Kindergeld – Ermittlung des Lebensbedarfs eines behinderten Kindes

Kindergeld wird einem Kind gewährt, welches wegen einer vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Infolgedessen kommt es darauf an, ob das Kind seinen existenziellen Lebensbedarf mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln decken kann. Das Finanzgericht Baden-Württemberg entschied mit Urteil vom 14. April 2022 Az. 1 K 2137/21, dass bei der Ermittlung der dem Kind zur Verfügung stehenden Mittel nur der steuerpflichtige Ertragsanteil einer privaten Rente zu berücksichtigen sei. Das Finanzgericht setzte sich außerdem mit verfahrensrechtlichen Fragen, dem Bekanntgabezeitpunkt bei Einschaltung eines privaten Postdienstleisters und der von der beklagten Familienkasse angewandten Änderungsnorm, auseinander. Es ließ die Revision beim Bundesfinanzhof zu.

Die beklagte Familienkasse hatte für den Streitzeitraum Dezember 2019 bis Juli 2021 Kindergeld festgesetzt. Sie hob diese Festsetzung mit Bescheiden vom März 2021 auf. Der Kindsvater machte geltend, es gebe keine Änderungsnorm. Die Verhältnisse hätten sich nicht geändert. Außerdem habe die Familienkasse die Einkünfte und Bezüge des Kinds fehlerhaft berechnet. Dessen Erbschaft von der Mutter sei zweckgebunden gewesen und zum Abschluss einer privaten Rentenversicherung verwendet worden. Die abweisende Einspruchsentscheidung datiert vom 28. Juli 2021, der Absendevermerk vom 29. Juli 2021. Die Familienkasse schilderte die interne Organisation der Postaufgabe unter Einschaltung eines privaten Postdienstleisters. Nach den Angaben des Vertreters des Klägers ging ihm die Einspruchsentscheidung am 3. August 2021 zu. Seine Klage vom 3. September 2021 sei fristgemäß.

Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht Baden-Württemberg entschied, die Klage sei innerhalb der Monatsfrist erhoben worden. Ein Abgangsvermerk der Stelle, die das Schriftstück an die Postausgangsstelle weiterleite, reiche nicht aus. Erforderlich sei ein Absendevermerk der Poststelle. Die Schilderungen der organisatorischen Abwicklung lasse zwar auf eine Postaufgabe am 29. Juli 2021 schließen. Die Zugangsfiktion am dritten Tag sei jedoch erschüttert. Der Verfahrensablauf des Postdienstleisters sei nicht bekannt, ein tatsächlicher Zugang am 3. August 2022 möglich und die Klage zulässig.

Änderungen in den einen Kindergeldanspruch begründenden Verhältnissen habe es nicht gegeben. Die Familienkasse habe bereits bei der Kindergeldfestsetzung Kenntnis von der privaten Rente des Kinds gehabt. Der (rückwirkende) Aufhebungsbescheid sei daher rechtswidrig.

Außerdem sei der Kläger kindergeldberechtigt. Sein Kind sei nicht imstande, sich selbst zu unterhalten. Es sei „(neben den Einkünften aus Kapitalvermögen) nur der steuerpflichtige Ertragsanteil der privaten Rente zu berücksichtigen“. Es komme auf die Einkünfte und Bezüge im Sinne des Einkommensteuergesetzes an. Laufende oder einmalige Geldzuwendungen von Eltern seien unschädliches Kindesvermögen. Es dürfe keinen Unterschied machen, wie das Kind das ererbte Vermögen verwende, ob es die geerbten Mittel abhebe oder mit diesen eine private Lebensversicherung abschließe und die Rente zum Lebensunterhalt einsetze. Nichts Anderes gelte, wenn das Kind den von der Mutter geerbten Geldbetrag vor Abschluss der privaten Rentenversicherung um (im Verhältnis zum geerbten Vermögen geringe) eigene Mittel aufstocke. Die monatlichen Rentenzahlungen stellten, soweit sie deren steuerpflichtigen Ertragsanteil überstiegen, eine unbeachtliche Vermögensumschichtung dar. Die nach dem Einkommensteuergesetz ermittelten zur Verfügung stehenden Mittel des Kinds deckten damit dessen existenziellen Lebensbedarf nicht. Die Aufnahme einer Erwerbsfähigkeit scheide aufgrund der Behinderung aus. Werde der Aufhebungsbescheid vom 10. März 2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufgehoben, lebe die Kindergeldfestsetzung wieder auf.

Quelle: FG Baden-Württemberg, Pressemitteilung vom 07.06.2022 zum Urteil 1 K 2137/21 vom 14.04.2022

EU einigt sich auf einheitliche Standards für Mindestlöhne

Das Europäische Parlament und die EU-Mitgliedstaaten haben sich auf einheitliche Standards für Mindestlöhne in der Europäischen Union geeinigt. Einheitliche Mindestlöhne werden das Leben von Millionen Beschäftigten erheblich verbessern.

Die Standards regeln, wie gesetzliche Mindestlöhne festgelegt, aktualisiert und durchgesetzt werden sollen. Zudem sieht das Gesetzesvorhaben vor, dass EU-Länder Aktionspläne festlegen, um die Tarifbindung zu steigern, wenn deren Quote unter 80 Prozent liegt. Der Vorschlag legt weder ein gemeinsames Mindestlohnniveau fest, noch verpflichtet er die Mitgliedstaaten zur EU-weiten Einführung gesetzlicher Mindestlöhne. EU-Parlament und Rat müssen den Kompromiss noch formell bestätigen. Anschließend haben die EU-Länder zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationales Recht zu übertragen.

Die Europäische Kommission begrüßt die politische Einigung. Sie stellt den Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der EU durch angemessene Mindestlöhne sicher, die ihnen am Ort ihrer Arbeit einen angemessenen Lebensstandard ermöglichen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte, dass die neuen Standards auch die nationalen Zuständigkeiten und die Autonomie der Sozialpartner berücksichtigen.

Nicolas Schmit, Kommissar für Beschäftigung und soziale Rechte, sagte: „Die heute erzielte Einigung zeigt, dass wir ein starkes soziales Europa anstreben, in dem der Wert der Arbeit anerkannt wird. Niemand sollte kämpfen müssen, um über die Runden zu kommen: Angemessene Mindestlöhne werden dafür sorgen, dass alle einen angemessenen Lebensunterhalt verdienen können. Dies ist besonders wichtig für Frauen, die die Mehrheit der Mindestlohnbeschäftigten in der EU ausmachen.“

Unterstützung von Tarifverhandlungen und Schutz durch angemessene Mindestlöhne

Mindestlohnschutz besteht in allen EU-Mitgliedstaaten, entweder durch gesetzliche Mindestlöhne und Tarifverträge oder ausschließlich durch Tarifverträge. Der tarifvertraglich garantierte Mindestlohnschutz in Niedriglohnberufen ist im Allgemeinen angemessen. Allerdings haben die gesetzlichen Mindestlöhne nicht immer mit der allgemeinen Lohnentwicklung Schritt gehalten, und nicht alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der EU sind durch Mindestlöhne geschützt.

Die neue Richtlinie zielt darauf ab, hier durch einen EU-Rahmen für die Angemessenheit der gesetzlichen Mindestlöhne Abhilfe zu schaffen, gleichzeitig Tarifverhandlungen bei der Lohnfestsetzung zu fördern und den wirksamen Zugang von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zum Mindestlohnschutz zu verbessern. Die nationalen Gepflogenheiten und Zuständigkeiten sowie die Autonomie der Sozialpartner werden dabei in vollem Umfang gewahrt. Die wichtigsten Elemente sind:

Förderung und Erleichterung von Tarifverhandlungen über Löhne: Mit der Richtlinie werden Tarifverhandlungen in allen Mitgliedstaaten unterstützt, da in Ländern mit einer hohen tarifvertraglichen Abdeckung der Anteil der Geringverdienenden und die Lohnungleichheit tendenziell niedriger und die Mindestlöhne höher sind. Darüber hinaus werden die Mitgliedstaaten, in denen die tarifvertragliche Abdeckung weniger als 80 Prozent beträgt, in der Richtlinie aufgefordert, einen Aktionsplan zur Förderung von Tarifverhandlungen zu erstellen.


Rahmen für die Festlegung und Aktualisierung gesetzlicher Mindestlöhne: Mitgliedstaaten mit gesetzlichen Mindestlöhnen müssen einen soliden Governance-Rahmen für die Festlegung und Aktualisierung von Mindestlöhnen schaffen. Dieser Rahmen umfasst:

  • Kriterien für die Festlegung der Mindestlöhne (wie Kaufkraft, Lohnniveau, Lohnverteilung, Wachstumsrate der Löhne und nationale Produktivität)
  • indikative Referenzwerte für die Bewertung der Angemessenheit der Mindestlöhne
  • regelmäßige und rechtzeitige Aktualisierungen der Mindestlöhne
  • die Einrichtung von Beratungsgremien, an denen sich die Sozialpartner beteiligen
  • die Begrenzung von Variationen und Abzügen der gesetzlichen Mindestlöhne auf Fälle, in denen dies objektiv durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist und
  • eine wirksame Beteiligung der Sozialpartner an der Festlegung und Aktualisierung des gesetzlichen Mindestlohns

Bessere Überwachung und Durchsetzung des Mindestlohnschutzes: Alle Mitgliedstaaten müssen Daten über die Abdeckung und Angemessenheit des Mindestlohns erheben und sicherstellen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Zugang zu Streitbeilegungsverfahren und Anspruch auf Rechtsbehelfe haben. Die Einhaltung und wirksame Durchsetzung der Vorschriften sind von entscheidender Bedeutung, damit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tatsächlich vom Zugang zum Mindestlohnschutz profitieren und ein fairer Wettbewerb für die Unternehmen im Binnenmarkt auf der Grundlage hoher Sozialstandards und einer hohen Produktivität gewährleistet ist.

Nächste Schritte

Die politische Einigung, die das Europäische Parlament und der Rat erzielt haben, muss nun von den Gesetzgebungsorganen noch förmlich gebilligt werden. Die Richtlinie tritt 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft, anschließend müssen die Mitgliedstaaten die neuen Elemente der Richtlinie innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umsetzen.

Quelle: EU-Kommission, Pressemitteilung vom 07.06.2022

Wissenschaftszeitvertragsgesetz soll reformiert werden

Nach einer Konferenz mit dem Titel „Gute Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft – Auf dem Weg zu einer Reform des WissZeitVG“ am 27. Juni 2022 will das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) auf Basis einer Evaluation das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) im Sommer/Herbst 2022 diskutieren. Im Anschluss daran soll ein Referentenentwurf zur Änderung vorgelegt werden. Das schreibt die Bundesregierung in einer Antwort (20/2002) auf eine Kleine Anfrage (20/1696) der CDU/CSU-Fraktion. Die Abgeordneten wollten wissen, ob die angekündigte Evaluation des WissZeitVG durch die Bietergemeinschaft InterVal GmbH und durch das HIS-Institut für Hochschulentwicklung vorliege und ob die Bundesregierung einen Entwurf zur Änderung des Gesetzes plane.

Wie im Koalitionsvertrag festgehalten worden sei, sollen die Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft verbessert werden, heißt es in der Antwort. Dazu solle die Planbarkeit und Verbindlichkeit in der Post-Doc-Phase deutlich erhöht und „frühzeitiger Perspektiven für alternative Karrieren geschaffen werden“. Es sei Aufgabe der Hochschulen und Forschungseinrichtungen als Arbeitgeber, die vereinbarte Befristungsdauer jeweils so zu bemessen, dass sie der angestrebten Qualifizierung angemessen sei, antwortet die Bundesregierung auf die Frage der Unionsfraktion, ob Befristungen an die tatsächliche Laufzeit einer Promotion gekoppelt werden sollen und welche Veränderungen im Post-Doc-Bereich angestrebt würden. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz erlaubt die Befristung von Arbeitsverträgen des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals im Akademischen Mittelbau unabhängig vom Teilzeit- und Befristungsgesetz.

Quelle: Deutscher Bundestag, Mitteilung vom 07.06.2022

EuGH zum Geltungsbereich der Antidiskriminierungsrichtlinie

Eine in der Satzung einer Arbeitnehmerorganisation für die Wählbarkeit in das Amt des Vorsitzenden dieser Organisation vorgesehene Altersgrenze fällt in den Geltungsbereich der Antidiskriminierungsrichtlinie.

Für die Anwendung dieser Richtlinie ist es unerheblich, dass es sich dabei um ein politisches Amt handelt und die betreffende Person in dieses Amt gewählt wird.

Die 1948 geborene A wurde 1978 als hauptamtliche Mitarbeiterin von einer Ortsgruppe der HK eingestellt, einer dänischen Arbeitnehmerorganisation, der der Verband HK/Danmark und der Sektor HK/Privat angehören. 1993 wurde sie zur Vorsitzenden von HK/Privat gewählt. In diesem politischen Amt hatte sie zwar eine Vertrauensstellung inne, es wies jedoch auch bestimmte, für Arbeitnehmer typische Merkmale auf. So war A in Vollzeit beschäftigt, erhielt ein monatliches Gehalt, und das Urlaubsgesetz war auf sie anwendbar.

Sie wurde alle vier Jahre wiedergewählt und hatte das Amt der Vorsitzenden dieses Sektors bis zum 8. November 2011 inne. Zu diesem Zeitpunkt war sie 63 Jahre alt und hatte die in der Satzung des HK Privat1 vorgesehene Altersgrenze überschritten, so dass sie sich nicht erneut zur Wahl, die in diesem Jahr stattfinden sollte, stellen konnte.

Auf die von A beim Ligebehandlingsnævn (Beschwerdeausschuss für Gleichbehandlung, Dänemark) eingelegte Beschwerde entschied dieser, dass es gegen das dänische Antidiskriminierungsgesetz2 verstoße, wenn A wegen ihres Alters nicht erneut für den Vorsitz des HK/Privat kandidieren dürfe, und gab dem HK auf, A für den erlittenen Schaden eine Entschädigung zu zahlen.

Da diese Entscheidung nicht befolgt wurde, erhob dieser Ausschuss, handelnd für A, Klage gegen HK. Das Østre Landsret (Landgericht für Ostdänemark, Dänemark) ist der Auffassung, dass die Entscheidung des Rechtsstreits von der Frage abhänge, ob A als politisch gewählte Vorsitzende des HK/Privat in den Geltungsbereich der Antidiskriminierungsrichtlinie falle. Wenn dies bejaht werde, sei sie gemäß der Satzung dieses Sektors unstreitig Opfer einer gegen diese Richtlinie verstoßenden unmittelbaren Diskriminierung wegen des Alters.

Der Gerichtshof, der von diesem Gericht um Vorabentscheidung ersucht worden ist, entscheidet, dass eine in der Satzung einer Arbeitnehmerorganisation für die Wählbarkeit in das Amt des Vorsitzenden dieser Organisation vorgesehene Altersgrenze in den Geltungsbereich der Antidiskriminierungsrichtlinie3 fällt.

Würdigung durch den Gerichtshof

Erstens kommt der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass die „Bedingungen für den Zugang“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie zur Stelle des Vorsitzenden einer Arbeitnehmerorganisation in den Geltungsbereich dieser Richtlinie fallen.

Was die Wendung „Bedingungen … für den Zugang zu unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit“ im Sinne dieser Bestimmung betrifft, lässt sich dem Umstand, dass die Begriffe „unselbständige Erwerbstätigkeit“ und „selbständige Erwerbstätigkeit“ nebeneinander verwendet werden, entnehmen, dass die Bedingungen für den Zugang zu jeglicher beruflichen Tätigkeit unabhängig von deren Art und Merkmalen erfasst werden. Diese Begriffe sind nämlich weit zu verstehen, wie ein Vergleich der verschiedenen Sprachfassungen dieser Bestimmung zeigt.

So geht aus dem Wortlaut von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Antidiskriminierungsrichtlinie hervor, dass deren Geltungsbereich nicht auf die Bedingungen für den Zugang zu Stellen beschränkt ist, die von „Arbeitnehmern“ im Sinne von Art. 45 AEUV besetzt sind.

Zudem bestätigen die Ziele dieser Richtlinie diese am Wortlaut orientierte Auslegung. Die Antidiskriminierungsrichtlinie, deren Rechtsgrundlage der aktuelle Art. 19 Abs. 1 AEUV ist, zielt nämlich nicht auf den Schutz des Arbeitnehmers als der schwächeren Partei eines Arbeitsverhältnisses ab. Ihr Zweck ist – aus im sozialen und öffentlichen Interesse liegenden Gründen – die Beseitigung aller auf Diskriminierungsgründe gestützter Hindernisse für den Zugang zu Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhalts und die Fähigkeit, durch Arbeit, egal in welcher Rechtsform, einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten. Somit kommt es für die Frage, ob die Bedingungen für den Zugang zur Stelle des Vorsitzenden des Sektors HK/Privat unter die Richtlinie fallen, nicht darauf an, ob ein solcher Vorsitzender als Arbeitnehmer im Sinne von Art. 45 AEUV und der diese Vorschrift auslegenden Rechtsprechung4 einzustufen ist.

Die politische Natur einer solchen Stelle ist unerheblich für die Frage, ob diese Bedingungen in den Geltungsbereich der Antidiskriminierungsrichtlinie fallen, da sie sowohl für den privaten als auch den öffentlichen Bereich unabhängig vom Tätigkeitsfeld gilt und die Ausnahmen ausdrücklich festgelegt sind5. Ebenso wenig ist es für die Anwendung der Richtlinie erheblich, wie die Einstellung auf eine Stelle, etwa durch eine Wahl, erfolgt.

Diese Erwägungen werden nicht durch das Vorbringen zum Recht von Arbeitnehmerorganisationen, ihre Vertreter frei zu wählen, das ein Aspekt der in Art. 12 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) verankerten Vereinigungsfreiheit ist, in Frage gestellt. Dieses Recht muss nämlich mit dem in der Antidiskriminierungsrichtlinie geregelten Verbot von Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf als Konkretisierung des in Art. 21 der Charta verankerten allgemeinen Grundsatzes der Nichtdiskriminierung in Einklang gebracht werden. Da die Vereinigungsfreiheit kein absolutes Recht ist, darf ihre Ausübung gemäß Art. 52 Abs. 1 der Charta eingeschränkt werden, sofern die Einschränkungen gesetzlich vorgesehen sind, den Wesensgehalt dieses Rechts achten und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren.

Zweitens entscheidet der Gerichtshof in Bezug auf Art. 3 Abs. 1 Buchst. d der Antidiskriminierungsrichtlinie, wonach diese u. a. auf die Mitwirkung in einer Arbeitnehmerorganisation anwendbar ist, dass die Ausübung der Tätigkeit des Vorsitzenden einer solchen Organisation unter diese Bestimmung fällt. Es stellt nämlich eine Art von „Mitwirkung“ – im gewöhnlichen Sinn dieses Begriffs – in einer solchen Organisation dar, wenn jemand bei der Wahl zum Vorsitzenden einer Arbeitnehmerorganisation kandidiert oder, nachdem er gewählt wurde, die Aufgaben des Vorsitzenden wahrnimmt.

Diese Auslegung entspricht dem Ziel der Richtlinie, das darin besteht, einen allgemeinen Rahmen zur Bekämpfung von Diskriminierungen u. a. wegen des Alters in Beschäftigung und Beruf zu schaffen, so dass die Begriffe, die in Art. 3 der Richtlinie deren Geltungsbereich präzisieren, nicht eng ausgelegt werden dürfen.

Fußnoten

1 Nach dieser Satzung können nur Mitglieder, die am Wahltag das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, in das Amt des Vorsitzenden gewählt werden. Diese Altersgrenze wurde für die Mitglieder, die nach dem Kongress von 2005 wiedergewählt wurden, auf 61 Jahre angehoben.
2 Lov om forbud mod forskelsbehandling på arbejdsmarkedet m.v. (forskelsbehandlingsloven) (Gesetz über das Verbot der Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt u. a. Antidiskriminierungsgesetz]) in der durch das Lov nr. 253 (Gesetz Nr. 253) vom 7. April 2004 und das Lov nr. 1417 (Gesetz Nr. 1417) vom 22. Dezember 2004 zur Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. 2000, L 303, S. 16) (im Folgenden: Antidiskriminierungsrichtlinie) geänderten Fassung.
3 Art. 3 („Geltungsbereich“) Abs. 1 Buchst. a und d der Antidiskriminierungsrichtlinie.
4 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs handelt es sich bei einem „Arbeitnehmer“ im Sinne dieser Bestimmung um eine Person, die während einer bestimmten Zeit für eine andere nach deren Weisung Leistungen erbringt, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält.
5 Nach Art. 3 Abs. 4 der Antidiskriminierungsrichtlinie können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass diese hinsichtlich von Diskriminierungen u. a. wegen des Alters nicht für die Streitkräfte gilt.

Quelle: EuGH, Pressemitteilung vom 02.06.2022 zum Urteil C-587/20 vom 02.06.2022

46 Prozent aller Beschäftigten bekommen Urlaubsgeld – Mit Tarifvertrag 74 Prozent

In Deutschland erhalten etwas weniger als die Hälfte (46 Prozent) aller Beschäftigten in der Privatwirtschaft Urlaubsgeld. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Online-Befragung des Internet-Portals Lohnspiegel.de, das vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung betreut wird. Für die Analyse wurden die Angaben von mehr als 66.000 Beschäftigten aus dem Zeitraum von Anfang Mai 2021 bis Ende April 2022 ausgewertet.

„Angesichts der hohen Inflationsraten ist das Urlaubsgeld für viele Beschäftigte in diesem Jahr ein Segen“, sagt der Leiter des WSI-Tarifarchivs, Prof. Dr. Thorsten Schulten. „Es schafft ein bisschen Luft, um die deutlich gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreise zu tragen, auch wenn dies womöglich auf Kosten der Urlaubskasse gehen könnte.“ Problematisch findet Schulten allerdings, „dass immer noch mehr als jede und jeder zweite Beschäftigte beim Urlaubsgeld leer ausgeht. Gerade im Niedriglohnsektor, wo diese Sonderzahlung derzeit am nötigsten gebraucht würde, wird sie am seltensten ausgezahlt.“

Ob Beschäftigte Urlaubsgeld erhalten oder nicht, hängt von mehreren Faktoren ab. Der mit Abstand wichtigste Faktor ist die Tarifbindung. So erhalten 74 Prozent der Beschäftigten in tarifgebundenen Unternehmen der Privatwirtschaft ein Urlaubsgeld, gegenüber nur 36 Prozent der Beschäftigten in Unternehmen ohne Tarifvertrag.

In Ostdeutschland wird nach wie vor deutlich seltener Urlaubsgeld gezahlt als in Westdeutschland. Während im Osten 32 Prozent der Beschäftigten ein Urlaubsgeld erhalten, sind es im Westen 48 Prozent. Dieser Unterschied ist in erster Linie auf die deutlich geringere Tarifbindung im Osten Deutschlands zurückzuführen. Nach den Ergebnissen des IAB-Betriebspanels arbeiteten 2021 54 Prozent der westdeutschen und 45 Prozent der ostdeutschen Beschäftigten in Betrieben mit Tarifvertrag.

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Größe des Unternehmens, da die Wahrscheinlichkeit, Urlaubsgeld zu erhalten mit zunehmender Beschäftigtenzahl ansteigt (Abbildung 1). Auch hier besteht eine enge Korrelation mit der Tarifbindung, da große Unternehmen eher einen Tarifvertrag anwenden.

Auch bei den Geschlechtern zeigen sich deutliche Unterschiede: So arbeiten Männer mit 49 Prozent häufiger in Betrieben, die ein Urlaubsgeld zahlen, als Frauen, von denen nur 41 Prozent eine entsprechende Sonderzahlung bekommen.

Schließlich hängt die Wahrscheinlichkeit, Urlaubsgeld zu erhalten, auch mit der Höhe des monatlichen Einkommens zusammen. Geringverdiener*innen mit einem Bruttomonatslohn von unter 2.300 Euro erhalten nur zu 36 Prozent ein Urlaubsgeld. In den darüberliegenden Entgeltgruppen sind es hingegen 48 bzw. 49 Prozent (siehe auch Abbildung 2 in der pdf-Version). Auch in dieser Hinsicht dürfte ein enger Zusammenhang mit der Tarifbindung bestehen, da diese im Niedriglohnsektor deutlich geringer ausfällt.

Unterschiede in der Höhe des tarifvertraglichen Urlaubsgeldes

Die Höhe des tarifvertraglich vereinbarten Urlaubsgeldes fällt je nach Branche sehr unterschiedlich aus: Zwischen 180 und 2.627 Euro bekommen Beschäftigte in der mittleren Vergütungsgruppe dieses Jahr als tarifliches Urlaubsgeld (ohne Berücksichtigung von Zulagen/Zuschlägen, bezogen auf die Endstufe der Urlaubsdauer). Das zeigt die aktuelle Auswertung des WSI-Tarifarchivs für 22 Tarifbranchen (siehe Abbildung 3 in der pdf-Version sowie die Tabellen 1 und 2; Stand: April 2022). Am wenigsten Urlaubsgeld bekommen Beschäftigte in der Landwirtschaft und im Hotel- und Gaststättengewerbe. Die höchsten Zahlungen erhalten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unter anderem in der Holz- und Kunststoffverarbeitung, in der Papier verarbeitenden Industrie, in der Metallindustrie, in der Druckindustrie, im Kfz-Gewerbe, im Versicherungsgewerbe, im Einzelhandel, im Bauhauptgewerbe und in der Chemischen Industrie.

Im Westen ist das Urlaubsgeld in vielen Branchen immer noch höher als in Ostdeutschland. Ausnahmen bilden u. a. das Versicherungsgewerbe, die chemische Industrie und das Gebäudereinigungshandwerk, in denen jeweils in Ost- und Westdeutschland das gleiche Urlaubsgeld gezahlt wird. Im öffentlichen Dienst und in der Eisen- und Stahlindustrie gibt es kein gesondertes tarifliches Urlaubsgeld. Es wird mit dem Weihnachtsgeld zu einer einheitlichen Jahressonderzahlung zusammengefasst. Bei der Deutschen Bahn AG wird es in das Jahrestabellenentgelt eingerechnet. Auch im Bankgewerbe und in einigen Branchentarifverträgen der Energiewirtschaft gibt es kein tarifliches Urlaubsgeld.

Gegenüber dem Vorjahr hat sich das tarifliche Urlaubsgeld in der Hälfte der hier untersuchten Branchen (11 von 22) erhöht. Dies gilt insbesondere für diejenigen Branchen, in denen das Urlaubsgeld als ein bestimmter Prozentsatz der Tarifentgelte festgelegt wird, wie z.B. im Kfz-Gewerbe, in der Holz- und Kunststoff verarbeitenden Industrie, im Einzelhandel oder im Bauhauptgewerbe. Die Erhöhungen des Urlaubsgeldes folgten demnach den allgemeinen Tariferhöhungen und lagen überwiegend zwischen 1,5 und 3,0 Prozent. Den höchsten Zuwachs beim Urlaubsgeld gab es mit 5,8 Prozent im ostdeutschen Bauhauptgewerbe und 5,2 Prozent im brandenburgischen Einzelhandel. In beiden Branchen konnte damit der Unterschied zum Niveau des Urlaubsgeldes in Westdeutschland deutlich verkleinert werden.

Informationen zur Methode

Die Daten des Online-Portals Lohnspiegel.de beruhen auf einer kontinuierlichen Online-Umfrage unter Erwerbstätigen in Deutschland. Die Umfrage ist nicht repräsentativ, erlaubt aber aufgrund der hohen Fallzahlen detaillierte Einblicke in die tatsächlich gezahlten Vergütungen und die Häufigkeit von Sonderzahlungen. Nicht berücksichtigt wurden Beschäftigte des öffentlichen Dienstes, bei denen das Urlaubs- und Weihnachtsgeld seit der Tarifreform des Jahres 2005 in einer einzigen Jahressonderzahlung zusammengefasst wird. Lohnspiegel.de ist ein nicht-kommerzielles Angebot des WSI der Hans-Böckler-Stiftung, mit dem Beschäftigte unter https://www.lohnspiegel.de ihr eigenes Gehalt mit den üblichen Gehältern in 500 Berufen vergleichen können.

Quelle: Hans-Böckler-Stiftung, Pressemitteilung vom 03.06.2022

Wichtige Hinweise zur baldigen Beendigung der Corona-Zuschussprogramme/Überbrückungshilfen und Neustarthilfen

Seit über zwei Jahren unterstützen die Corona-Zuschussprogramme, insbesondere die Überbrückungs- und Neustarthilfen, betroffene Unternehmen mit coronabedingten Umsatzeinbrüchen. Über 2 Millionen Anträge wurden in den Programmen gestellt und rund 57 Milliarden Euro an Hilfen ausgezahlt. Die Corona-Hilfsprogramme der Überbrückungshilfe werden am 30. Juni 2022 auslaufen, da zu diesem Zeitpunkt auch der den Hilfsprogrammen zugrundeliegende Beihilferahmen zur Gewährung dieser Hilfen, der Temporary Framework, beendet sein wird. Darauf weist das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz in einer heute veröffentlichen Pressemitteilung hin. Darin heißt es weiter:

Daraus ergeben sich jetzt zum Programmende eine Reihe enger Fristsetzungen. Damit allen noch hilfsbedürftigen Unternehmen die benötigte Unterstützung noch gewährt werden kann, ist es wichtig, dass die vorgegebenen Fristen eingehalten werden. Folgende organisatorische Aspekte sind zu beachten.

Fristende in den laufenden Programmen

Die Antragsfrist für die Überbrückungshilfe IV und Neustarthilfe 2022 endet, anders als bei den früheren Hilfsprogrammen, bereits kurz vor Ablauf der Förderperiode, nämlich am 15. Juni 2022.

Abwicklung der Programme
Die Programmabwicklung ist sichergestellt. Damit auch nach dem 30. Juni 2022 noch nicht bearbeitete Anträge weiter geprüft und Hilfen ausgezahlt werden können, ergehen für alle am 13. Juni 2022 noch nicht beschiedenen Erst- und Änderungsanträge aus den Programmen Überbrückungshilfe III, III Plus, IV, Neustarthilfe Plus und Neustarthilfe 2022 fristwahrende vorläufige Bescheide.
Fristwahrender Bescheid
Der fristwahrende vorläufige Bescheid bestätigt den Antragstellenden, dass ihr Antrag fristgerecht eingegangen ist und setzt den Anspruch auf die beantragte Leistung dem Grunde nach vorläufig fest. Ein Anspruch auf Auszahlung eines bestimmten Betrags und ein schutzwürdiges Vertrauen auf Erhalt von Überbrückungshilfe entstehen dadurch nicht. Eine Auszahlung erfolgt erst nach weiterer Prüfung der Fördervoraussetzungen. Prüfung und Auszahlung können auch noch nach dem 30. Juni 2022 erfolgen.
Bescheidabruf durch die prüfenden Dritten erforderlich (wichtig!).
Damit die Bescheide fristgerecht wirksam werden, müssen sie durch die prüfenden Dritten im Portal bis zum 30. Juni 2022 abgerufen werden. Sofern bis zum 20. Juni 2022 kein fristwahrender Bescheid zugegangen ist, muss die Bewilligungsstelle oder Hotline kontaktiert werden. Auch hier bitten wir um die Mitwirkung der prüfenden Dritten und Antragstellenden.

Aktuelle Antragskonstellationen in der Überbrückungshilfe IV

Im laufenden Programm, der Überbrückungshilfe IV sind im Moment unterschiedliche Fallkonstellationen möglich. Die Antragsfrist läuft noch, gleichzeitig sind viele Anträge und Änderungsanträge bereits gestellt. Naturgemäß konnten viele von Ihnen noch nicht abschließend bearbeitet werden. Hier ein Überblick:

Bislang kein ÜH IV-Antrag
Wenn bisher noch kein Erstantrag für die Überbrückungshilfe IV gestellt wurde, kann noch bis zum 15. Juni 2022 ein Erstantrag für alle Monate des Förderzeitraums der Überbrückungshilfe IV, also Januar bis Juni 2022, gestellt werden.
ÜH IV-Antrag bereits beschieden
Wenn ein ÜH IV-Erstantrag für das 1. Quartal 2022 gestellt wurde, der bereits beschieden ist, können die Monate April bis Juni 2022 einfach per Änderungsantrag bis zum 15. Juni 2022 beantragt werden.
ÜH IV-Antrag für das erste Quartal 2022 noch nicht beschieden
Antragstellende, deren Erstantrag auf Überbrückungshilfe IV noch nicht beschieden wurde und die deshalb bis Anfang Juni keinen Änderungsantrag zur Erweiterung des Förderzeitraums auf die Monate April bis Juni einreichen können, müssen zwingend bis zum 15. Juni 2022 einen sogenannten Erweiterungsantrag stellen. Die Erweiterungsanträge können vom 3. Juni bis 15. Juni im Antragsportal gestellt werden. Der Erweiterungsantrag ist sehr einfach und unkompliziert. Er erfordert noch keine detaillierten Umsatz- und Kostenangaben, sondern lediglich die Beantragung der Verlängerung und eine Erklärung des Antragstellers, dass die Antragsvoraussetzungen vorliegen. Die konkreten Umsatz- und Kostenangaben können dann auch noch nach dem 30. Juni 2022 per Änderungsantrag nachgereicht werden, sobald der Erstantrag bewilligt bzw. teilbewilligt wurde. Die betroffenen prüfenden Dritten wurden bereits per E-Mail über die Möglichkeit des Erweiterungsantrags informiert.

Aktuelle ÜH III-Antragsvereinfachung bei abgelehnter November- / Dezemberhilfe

Im Rahmen der November-/ Dezemberhilfe gab es eine größere Zahl von Anträgen aus Branchen, die nicht antragsberechtigt waren, weil sie nicht geschlossen waren. Das gilt zum Beispiel für Anträge von Friseuren oder Taxiunternehmen. Diese Anträge sind deshalb abzulehnen. Trotzdem hatten auch diese Unternehmen zum Teil erhebliche coronabedingte Einbußen zu verzeichnen. Deshalb wurde politisch entschieden, dass diese Unternehmen, jedenfalls soweit sie einen Antrag auf Überbrückungshilfe III gestellt haben, auch für die Monate November/ Dezember 2020 diese in Anspruch nehmen können. Damit die Betroffenen diese Möglichkeit nutzen können, müssen sie rechtzeitig ihren vorliegenden ÜH III-Antrag um die Monate November/ Dezember 2020 erweitern.

Antragsvoraussetzungen

Wurde ein Antrag auf Novemberhilfe oder Dezemberhilfe durch die Bewilligungsstelle abgelehnt beziehungsweise der Bescheid aufgehoben oder ist hinsichtlich des Antrags ein Widerspruchs- oder Klageverfahren anhängig und wurde bereits fristgerecht Überbrückungshilfe III beantragt, besteht bis zum 15. Juni 2022 die Möglichkeit, die Fördermonate November und / oder Dezember im Rahmen der Überbrückungshilfe III zusätzlich zu beantragen.

Verkürzter Antrag auch per E-Mail und ohne prüfende Dritte möglich

Der Antrag erfolgt entweder in Form eines durch den Service Desk freigeschalteten Überbrückungshilfe III-Änderungsantrags oder ausnahmsweise über ein Online-Formular, falls es innerhalb der kurzen Frist nicht möglich ist, den Änderungsantrag zu stellen. Das Online-Formular kann ausnahmsweise auch durch die Antragstellenden selbst verschickt werden, so dass die Beteiligung eines prüfenden Dritten hier nicht zwingend ist. Auch dieser Online-Antrag ist sehr einfach und unkompliziert. Prüfende Dritte der Überbrückungshilfe III sowie betroffene Direktantragsteller der November- und Dezemberhilfe wurden hierüber bereits per E-Mail informiert.

Änderung der bisherigen Regelung (wichtig!)

Im Rahmen der Schlussabrechnung ist diese Erweiterung des Förderzeitraums der Überbrückungshilfe III – anders als bisher in den FAQ beschrieben – nicht mehr möglich. Die FAQ, Ziff. 3.20., sind in diesem Punkt entsprechend angepasst, alle potentiell Betroffenen wurden von uns direkt informiert.

Quelle: WPK, Mitteilung vom 03.06.2022

CO2-Steuer an der Grenze – Was kommt auf die Wirtschaft zu?

Die EU soll bis 2050 der erste klimaneutrale Wirtschaftsraum werden. Ein CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) soll dafür sorgen, dass strenge EU-Klimaschutzvorgaben nicht zum Nachteil für europäische Unternehmen im internationalen Wettbewerb werden. Allerdings könnte CBAM internationale Handelskonflikte erzeugen und zusätzliche Außenhandelsbürokratie für die Unternehmen bedeuten. Die nun anstehenden abschließenden Verhandlungen auf EU-Ebene zur Ausgestaltung des CBAM sind daher von außerordentlicher Bedeutung für die weltweit eng vernetzte deutsche Wirtschaft.

Maßnahmen für den Erhalt von Wertschöpfung in Europa

Für Unternehmen im EU-Emissionshandel ist die teilweise freie Zuteilung von Verschmutzungsrechten Voraussetzung dafür, dass ihre Produkte international wettbewerbsfähig bleiben. Sie wurde eingerichtet, um ein „Carbon Leakage“ zu verhindern – also die Verlagerung von Produktion in Länder mit geringeren Emissionskosten. Die EU-Kommission plant allerdings, diese kostenfreie Zuteilung bis 2030 vollständig abzuschmelzen. Für einige energie- und handelsintensive Branchen soll stattdessen der CBAM einer Abwanderung von Wertschöpfung entgegenwirken. Der Mechanismus sieht eine Art CO₂-Zoll auf importierte Produkte zum Ausgleich der CO₂-Kosten innerhalb der EU vor. Erfasst werden sollen anfangs die Branchen Zement, Dünger, Stahl, Aluminium, aber auch Strom. Zusätzlich sieht der jüngste Vorschlag des Parlaments vor, auch Wasserstoff, Polymere und organische Chemikalien mit einzubeziehen.

Unilateraler Ansatz – globale Risiken

Für die internationalisierte deutsche Wirtschaft ist es von großer Bedeutung, dass neue Regelungen – auch wenn sie Carbon Leakage verhindern sollen – den globalen Handel nicht einschränken und nicht zum Einfallstor für zusätzlichen Protektionismus werden. Der unilaterale CBAM birgt jedoch das Risiko von internationalen Handelskonflikten. Der Entwurf der Europäischen Kommission bewegt sich aus Perspektive der Welthandelsorganisation WTO im Grenzbereich des legal Möglichen. Hier sollte auf stärkere WTO-Kompatibilität gesetzt werden, um Unternehmen Planungssicherheit zu geben und weniger Anreize für Handelskonflikte zu bieten.

Zudem ist es wichtig, die freie Zuteilung auch für die Sektoren beizubehalten, die dem CO₂-Grenzausgleichsmechanismus unterliegen. Denn es gilt nicht nur die Importseite im Blick zu behalten, vielmehr müssen europäische Unternehmen auch beim Export ihrer in der EU produzierten Güter wettbewerbsfähig bleiben können.

Klimaclub statt Alleingang: Klimaschutz weltweit denken

Freier Handel und Klimaschutz sind Herausforderungen, aber kein Widerspruch. Gute Klimapolitik bietet für deutsche Unternehmen auch ökonomische Chancen. So tragen deutsche Unternehmen durch den Export von Umwelttechnologien national zum Wachstum und global zum Klimaschutz bei. Für die deutsche Wirtschaft ist es deshalb dringend erforderlich, die klimapolitischen Anstrengungen stärker über internationale Vereinbarungen voranzutreiben. Die Bundesregierung hat vorgeschlagen, einen Grenzausgleich im Rahmen eines grundsätzlich für alle Staaten offenen plurilateralen Klimaclubs oder zumindest kompatibler Systeme zu erwägen. Dies würde handelspolitische Risiken verringern; aus Sicht der deutschen Unternehmen wäre es deshalb wünschenswert, den Ansatz insbesondere mit wichtigen Handelspartnern – beispielweise auf G20-Ebene – weiterzuverfolgen. Bedingung für die Teilnahme am Klimaclub sollte dabei eine explizite CO₂-Bepreisung sein – und die Umsetzung möglichst im Rahmen der WTO erfolgen.

Einen greifbaren handelspolitischen Beitrag zum Klimaschutz würden zudem das WTO-Umweltgüterabkommen, ambitionierte Nachhaltigkeitskapitel in EU-Handelsabkommen und ein global koordinierter Abbau von Subventionen für fossile Energieträger leisten.

Quelle: DIHK, Mitteilung vom 02.06.2022

Der Mindestlohn steigt auf 12 Euro

Der Deutsche Bundestag hat am 3. Juni 2022 dem Gesetz zur Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro zum 1. Oktober 2022 zugestimmt. Mit dem Gesetz wird die im Koalitionsvertrag vereinbarte einmalige gesetzliche Erhöhung des Mindestlohns auf brutto 12 Euro je Zeitstunde umgesetzt.

„Ein armutsfester Mindestlohn ist eine Frage der Leistungsgerechtigkeit und des Respekts vor ehrlicher Arbeit. Von der Erhöhung profitieren über sechs Millionen hart arbeitende Menschen, vor allem in Ostdeutschland und vor allem Frauen. Die Anhebung kommt insbesondere den Leuten zu Gute, die in der Pandemie dieses Land am Laufen gehalten haben.“

Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales

Die Mindestlohnhöhe von 12 Euro entspricht ungefähr 60 Prozent des Medianlohns in Deutschland – eine Richtgröße, die im europäischen Diskurs für einen angemessenen Mindestschutz empfohlen wird. Zukünftige Anpassungen des Mindestlohns erfolgen weiterhin auf Grundlage von Beschlüssen der Mindestlohnkommission.

Quelle: BMAS, Pressemitteilung vom 03.06.2022

Einführung einer Umsatzgrenze in § 24 Abs. 1 Satz 1 UStG durch das Jahressteuergesetz 2020

Mit Artikel 11 Nr. 6 Buchst. a und 7 des Jahressteuergesetzes 2020 vom 21. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3096) hat der Gesetzgeber in § 24 Abs. 1 Satz 1 UStG eine Umsatzgrenze i. H. v. 600.000 Euro eingefügt.

  • Diese ist erstmals auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2021 bewirkt werden (§ 27 Abs. 32 UStG).
  • Sofern der Gesamtumsatz (§ 19 Abs. 3 UStG) für das gesamte Unternehmen im vorangegangenen Kalenderjahr mehr als 600.000 Euro betragen hat, sind nach § 24 Abs. 1 Satz 1 UStG die Umsätze im laufenden Kalenderjahr zwingend nach der Regelbesteuerung zu versteuern.
  • Hinsichtlich der Einführung der Umsatzgrenze in § 24 Abs. 1 Satz 1 UStG sind Verwaltungsregelungen in den Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) aufzunehmen.
  • Ferner werden in Abschnitt 24.8 UStAE Regelungen zu dem Sachverhalt aufgenommen, dass beim Erwerb eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs der Veräußerer zur Regelbesteuerung optiert hatte.
  • Mit Artikel 11 Nummer 6 Buchstabe b des Jahressteuergesetzes 2020 wurde § 24 Abs. 2 Satz 3 UStG aufgehoben. Die Verwaltungsanweisung in Abschnitt 24.1 Abs. 3 UStAE ist zu streichen und das BMF-Schreiben vom 1. Dezember 2009, BStBl. I S. 1611 aufzuheben. (…)

Die Regelungen dieses Schreibens sind erstmals auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2021 bewirkt werden.

Das BMF-Schreiben vom 1. Dezember 2009, BStBl I S. 1611, wird mit Wirkung ab dem 1. Januar 2022 aufgehoben.

Dieses Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.

Quelle: BMF, Schreiben (koordinierter Ländererlass) III C 2 – S-7410 / 19 / 10001 :016 vom 02.06.2022