Fragen an die WPK zeigen Unsicherheit im Berufsstand hinsichtlich der verpflichtenden Anwendung der ISA in Deutschland. Nachfolgend gibt die WPK einen Überblick zur aktuellen und zukünftigen Rechtslage nach heutigem Kenntnisstand.
Die geänderte Abschlussprüferrichtlinie und die neue Abschlussprüferverordnung sehen vor, dass Abschlussprüfungen zukünftig unter Beachtung der von der EU-Kommission angenommenen internationalen Prüfungsstandards durchzuführen sind. Die Richtlinie muss bis zum 17. Juni 2016 in nationales Recht transformiert werden, die Verordnung wird dann unmittelbar gelten.
Mit dem Inkrafttreten der Richtlinie und unmittelbarer Geltung der Verordnung am 17. Juni 2016 ergibt sich jedoch keine gesetzliche Pflicht zur unmittelbaren Anwendung bei der Abschlussprüfung in Deutschland, sofern nicht die internationalen Prüfungsstandards zuvor durch die EU-Kommission im Wege delegierter Rechtsakte angenommen worden sind.
Aktuelle Rechtslage
Die aktuell noch geltende Abschlussprüferrichtlinie (2006/43/EG einschließlich der Änderungen aus der Richtlinie 2008/30/EG) regelt in Artikel 26 Abs. 1 unter anderem, dass die Mitgliedstaaten die Abschlussprüfer und Prüfungsgesellschaften verpflichten, Abschlussprüfungen unter Beachtung von der Kommission angenommener internationaler Prüfungsstandards durchzuführen.
In Deutschland wurde dies in § 317 Abs. 5 HGB geregelt, wonach „bei der Durchführung einer Prüfung […] der Abschlussprüfer die internationalen Prüfungsstandards anzuwenden [hat], die von der Europäischen Kommission […] angenommen worden sind.“
Demnach sind internationale Prüfungsstandards verpflichtend anzuwenden, wenn diese von der EU-Kommission im Wege delegierter Rechtsakte angenommen worden sind.
Gemäß der bisherigen Abschlussprüferrichtlinie (Artikel 2 Nr. 11) sind „Internationale Prüfungsstandards„ definiert als International Standards on Auditing (ISA) und damit zusammenhängende Stellungnahmen und Standards, soweit sie für die Abschlussprüfung relevant sind.
Da die EU-Kommission die ISA bislang noch nicht angenommen hat, sind sie gegenwärtig noch nicht gesetzlich verpflichtend bei der Prüfung von Jahresabschlüssen in Deutschland anzuwenden. Die freiwillige Anwendung ist jedoch zulässig.
Zukünftige Rechtslage
Richtlinie und Verordnung enthalten Regelungen zur Anwendung von internationalen Prüfungsstandards, die sich jedoch nicht materiell voneinander unterscheiden.
* Abschlussprüferrichtlinie (2014/56/EU zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG)
Die Richtlinie sieht vor (Artikel 26 Abs. 1), dass „die Mitgliedstaaten […] die Abschlussprüfer und Prüfungsgesellschaften [verpflichten], Abschlussprüfungen unter Beachtung der von der Kommission nach Absatz 3 angenommenen internationalen Prüfungsstandards durchzuführen“.
Die „internationalen Prüfungsstandards“ werden definiert als
- International Standards on Auditing (ISA),
- International Standard on Quality Control 1 (ISQC 1) und
- andere damit zusammenhängende Standards, die vom Internationalen Wirtschaftsprüferverband (IFAC) über das International Auditing and Assurance Standards Board (IAASB) herausgegeben wurden, soweit sie für die Abschlussprüfung relevant sind“ (Artikel 26 Abs. 2).
Die EU-Kommission erhält die Befugnis (Artikel 26 Abs. 3), mittels delegierter Rechtsakte (vgl. Artikel 48a) die internationalen Prüfungsstandards in den Bereichen Prüfungsverfahren, Unabhängigkeit und interne Qualitätssicherung zur Anwendung innerhalb der Union anzunehmen.
Allerdings müssen die internationalen Prüfungsstandards eine Reihe von Anforderungen erfüllen, damit sie für eine Annahme durch die EU-Kommission zulässig sind. So müssen die Standards
- in einem einwandfreien Verfahren mit angemessener öffentlicher Aufsicht und Transparenz erstellt worden und international allgemein anerkannt sein
- beim Abschluss zu einem hohen Maß an Glaubwürdigkeit und Qualität beitragen
- dem Gemeinwohl in der Union dienen und
- mit geringfügigen Ausnahmen keine Änderungen oder Ergänzungen der Anforderungen der Richtlinie enthalten.
* Abschlussprüferverordnung (Verordnung (EU) Nr. 537/2014)
Die Abschlussprüferverordnung, die nur für Abschlussprüfungen bei Unternehmen von öffentlichem Interesse (Public Interest Entities – PIE) gilt, sieht keine direkte Verpflichtung für PIE-Prüfer zur Durchführung von Abschlussprüfungen unter Beachtung internationaler Prüfungsstandards vor.
Artikel 9 der Verordnung überträgt lediglich der EU-Kommission die Befugnis, die internationalen Prüfungsstandards gemäß Artikel 26 der Richtlinie im Wege delegierter Rechtsakte in den Bereichen Prüfungsverfahren, Unabhängigkeit und interne Qualitätssicherungssysteme von Abschlussprüfern und Prüfungsgesellschaften zur Anwendung innerhalb der Union anzunehmen. Dabei wird auch auf die Anforderungen an die Prüfungsstandards nach Art. 26 Abs. 3 der Richtlinie verwiesen.
Gemäß Abschlussprüferverordnung haben allerdings EU-Parlament und Rat lediglich eine Frist von zwei statt vier Monaten (jeweils mit Verlängerungsoption um zwei weitere Monate), um Einwände gegen einen durch die EU-Kommission erlassenen Rechtsakt zu erheben.
* Referentenentwurf des BMJV: Abschlussprüfungsreformgesetz (AReG)
Im Rahmen der Umsetzung der EU-Regelungen zur Abschlussprüfung in Deutschland hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) am 27. März 2015 den Entwurf eines AReG veröffentlicht.
Danach soll § 317 Abs. 5 HGB materiell nicht geändert werden. Es bleibt also dabei, dass die gesetzliche Pflicht zur unmittelbaren Anwendung internationaler Prüfungsstandards erst dann besteht, wenn diese von der EU-Kommission angenommen worden sind.
Dies wird auch im neuen § 322 Abs. 1a HGB-E bestätigt, wonach „bei der Erstellung des Bestätigungsvermerks […] der Abschlussprüfer die internationalen Prüfungsstandards anzuwenden [hat], die von der Europäischen Kommission in dem Verfahren nach Artikel 26 Absatz 3 der Richtlinie 2006/43/EG angenommen worden sind.“
Aktuell ist noch nicht absehbar, wann die Annahme erfolgt.
Zusammenfassung und Hinweis für die Berufspraxis
Ohne vorherige Annahme der internationalen Prüfungsstandards durch die EU-Kommission im Wege delegierter Rechtsakte ergibt sich mit dem Inkrafttreten der Richtlinie und der Wirksamkeit der Verordnung am 17. Juni 2016 keine gesetzliche Pflicht zur Anwendung der ISA bei der Abschlussprüfung in Deutschland.
Gleiches wird im Ergebnis auch für künftige neue Prüfungsstandards des IAASB gelten.
Mit Annahme der ISA durch die Kommission und mit der damit verbundenen Pflicht zur unmittelbaren Anwendung der ISA sollten sich in Deutschland allerdings bei der Durchführung von Abschlussprüfungen keine großen Änderungen ergeben, da die vom Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) herausgegebenen Prüfungsstandards zur Abschlussprüfung den ISA weitestgehend entsprechen.
Abweichungen oder Ergänzungen betreffen im Wesentlichen die derzeitige deutsche Rechtssituation (zum Beispiel Lagebericht, Prüfungsbericht). Diese sind allerdings auch zukünftig zugelassen, da gemäß Artikel 26 Abs. 4 der Abschlussprüferrichtlinie Mitgliedstaaten „neben den von der Kommission angenommenen internationalen Prüfungsstandards zusätzliche Prüfverfahren oder Prüfungsanforderungen [vorschreiben dürfen], wenn diese Prüfverfahren und Prüfungsanforderungen erforderlich sind, um den nationalen rechtlichen Anforderungen in Bezug auf den Umfang der Abschlussprüfungen Wirkung zu verleihen“.
Quelle: WPK, Mitteilung vom 07.05.2015