Bewusstsein der (Teil-)Unentgeltlichkeit als Tatbestandsvoraussetzung des § 7 Abs. 8 ErbStG

Das Finanzgericht Münster hat in einem Urteil vom 23. Mai 2024 (Az. 3 K 2585/21 Erb) eine wichtige Entscheidung zur Anwendung des § 7 Abs. 8 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) getroffen. Es ging um die Frage, ob das Bewusstsein der (Teil-)Unentgeltlichkeit als subjektives Merkmal notwendig ist, um den Tatbestand der Werterhöhung von Anteilen an Kapitalgesellschaften im Sinne dieser Norm zu erfüllen.

Sachverhalt

Der Kläger war zusammen mit seinem Vater und seinem Bruder Gesellschafter einer GmbH. Durch einen Erbvertrag war ursprünglich vorgesehen, dass die Söhne jeweils die Hälfte der Anteile des Vaters an der GmbH erhalten sollten. Im Jahr 2013 annullierte der Vater jedoch den Erbvertrag mit dem Bruder des Klägers, wodurch die Anteile des Bruders auf den Kläger übertragen werden sollten. Der Bruder verpflichtete sich, seine Beteiligung an der GmbH zum 1. November 2017 an die GmbH oder an einen von dieser benannten Dritten zu veräußern, wobei ein Kaufpreis von 2.100.000 Euro vereinbart wurde.

Nach dem Tod des Vaters im Jahr 2013 wurde der Kläger Geschäftsführer der GmbH und übte das Benennungsrecht dahingehend aus, dass die GmbH selbst die Anteile erwerben sollte. Die notarielle Umsetzung der Übertragung erfolgte im Jahr 2018. Das Finanzamt setzte Schenkungsteuer fest, da es von einer gemischten Schenkung ausging, da der Wert der Anteile nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren am Stichtag 1. November 2017 auf 9.688.883 Euro geschätzt wurde.

Entscheidung des Finanzgerichts Münster

Das Finanzgericht Münster gab der Klage des Steuerpflichtigen statt und hob den Schenkungsteuerbescheid auf. Das Gericht argumentierte, dass § 7 Abs. 8 ErbStG ein subjektives Merkmal in Form eines Bewusstseins der (Teil-)Unentgeltlichkeit erfordert.

Nach Auffassung des Gerichts ist für die Anwendung von § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG nicht ausreichend, dass eine objektive Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft durch die Leistung einer anderen Person stattfindet. Vielmehr muss der Zuwendende in dem Bewusstsein handeln, dass er den Wert des Anteils des Bedachten ohne äquivalenten Gegenwert erhöht. Der Wille zur Unentgeltlichkeit ist demnach eine notwendige Tatbestandsvoraussetzung.

Das Gericht stellte fest, dass im vorliegenden Fall keine Schenkung im Sinne von § 7 Abs. 8 ErbStG vorliegt, da das Bewusstsein der Unentgeltlichkeit seitens des Bruders des Klägers nicht gegeben war. Die Anteilsübertragung war nicht aus familiären Beweggründen oder im Bewusstsein einer Unentgeltlichkeit erfolgt, sondern auf Basis einer Vereinbarung, die unter Einbeziehung von Rechts- und Steuerberatern getroffen wurde, was auf eine marktübliche Transaktion hindeutet.

Konsequenzen und Ausblick

Dieses Urteil des Finanzgerichts Münster betont die Bedeutung des subjektiven Elements bei der Anwendung von § 7 Abs. 8 ErbStG. Für die Praxis bedeutet dies, dass bei der Übertragung von Anteilen an Kapitalgesellschaften, die potenziell unter den Tatbestand des § 7 Abs. 8 ErbStG fallen könnten, die Absichten und das Bewusstsein der beteiligten Parteien genau geprüft werden müssen. Die Entscheidung des Finanzgerichts verdeutlicht, dass das bloße Vorliegen einer Wertdifferenz zwischen dem vereinbarten Kaufpreis und dem ermittelten Unternehmenswert nicht automatisch zu einer Schenkung führt.

Das Finanzgericht hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen, sodass eine weitere Klärung der Rechtslage in nächster Zeit erwartet werden kann.

Quelle: Finanzgericht Münster, Newsletter August 2024.

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