Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts nach § 198 BewG – Grundsätze und aktuelle Entwicklungen

Bei unentgeltlichen Übertragungen von Grundstücken sind diese für erbschaft- und schenkungsteuerliche Zwecke zu bewerten. Dies erfolgt üblicherweise mittels Vergleichs-, Ertrags- oder Sachwertverfahren gemäß dem Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz. Jedoch wurden kürzlich die Regelungen des Ertrags- und Sachwertverfahrens durch das JStG 2022 angepasst, was häufig zu höheren Bewertungsergebnissen führt. Diese Anpassungen zielen darauf ab, die ermittelten Grundbesitzwerte näher an die tatsächlichen Verkehrswerte der Grundstücke zu bringen.

Neben diesen regulären Verfahren bietet § 198 des Bewertungsgesetzes (BewG) dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit, einen niedrigeren gemeinen Wert durch ein Gutachten nachzuweisen. Diese Regelung gewinnt besonders dann an Bedeutung, wenn Grundstücke unter Nießbrauchvorbehalt übertragen werden oder, wie ein Urteil des FG Münster kürzlich zeigte, bei der Übertragung von Miteigentumsanteilen an Grundstücken.

Wesentliche Punkte der aktuellen Rechtsprechung

Das FG Münster hat bestätigt, dass auch bei der Übertragung von Miteigentumsanteilen die Möglichkeit besteht, einen niedrigeren gemeinen Wert geltend zu machen. Dies ist relevant, da ein Miteigentumsanteil aufgrund der Einschränkungen in der Veräußerbarkeit und Nutzung oft weniger wert ist als der entsprechende Anteil am Gesamtwert des Grundstücks.

Bewertungsverfahren nach BewG

Die Bewertung von Grundstücken für Zwecke der Erbschaftsteuer erfolgt durch Feststellung des Grundbesitzwerts, der den gemeinen Wert abbilden soll. Die Methoden hierfür sind:

  • Vergleichswertverfahren: Ermittlung des gemeinen Werts anhand von Vergleichspreisen ähnlicher Grundstücke.
  • Ertragswertverfahren: Bewertung auf Basis der erzielbaren Mieteinnahmen, abzüglich Bewirtschaftungskosten und unter Berücksichtigung des Bodenwerts.
  • Sachwertverfahren: Bewertung, die vor allem bei bebauten Grundstücken zur Anwendung kommt, indem die Bau- und Bodenwerte summiert werden.

Praktische Anwendung des § 198 BewG

Die Anwendung von § 198 BewG erlaubt es, besondere Umstände, die bei den standardisierten Verfahren möglicherweise nicht ausreichend berücksichtigt werden, einzubeziehen. Dies ist besonders vorteilhaft, wenn durch die üblichen Bewertungsverfahren die individuellen Gegebenheiten eines Grundstücks nicht adäquat abgebildet werden.

Ein typisches Beispiel wäre die Bewertung eines Grundstücks, das unter Nießbrauchvorbehalt übertragen wird. Hier kann der Nießbrauch direkt bei der Bewertung des Grundstücks berücksichtigt werden, was eine niedrigere Bemessungsgrundlage für die Erbschaft- oder Schenkungsteuer zur Folge haben kann.

Aktuelle Entwicklungen

Das jüngste Urteil des FG Münster unterstreicht die Bedeutung von § 198 BewG für die Bewertung von Miteigentumsanteilen. Das Gericht anerkannte, dass der Marktwert eines Miteigentumsanteils durch dessen eingeschränkte Verkehrsfähigkeit gemindert sein kann und daher ein entsprechender Abschlag gerechtfertigt ist. Dies eröffnet Steuerpflichtigen neue Möglichkeiten zur Steueroptimierung.

Fazit

Der § 198 BewG bietet bedeutende Chancen zur Reduzierung der erbschaft- und schenkungsteuerlichen Bemessungsgrundlage, indem er eine flexiblere Bewertung ermöglicht, die individuelle Umstände berücksichtigt. Insbesondere in Zeiten, in denen die gesetzlichen Bewertungsverfahren verstärkt zu höheren Grundbesitzwerten führen, kann der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts erhebliche steuerliche Vorteile bieten.

Für weitergehende Fragen zu diesem Thema oder zur Anwendung des § 198 BewG in speziellen Fällen empfehle ich die Beratung durch einen qualifizierten Steuerberater.