Zur Fiktionswirkung des § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG

Mit seinem Urteil vom 28. November 2013 (Az. 1 K 35/12) hat der 1. Senat des FG entschieden, dass § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG eine gesetzliche Fiktion enthält, die Verzögerungen durch verspätete Bescheinigungen einer Einlagenrückgewähr vermeiden soll. Daher gelte eine Einlagenrückgewähr von 0 Euro als bescheinigt, wenn eine Bescheinigung mit dem nach § 27 Abs. 3 KStG erforderlichen Inhalt nicht bis zum Tage der erstmaligen Feststellung des steuerlichen Einlagekontos erfolgt sei.
Die Klägerin, eine GmbH, verfügte zum 31. Dezember 2008 über eine freie Kapitalrücklage in Höhe von 25.565 Euro. Am 27. November 2009 beschloss die Gesellschafterversammlung der Klägerin, dass die Kapitalrücklage aufgelöst und an den alleinigen Gesellschafter zurückgezahlt werden solle. In der Erklärung zur gesonderten Feststellung des steuerlichen Einlagenkontos, die Ende Juli 2010 bei dem FA einging, war der Kontensaldo allerdings unverändert mit 25.565 Euro angegeben. Mit Bescheid vom 9. September 2010, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erging, wurde ein entsprechender Betrag festgestellt. Anfang Dezember 2010 beantragte die Klägerin die Änderung dieses Feststellungsbescheides. Die Ende 2009 beschlossene und durchgeführte Kapitalrückzahlung sei zu berücksichtigen, das Einlagekonto daher mit 0 Euro festzustellen. Dem Antrag fügte die Klägerin eine entsprechende Steuerbescheinigung bei.

Das Finanzamt lehnte die Änderung ab. Gem. § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG komme ein Direktzugriff auf das Einlagekonto grundsätzlich nicht mehr in Betracht. Angesichts der in § 27 Abs. 5 Satz 3 KStG geregelten Verwendungsfortschreibung trete eine Verringerung aufgrund einer nachträglichen Steuerbescheinigung nicht mehr ein. Da die Klägerin der Aufforderung zur Abgabe einer Kapitalertragsteueranmeldung nicht nachkam, wurde ein Haftungsbescheid gem. § 44 Abs. 5 EStG gegen sie erlassen.

Der 1. Senat hat die Klage abgewiesen. Das Finanzamt habe die Änderung des Feststellungsbescheides zu Recht abgelehnt, weil die Anforderungen, die § 27 KStG in der für das Streitjahr 2009 geltenden Fassung für die steuerliche Anerkennung einer Kapitalrückzahlung als Leistung aus dem Einlagekonto stelle, nicht erfüllt seien. Dem stehe die Fiktionswirkung des § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG entgegen. Es könne nicht festgestellt werden, dass die von der Klägerin vorgelegte Steuerbescheinigung bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Feststellungsbescheides vom 9. September 2010 erstellt worden sei. Der Gesellschafterbeschluss vom 27. November 2009 könne schon deshalb nicht als „rechtzeitige“ Steuerbescheinigung angesehen werden, weil er keine Angaben über Leistungen aus dem steuerlichen Einlagekonto enthalte. Keine andere Beurteilung ergebe sich daraus, dass der Feststellungsbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehe. Denn das Gesetz stelle ausdrücklich nicht auf den Gesichtspunkt der Bestandskraft ab. Da der Gesetzgeber insofern eine zielgerichtete Änderung der bis 2005 geltenden Rechtslage vorgenommen habe, komme eine andere Sichtweise auch nicht im Wege der Auslegung und/oder teleologischen Reduktion bzw. auf der Grundlage sachlicher Billigkeitsmaßnahmen in Betracht; etwaige Härten habe der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen. Die Fiktionswirkung des § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG stehe auch einer auf § 129 AO gestützten Änderung entgegen, die die Klägerin ebenfalls geltend gemacht hatte. Schließlich verstoße § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG nicht gegen höherrangiges Recht. Der Gesetzgeber überschreite seine Gestaltungskompetenz jedenfalls dann nicht, wenn er im Interesse der rechtssicheren Bearbeitung von Steuerfällen zwar mit Fiktionen und materiellrechtlich wirkenden Ausschlussfristen arbeite, die Einhaltung der Gesetzesvorgaben bei Anwendung zumutbarer Sorgfalt aber ohne weiteres möglich sei. So liege es hier, denn die Klägerin habe vom Tag der Beschlussfassung Ende November 2009 bis zum Ergehen des Feststellungsbescheides Anfang September 2010 Zeit gehabt, die gesetzlichen Vorgaben umzusetzen. Eine Aufhebung des Haftungsbescheides komme wegen der Bindungswirkung des Feststellungsbescheides nicht in Betracht, angesichts derer von einer steuerpflichtigen Ausschüttung auszugehen sei.

Der 1. Senat hat die Revision gegen das Urteil zugelassen, das Verfahren ist beim BFH unter dem Aktenzeichen I R 3/14 anhängig.

Quelle: FG Schleswig-Holstein, Mitteilung vom 31.03.2014 zum Urteil 1 K 35/12 vom 28.11.2013