt er als wirtschaftlicher Eigentümer – auch bei Sicherungsübereignung.


📌 Fazit für Investoren & Berater:

  • Sicherungsübereignete Aktien können steuerlich beim Erwerber liegen, wenn er über substanzielle Rechte verfügt.
  • Die Zurechnung nach § 39 AO ist nicht identisch mit dem zivilrechtlichen Eigentum.
  • Gestaltungsmodelle mit Dividendentransfers sind jedoch genau zu prüfen – ein Gestaltungsmissbrauch kann den steuerlichen Vorteil kippen.

Gerne prüfen wir gemeinsam mit Ihnen Ihre Wertpapiertransaktionen unter dem Aspekt des wirtschaftlichen Eigentums. Bei Bedarf stellen wir auch Checklisten zur steuerlichen Zurechnung und Musterformulierungen zur Dokumentation zur Verfügung.