Wichtige Urteile zu Verspätungszuschlägen für Einkommensteuererklärungen: Ein Einblick in die juristische Praxis

In einem bedeutsamen Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts (Az. 3 K 88/22) vom 15. Dezember 2023 wurden die Richtlinien für die Festsetzung von Verspätungszuschlägen bei der verspäteten Abgabe von Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2018 und 2019 präzisiert. Dieses Urteil, welches aktuell unter dem Aktenzeichen VI R 2/24 beim Bundesfinanzhof (BFH) zur Revision anhängig ist, wirft Licht auf die komplexe rechtliche Lage im Umgang mit pandemiebedingten Fristverlängerungen und die daraus resultierenden Konsequenzen für Steuerpflichtige.

Hintergrund des Falles

Die Kläger, unterstützt durch einen Steuerberater, hatten ihre Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2018 und 2019 nach Ablauf der gesetzlichen Abgabefristen eingereicht. Besondere Aufmerksamkeit erforderte die Tatsache, dass aufgrund der Corona-Pandemie die Abgabefristen für diese Veranlagungszeiträume angepasst worden waren. Trotz dieser Anpassungen überschritten die Kläger auch die verlängerten Fristen, woraufhin das Finanzamt Verspätungszuschläge festsetzte.

Entscheidungen und Differenzierungen

Das Finanzgericht hat in seinem Urteil eine differenzierte Betrachtung der Jahre 2018 und 2019 vorgenommen:

  • Für das Jahr 2018 entschied das Gericht, dass Verspätungszuschläge nach § 152 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) zwingend festzusetzen sind, da keine offizielle Fristverlängerung vorlag und somit die gesetzlichen Vorgaben für eine zwingende Festsetzung erfüllt waren.
  • Für das Jahr 2019 hingegen hob das Gericht die Festsetzung der Verspätungszuschläge auf. Grund dafür war die gesetzliche Fristverlängerung durch den Gesetzgeber, die laut Gericht die Anwendung von § 152 Abs. 2 AO ausschließt. Somit könnten für das Jahr 2019 Verspätungszuschläge nur im Rahmen einer Ermessensentscheidung nach § 152 Abs. 1 AO festgesetzt werden.

Implikationen des Urteils

Diese Entscheidung hat weitreichende Implikationen für die steuerliche Praxis und die Behandlung von Verspätungszuschlägen:

  1. Klarheit über gesetzliche Fristverlängerungen: Das Urteil verdeutlicht, dass gesetzliche Fristverlängerungen anders zu bewerten sind als individuelle oder behördliche Fristverlängerungen und dies Auswirkungen auf die Möglichkeit zur Festsetzung von Verspätungszuschlägen hat.
  2. Bedeutung der Ermessensentscheidung: Für das Jahr 2019 unterstreicht das Urteil die Wichtigkeit der Ermessensentscheidung des Finanzamtes und die Notwendigkeit, individuelle Gründe der Steuerpflichtigen bei der Festsetzung von Verspätungszuschlägen zu berücksichtigen.
  3. Rechtliche Unsicherheit: Das Urteil setzt sich in Widerspruch zu Entscheidungen anderer Finanzgerichte und verdeutlicht damit die bestehende rechtliche Unsicherheit bezüglich der Handhabung von Verspätungszuschlägen in pandemiebedingten Sonderfällen.

Fazit

Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts liefert eine wichtige juristische Perspektive auf die Behandlung von Verspätungszuschlägen im Kontext der Corona-Pandemie. Es unterstreicht die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung der gesetzlichen Regelungen und die Berücksichtigung individueller Umstände. Die anstehende Revision beim BFH wird weitere Klarheit in diese komplexe Rechtsmaterie bringen und ist für Steuerpflichtige und ihre Berater von großem Interesse.