§ 6b-Rücklage in der Personengesellschaft: Übertragung durch Mitunternehmer in Ergänzungsbilanzen

FG Schleswig-Holstein zur gesellschafterbezogenen Ausübung des Bilanzierungswahlrechts – Urteil rechtskräftig


Die steuerneutrale Reinvestition von Veräußerungsgewinnen über die Bildung einer § 6b-Rücklage ist ein bewährtes Gestaltungsinstrument – auch im Rahmen von Personengesellschaften. Doch was passiert, wenn sich die Beteiligungsverhältnisse der Mitunternehmer zwischen Rücklagenbildung und Reinvestition ändern?

Mit Urteil vom 10. Juli 2024 (Az. 2 K 14/23) hat das Finanzgericht Schleswig-Holstein klargestellt, dass Mitunternehmer ihr Wahlrecht zur Übertragung der § 6b-Rücklage auf Reinvestitionsobjekte unterschiedlich ausüben können – allerdings nur bei gesonderter Ausweisung in Ergänzungsbilanzen. Wird die Rücklage hingegen einheitlich in der Gesamthandsbilanz gebildet, wirkt sie auch nur entsprechend der Beteiligungsverhältnisse zum Zeitpunkt der Veräußerung.

Das Urteil ist rechtskräftig – und für die steuerliche Praxis von hoher Relevanz.


Worum ging es konkret?

Eine Kommanditgesellschaft hatte im Jahr 2006 ein Grundstück erworben, auf das sie eine § 6b-Rücklage aus dem Verkauf eines anderen Grundstücks übertrug – einheitlich in der Gesamthandsbilanz. Zum Zeitpunkt der Übertragung hielt ein Kommanditist 95 % der Anteile.

Nach einem Gesellschafterbeitritt reduzierte sich dessen Beteiligung bis 2012 auf 36 %. Im Jahr 2013 veräußerte die KG das neue Grundstück, und die Gesellschaft wollte für denselben Kommanditisten eine neue Rücklage in Höhe von 47,5 % bilden – also ausgehend von seiner früher höheren Beteiligung.

Das Finanzamt akzeptierte das nicht. Es erkannte nur eine Rücklage von 36 % an – entsprechend seiner Beteiligung zum Veräußerungszeitpunkt – und korrigierte die fehlerhafte Rücklage im Folgejahr.


Die Entscheidung des Finanzgerichts

Das FG Schleswig-Holstein gab dem Finanzamt Recht:

  • Die Kommanditisten können das Wahlrecht zur § 6b-Rücklage auch über Ergänzungsbilanzen individuell ausüben.
  • Wird das Wahlrecht aber einheitlich in der Gesamthandsbilanz ausgeübt, richtet sich die spätere Gewinnzurechnung nach den Beteiligungsverhältnissen zum Zeitpunkt der Veräußerung.
  • Eine abweichende Behandlung in Ergänzungsbilanzen wäre möglich gewesen – aber es fehlte an der erforderlichen Dokumentation in Form korrespondierender Korrekturwerte.
  • Hinweise in der GuV oder anderen Unterlagen reichen nicht aus, um eine gesellschafterindividuelle Ausübung des Bilanzierungswahlrechts zu belegen.
  • Der fehlerhafte Rücklagenanteil von 11,5 % durfte daher in der ersten noch offenen Bilanz (WJ 2015) aufgelöst werden – auf Basis des formellen Bilanzzusammenhangs.

Praxisfolgen: Wann die Ergänzungsbilanz entscheidend ist

Die Entscheidung verdeutlicht:

Wahlrechte nach § 6b EStG können grundsätzlich auch gesellschafterbezogen ausgeübt werden,
❗️aber nur über korrekte Darstellung in Ergänzungsbilanzen mit abweichenden Korrekturwerten,
⚠️ und nicht durch bloße Hinweise oder Schätzungen.

Tipp: Änderungen der Beteiligungsquoten zwischen Rücklagenbildung und Reinvestition sollten unverzüglich bilanziell nachvollzogen und über Ergänzungsbilanzen korrekt abgebildet werden. Wer das versäumt, riskiert die nachträgliche Auflösung der Rücklage – mit entsprechender Steuerbelastung.


Fazit: Rücklagenübertragung sauber dokumentieren

Für Steuerberater:innen und Mandanten mit Beteiligungen an Personengesellschaften gilt:
Die Rücklage nach § 6b EStG ist kein „Selbstläufer“. Sie muss formal korrekt gebildet und übertragen werden – insbesondere bei sich ändernden Gesellschafterverhältnissen. Nur wer frühzeitig Ergänzungsbilanzen mit individuellen Korrekturwerten erstellt, kann eine anteilsabweichende Rücklagenbildung absichern.

Checkliste: Übertragung einer Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG in Ergänzungsbilanzen von Mitunternehmern

Ziel: Ordnungsgemäße und steuerlich wirksame Übertragung einer in der Gesamthandsbilanz gebildeten Rücklage in die Ergänzungsbilanz einzelner Mitunternehmer.


1. Vorab: Grundsätze zur Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG

  • § 6b EStG erlaubt die Bildung einer steuerfreien Rücklage für Gewinne aus der Veräußerung bestimmter Anlagegüter.
  • Die Rücklage kann auf Reinvestitionen übertragen werden.
  • Bei Personengesellschaften kann die Rücklage sowohl in der Gesamthandsbilanz als auch in Ergänzungsbilanzen der Mitunternehmer geführt werden.

2. Wahlrecht zur Rücklageübertragung – Einheitlich oder individuell?

  • Einheitliche Ausübung des Wahlrechts: Rücklage wird in der Gesamthandsbilanz gebildet.
  • Individuelle Ausübung: Bildung in der Ergänzungsbilanz des einzelnen Mitunternehmers.
  • Achtung: Eine gesellschafterbezogene Behandlung erfordert ausdrücklich geführte Ergänzungsbilanzen mit abweichenden Korrekturwerten!

3. Zeitpunkt der Rücklagebildung und Beteiligungsverhältnisse

  • Für die korrekte Aufteilung ist das Beteiligungsverhältnis zum Zeitpunkt der Veräußerung des Reinvestitionsobjekts entscheidend.
  • Nachträgliche Änderungen der Beteiligung beeinflussen die Verteilung des Veräußerungsgewinns.

4. Dokumentation in der Ergänzungsbilanz

  • Ergänzungsbilanzen müssen bei abweichender Verteilung der Rücklage Korrekturwerte zur Gesamthandsbilanz enthalten.
  • Diese müssen explizit bilanziell erfasst werden – Hinweise in G+V oder sonstige Unterlagen genügen nicht.

5. Korrektur fehlerhafter Rücklageansätze

  • Eine fehlerhafte Rücklage kann im Rahmen des formellen Bilanzzusammenhangs nur in der nächsten noch offenen Bilanz korrigiert werden.
  • Die Finanzverwaltung ist berechtigt, unzulässig gebildete Rücklagen im Folgejahr aufzulösen.

6. Praxistipp zur Vermeidung von Streitigkeiten

  • Bereits bei Bildung der Rücklage klar dokumentieren, wie das Wahlrecht ausgeübt wurde.
  • Beteiligungsverhältnisse laufend dokumentieren und bei Veräußerungen prüfen.
  • Bei Reinvestitionen klare Absprachen zur Verteilung der Rücklage und entsprechende bilanzielle Umsetzung.

Fazit: Die Übertragung einer Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG in Ergänzungsbilanzen ist möglich, erfordert aber eine klare Dokumentation und konsistente Bilanzierung. Fehlerhafte oder unterlassene Korrekturwerte können zu steuerlich nachteiligen Korrekturen führen.


Hinweis: Bei komplexen Beteiligungsänderungen und größeren Reinvestitionsvorhaben sollte steuerlicher Rat eingeholt werden, um Gestaltungsspielräume korrekt zu nutzen.