Taggenaue Betrachtung für Zwecke des § 62 Abs. 1a Satz 1 und 3 EStG erforderlich

FG Münster, Mitteilung vom 17.06.2024 zum Urteil 8 K 2918/22 Kg vom 22.05.2024

Das Finanzgericht Münster hat in seinem Urteil vom 22. Mai 2024 (Az. 8 K 2918/22 Kg) entschieden, dass der „Ablauf des in Satz 1 genannten Zeitraums“ im Sinne des § 62 Abs. 1a Satz 3 EStG taggenau zu ermitteln ist. Demnach besteht eine Kindergeldberechtigung für alle vier Monate, die in den dreimonatigen Zeitraum des Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG (FreizügigkeitsRL) fallen.

Die Klägerin und ihre Tochter, bulgarische Staatsangehörige, reisten am 20. Januar 2022 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 oder Abs. 3 FreizügG/EU erfüllte die Klägerin nicht. Die Familienkasse setzte Kindergeld für Januar bis März 2022 fest, lehnte jedoch die Festsetzung für April 2022 ab, basierend auf einer Weisung des Bundeszentralamts für Steuern vom 28. September 2022. Diese Weisung interpretierte die dreimonatige Anspruchsfrist kalendermonatsbezogen.

Der 8. Senat des Finanzgerichts Münster gab der Klage der Klägerin statt. Laut § 62 Abs. 1a Satz 1 EStG besteht für Staatsangehörige anderer EU-Mitgliedstaaten kein Kindergeldanspruch in den ersten drei Monaten nach Wohnsitznahme in Deutschland. Nach Ablauf dieser Frist gelten die weiteren Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 Satz 3 EStG. Das Gericht stellte klar, dass dieser Zeitraum taggenau zu berechnen sei, was im Fall der Klägerin bis zum 20. April 2022 reicht.

Das Urteil des EuGH vom 1. August 2022 (Rs. C-411/20) unterstützte diese Sichtweise, indem es bestimmte, dass die dreimonatige Frist aus Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 14 Abs. 1 der FreizügigkeitsRL taggenau zu berechnen ist. Diese Regelung besagt, dass Unionsbürger für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufenthaltsberechtigt sind, solange sie nicht unangemessen Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen.

Der 8. Senat des FG Münster betonte, dass keine rechtliche Grundlage oder tatsächliche Notwendigkeit für eine kalendermonatsbezogene Betrachtung bestehe. Eine solche Betrachtung würde zu ungleichen Behandlungen führen, je nachdem, ob ein Unionsbürger zu Beginn oder Ende eines Kalendermonats einreist.

Das Finanzgericht Münster hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.

Quelle: Finanzgericht Münster, Newsletter Juni 2024