Zur Bestandskraft eines ablehnenden Kindergeldbescheides wegen unrichtiger Rechtsbehelfsbelehrung

Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist unrichtig i. S. des § 356 Abs. 2 Satz 1 AO, wenn sie in einer der gemäß § 356 Abs. 1 AO wesentlichen Aussagen (Mindestanforderungen) unzutreffend oder derart unvollständig oder missverständlich gefasst ist, dass hierdurch – bei objektiver Betrachtung – die Möglichkeit zur Fristwahrung gefährdet erscheint.

Mit Urteil vom 21. März 2018 (Az. 1 K 205/15) hat der 1. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts einer Klage stattgegeben, mit der zuletzt noch die Bestandskraft eines ablehnenden Kindergeldbescheides mit dem Argument bestritten worden war, die Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides sei unrichtig i. S. d. § 356 Abs. 2 Satz 1 AO gewesen.

Die Rechtsbehelfsbelehrung des angefochtenen Bescheides lautete auszugsweise wie folgt: „Der Einspruch ist bei der Familienkasse X mit Sitz in Y-Stadt schriftlich einzureichen, dieser elektronisch zu übermitteln oder dort zur Niederschrift zu erklären.“ Eine konkrete Postanschrift der Behörde ist in der Rechtsbehelfsbelehrung nicht benannt. Der Bescheid enthält in Kopf- und Fußzeile folgende Adressangaben: „Familienkasse X, A-Straße, Z-Stadt“. Die Besucheradresse ist ebenfalls mit „A-Straße, Z-Stadt“ angegeben. Eine Behördenadresse in Y-Stadt ist im Bescheid nicht angegeben.

Die Rechtsbehelfsbelehrung ist nach Auffassung des 1. Senats des Finanzgerichts unrichtig, weil in ihr eine der gemäß § 356 Abs. 1 AO wesentlichen Aussagen (Mindestanforderungen) derart missverständlich gefasst ist, dass hierdurch – bei objektiver Betrachtung – die Möglichkeit zur Fristwahrung gefährdet erscheint. Zwar sei die Angabe der postalischen Anschrift der Behörde in § 356 Abs. 1 AO für die Rechtsbehelfsbelehrung nicht vorgeschrieben. Eine entsprechende Verpflichtung ergebe sich auch nicht daraus, dass über den Sitz der Behörde zu belehren sei. Denn der Sitz der Behörde sei der geographische Ort, an dem sie räumlich untergebracht sei und an dem sich der Mittelpunkt ihrer Verwaltung befinde. Dieser Ort sei aber nicht gleichzusetzen mit der postalischen Anschrift einer Behörde. Hier sei in der Rechtsmittelbelehrung allerdings ein Behördensitz in Y-Stadt angegeben, während in dem Bescheid selbst nirgendwo eine Adresse in Y-Stadt angegeben sei. Es finde sich dort lediglich die Angabe einer genau bezeichneten Adresse in Z-Stadt. Bei dieser Ausgangslage bleibe unklar, ob der Einspruch in zulässiger Weise auch an die Adresse in Z-Stadt gesandt werden könne oder ob er an eine noch selbst herauszusuchende genaue Adresse in Y-Stadt zu senden sei. Diese Unklarheit werde auch aus dem Gesamtzusammenhang des Bescheides heraus nicht nachvollziehbar aufgelöst, so dass – gemessen am objektiven Empfängerhorizont – von einer insgesamt widersprüchlichen und damit objektiv unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung auszugehen sei.

Darauf, dass sich die widersprüchlichen Angaben in dem Bescheid, betreffend die Erreichbarkeit der Einspruchsbehörde, im Streitfall möglicherweise nicht konkret ausgewirkt haben, komme es nicht an. Die verlängerte Rechtsbehelfsfrist von einem Jahr gelte bereits dann, wenn die Angaben unvollständig oder missverständlich gefasst seien und hierdurch – bei objektiver Betrachtung – die Möglichkeit zur Fristwahrung gefährdet erscheine.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle: FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 02.07.2018 zum Urteil 1 K 205/15 vom 21.03.2018 (rkr)