Das Finanzgericht Münster hat mit Urteil vom 2. September 2024 entschieden, dass eine Ausbildungsstätte nicht als erste Tätigkeitsstätte gilt, wenn ein Beamter im Wege einer mehrfach verlängerten Versetzung über mehrere Jahre an der Ausbildungsstätte eingesetzt wird. Diese Entscheidung betraf den Fall zweier Beamter, die von ihrem Dienstort auf eine befristete Lehrtätigkeit an eine Ausbildungsstätte versetzt wurden.
Hintergrund des Falls
Die Kläger, zwei Beamte des Landes Nordrhein-Westfalen, wurden im Jahr 2012 bzw. 2013 an eine Ausbildungsstätte versetzt. Ursprünglich war die Versetzung auf vier Jahre befristet, jedoch wurde diese mehrfach um jeweils zwei Jahre verlängert. In ihrer Einkommensteuererklärung für 2020 machten sie die Fahrten zur Ausbildungsstätte als Reisekosten geltend, da sie die Ausbildungsstätte nicht als ihre erste Tätigkeitsstätte ansahen. Das Finanzamt hingegen berücksichtigte nur die Entfernungspauschale und ging davon aus, dass die Ausbildungsstätte die erste Tätigkeitsstätte sei.
Entscheidung des Gerichts
Der 15. Senat des Finanzgerichts Münster entschied zugunsten der Kläger und erkannte die Fahrten als Reisekosten an. Nach der gesetzlichen Regelung werde die erste Tätigkeitsstätte vorrangig durch die arbeits- oder dienstrechtliche Zuordnung des Arbeitnehmers bestimmt. Da im vorliegenden Fall keine dauerhafte Zuordnung zur Ausbildungsstätte vorlag, sondern lediglich eine befristete Versetzung, sei die Ausbildungsstätte nicht als erste Tätigkeitsstätte anzusehen. Die Kläger wurden ursprünglich für einen Zeitraum von vier Jahren versetzt, und auch die anschließenden Verlängerungen änderten nichts daran, dass der Einsatz nur befristet war.
Begründung
Das Gericht stellte klar, dass nach § 9 Abs. 4 Satz 3 EStG eine dauerhafte Zuordnung vorliegen muss, um von einer ersten Tätigkeitsstätte sprechen zu können. Da die Kläger ursprünglich nur befristet versetzt wurden, sah das Finanzgericht die Ausbildungsstätte nicht als dauerhafte erste Tätigkeitsstätte an. Auch der Umstand, dass die Kläger über mehrere Jahre regelmäßig an der Ausbildungsstätte tätig waren, änderte nichts an der steuerlichen Beurteilung, da diese Beurteilung aus einer ex-ante-Perspektive zu erfolgen habe.
Das Finanzgericht stellte zudem fest, dass der flexible und befristete Einsatz der Kläger im Konzept des Dienstherrn vorgesehen war, wodurch eine dauerhafte Zuordnung zur Ausbildungsstätte ausgeschlossen war.
Fazit
Die Entscheidung des Finanzgerichts Münster zeigt, dass eine zeitlich befristete Versetzung an eine Ausbildungsstätte, selbst bei mehrmaliger Verlängerung, nicht automatisch zur Annahme einer ersten Tätigkeitsstätte führt. Dies hat zur Folge, dass die Fahrten zur Ausbildungsstätte weiterhin als Reisekosten absetzbar sind, was insbesondere für Beamte mit befristeten Einsätzen von Bedeutung ist.
Das Gericht hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen, sodass in Zukunft noch eine abschließende Klärung durch das höchste deutsche Finanzgericht erfolgen könnte.
Quelle: Finanzgericht Münster, Newsletter Oktober 2024